Chris Cornell - Temple of the Dog-Same // Soundgarden Badmotorfinger

  • Als ich letztes Jahr las, dass remasterte Versionen der Grunge-Klassiker Temple of the Dog und Badmotorfinger auf den Markt kommen, war ich voller Vorfreude. Beide Alben aus dem Jahr 1991 hatte ich etwas verspätet entdeckt: Badmotorfinger im Zuge meiner Begeisterung für die Nachfolge-LP von Soundgardens Superunknown aus dem Jahr 1994 und etwa zur gleichen Zeit auch das dem verstorbenen Mother-Love-Bone-Sänger Andrew Wood gewidmete Projekt Temple of the Dog mit Mitgliedern von Soundgarden und den späteren Pearl Jam. Leider kaufte ich damals nur CDs, während meine vielleicht 25 LPs im Regal verstaubten. Umso froher war ich, als ich einige Jahre später die europäische Original-Version von Badmotorfinger für wenig Geld erwerben konnte. Auch Temple of the Dog legte ich mir auf Vinyl zu - leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass ich eine frühe Fälschung aus dem Jahr 1991 erworben hatte, die zwar schön blau ist, aber wohl von der CD gezogen wurde. Beide LPs gehören zu den mit dem leisesten Pegel geschnittenen Rock-LPs, die ich besitze. Das ist zwar an sich kein Nachteil, aber die Soundqualität ist bei beiden LPs insgesamt doch bescheiden.


    Jetzt sollten also hochwertige Remaster erscheinen! Als ich dann sah, dass beide Werke um die 40 Euro kosten sollten, war es dann mit der Begeisterung schnell wieder zu Ende. "So'ne Abzocke" dachte ich, und verzichtete schmollend auf den Erwerb. Dann starb letzte Woche Chris Cornell, und während ich mich im Netz dazu informierte, schaute ich auch nach dem LP-Angebot. Als ich sah, dass beide LPs gerade reduziert für ca. 30 Euro zu haben waren, schlug ich zu.


    Heute hatte ich Zeit, sie mir anzusehen und -zuhören. Beide sind opulent und im gleichen Stil gestaltet: Gatefold-Cover, Beileger und - besonders augenfällig - ein zusätzliches 3-D-Coverbild über dem normalen. Verteilt sind die Tracks der originalen Einfach-LPs auf drei Plattenseiten, die vierte Seite ziert ein aufwändiges Etching. Gehört habe ich zunächst über Kopfhörer, zuerst Badmotorfinger, dann die Temple of the Dog. Später dann nochmal beide über Lautsprecher.


    Badmotorfinger - Zumindest die erste LP hätte ich Grund zu retournieren: Schüsselförmig und mit Höhenschlag, dazu einige Pressfehler. Ich vermute allerdings stark, dass es derzeit keinen Ersatz gäbe. Beim Hören über Lautsprecher fallen die Pressfehler dann allerdings deutlich weniger auf. Zum Vergleich habe ich kurz mein Original herangezogen: Das Remaster wartet mit einem detailreicheren und zugleich druckvollerem Klang auf, das Stereopanorama ist viel besser aufgefächert.


    Temple Of the Dog - Die Pressung ist klasse, nur beim Schlusstrack poppt es fünfmal. Auch hier klingt es detaillreicher und zugleich voll, insgesamt ist der Klang der Badmotorfinger noch überlegen. Ein Vergleich mit meinem Counterfeit habe ich nicht unternommen, der wäre wenig aussagekräftig. Die CD müsste ich suchen.


    Beide Reissues sind deutlich lauter als meine alten Ausgaben geschnitten, es ist ja auch mehr Platz auf dem Vinyl vorhanden. Zu Lasten geht der druckvollere Klang allerdings dem Dynamikumfang, wie ein Blick auf dr.loudness-war.info offenbart: Temple of the Dog und Badmotorfinger.


    Beide Alben sind nicht nur Highlights des Grunge, sondern auch jenseits des Schubladendenkens jedem zu empfehlen, der härtere Rockmusik mag. Grunge ist ja ohnehin eine Melange verschiedener Rockstile, die auch viel 80er Metal enthält, aber nicht auf dessen Effekte setzt, sondern "existentialistisch" umkrempelt (ihr hört mich stottern).


    Danke, Chris Cornell.


    Im nächsten Teil der Rezension widme ich mich der spannenden Frage, wie das Etching klingt und welches besser kommt.


    Hut ab

    Christian

    ... und wo zum Teufel bin ich hier überhaupt?

  • Christian,


    genau wegen was du beschreibst hebe ich mich vor jahren entschlossen nur noch aktuelle musik auf vinyl zu kaufen und oft von kleine labels und relativ unbekannte bands. Oder, altes zeug aus dem "kreislaufgeschaeft", in der hoffnung das es ist was der musiker sich gedacht hat.

