Heute möchte ich euch nach langer Abstinenz vom Forum mal über meine neueste analoge Errungenschaft berichten, die in verschiedener Hinsicht was ganz Besonderes für mich ist.
Es geht um den Röhren MC Phono-Pre Brutus von Joaquim Pinto Amplifiers aus Portugal, der hier ja schon mehrfach erwähnt wurde.
Was macht nun den Brutus so besonders? Die auffälligste technische Besonderheit ist zweifellos, daß der Pre zu der sehr seltenen Gattung der rein auf Röhren basierenden MC Pres gehört. Kein Übertrager und schon gar keine Halbleiter oder OPs finden sich im Signalweg. Oft wird gesagt, daß das aufgrund des Eigenrauschens von Röhren physikalisch gar nicht möglich ist, der Brutus beweist jedoch beeindruckend das Gegenteil...
So, aber jetzt mal von vorn. Lange Zeit lag mein Analogzweig fast brach, irgendwie klang es nicht so wie es sollte und wurde daher nur gelegentlich benutzt. Doch vor ein paar Monaten packte es mich wieder und ich kümmerte mich mal intensiv um meinen Plattenspieler, einem Mythology Zeus mit Mission Mechanic Tonarm. Eigentlich beste Voraussetzungen für guten Klang. Ich tüftelte also stundenlang am Lagerspiel des Tonarms rum und behob ein kleines Problem mit der Antiskating Feder. Voilà, das brachte tatsächlich den Durchbruch und Analog machte wieder Spaß! Einen wesentlichen Beitrag dazu brachten auch ViaBlue B-6 Kabel als Phonokabel. Nun war wenigstens Gleichstand mit Digital erreicht, ich wollte aber mehr.
Nun ist die eingebaute MC Vorstufe in meinem StSt Agmen Vorverstärker sicher ein feines Teil und wurde auch schon häufig mit der legendären Omtec Antares verglichen. Trotzdem - ein neuer Phono Pre sollte her, nur welcher? Richtig gute Transistor Phono Pres sind sündhaft teuer und Übertrager mag ich auch nicht, also recherchierte ich mal über Alternativen wie den Reußenzehn Tube Phono Preamp. Und stieß dann hier im Forum auf Foristi die ganz begeistert über einen Röhren Phono Pre berichteten, der in Portugal von einem Röhrenenthusiasten in Handarbeit gefertigt wird. Ich dachte zunächst, mir sowas niemals leisten zu können und war dann ganz elektisiert als ich erfuhr daß der Preis noch nicht mal vierstellig war! Also nahm ich zu Joaquim Pinto Kontakt auf und nach einigem Austausch per E-Mail bestellte ich dann den Brutus, ohne ihn jemals gehört oder in natura gesehen zu haben!
Ihr könnt euch meine Aufregung und Anspannung vielleicht vorstellen, als ich nach ca. 2 Monaten tatsächlich Post aus Portugal erhielt. Mit zitternden Händen packte ich das Paket aus. Eine Sorge war natürlich, wie der Amp in natura aussehen würde - und war spontan begeistert! Optisch präsentierte sich der Brutus samt externem Netzteil als schlichtes aber sehr schönes, absolut sauber aufgebautes Gerät. Geziert werden die Frontplatten der beiden Gehäuse zudem von einem der coolsten und schönsten Logos das man auf einem Hifigerät finden kann. Wow!
Leicht irritiert war ich über die beiden beigepackten Röhren - sollten die etwa noch gesteckt werden müssen? Also schraubte ich das Gerät auf, und staunte wieder.
Der innere Aufbau ist bestechend einfach und basiert auf lediglich 4 Röhren und wenigen passiven Bauteilen in wunderbar sauber ausgeführter Handwerkskunst.