    Von "grossen re-issues" oder remasters lasse ich die finger weg seit ich mitte der '90ern in der gelegenheit war die orginellen masters gegen MFSL's zu hoeren. Verschlimbessert.

    Wenn etwas nicht mehr verfuegbar ist mach ich mir keine richtige muehe und kauf die CD.


    Freue mich schon auf den zweiten Teil,


    Cheers,


    ingo

    ... a simple product of sophisticated thinking.

  • Moin Ingo,


    kann ich nachvollziehen, eine solche Haltung erspart Dir sicherlich viele Enttäuschungen. Andererseits aber vielleicht auch manche schöne Überraschung. So hatte ich mir zugleich die noch jüngst bei jpc um die Hälfte reduzierte remasterte Harvest von Neil Young besorgt, von der ich noch gar keine Ausgabe besaß, und die klingt richtig, richtig gut (ohne dass ich vergleichen könnte, aber hier im Forum fand ich mich darin bestätigt). Interessiert mich auch kein bisschen, ob das Mainstream ist. Das ist für mich ein Meisterwerk, dass angemessen remastert wurde.


    Als MFSL-Ausgaben habe ich aus dem Indie/Alternative-Bereich die Pinkerton von Weezer und die Surfer Rosa von den Pixies. Beide Ausgaben gefallen mir sehr gut, allerdings fehlt mir der direkte Vergleich zu den Originalen. Im Gegensatz zu den hier besprochenen Remastern wird bei den MFSL-Ausgaben viel Wert auf die Dynamik gelegt. Im ersten Eindruck klingen sie dadurch weniger druckvoll, auf die Dauer aber viel lebendiger. Sowohl die Pinkerton als auch die Surfer Rosa schlagen sich auf dr.loudness-war diesbezüglich sehr gut.


    Aber zurück zu den hier besprochenen Scheiben. Die Aufmachung ist mir zu viel bling-bling und zu wenig liebevoll. Da lobe ich mir einen Punk-Sampler, den mir einer der Beteiligten mal schenkte, der wirklich liebevoll und in mühsamer Handarbeit gestaltet wurde - für eine Stückzahl von 105 Pressungen. Dass der Erlös gerade mal ausreicht, um die Produktionskosten auszugleichen (nicht aber das stundenlange Geklapper auf der alten Schreibmaschine für den Beileger entlohnt), brauche ich wohl nicht zu betonen.


    Bereuen tue ich den Kauf zumindest der Temple dennoch nicht, die Pressung klingt wirklich gut und das Original ist sehr rar und wirklich teuer. Eine schöne aktuelle LP in der Hand zu halten, von der es nur ein paar Hundert Stück gibt, wo man froh ist, sie überhaupt entdeckt zu haben, und die dann auch noch alles hält, was man sich davon versprochen hatte, das ist allerdings ein viel schöneres Gefühl - volle Zustimmung.


    Beste Grüße

    Christian

    ... und wo zum Teufel bin ich hier überhaupt?

  • Kleiner Nachtrag: Beide Reissues kommen mit Downloadcode und sind im DMM-Verfahren gepresst.


    Ich habe noch einmal die Soundgarden-Ausgaben verglichen: Wie bereits geschrieben, sind bei der Neuausgabe einzelne Elemente besser herauszuhören, sie ist detaillierter bzw. besser durchhörbar. Dafür klingt das Original zwar weniger detailliert, aber dafür insgesamt zupackender. Bei Drawing Flyes höre ich bei hoher Lautstärke über Kopfhörer allerdings leichte Verzerrungen, bei der Neuausgabe nicht. Insofern hat das Remaster insgesamt Vorteile. Meine Pressung allerdings leider nicht: Neben der Schüsselförmigkeit und dem leichten Höhenschlag ist sie auch leicht exzentrisch gepresst, das fällt per KH besonders auf. Dazu gibt es wirklich zu viele Pressfehler - Knirschen und Popps. Ich schicke sie vermutlich zurück.


    Gerade höre ich die TOTD erneut über KH: auch hier gibt es einige Pressfehler, schade. Trotzdem werde ich diese Ausgabe behalten.


    Kann jemand etwas zur MOV-Ausgabe der TOFD beitragen? Ich habe Positives darüber gelesen.


    Gruß

    Christian

    ... und wo zum Teufel bin ich hier überhaupt?

    Einmal editiert, zuletzt von REGAphon ()

  • Die MOV Ausgabe der Temple Of The Dog dreht sich gerade nach langer Zeit mal wieder. Ist schon eine Sahnepressung. Topfeben und keinerlei Störgeräusche :)


    Der Sound ist mir gerade etwas blutleer. Würde mir mit einem anderen TA vermutlich noch mehr Spaß machen. Aber das ist schon ein kleines musikalisches Meisterwerk.


    Gruß,

    Marc

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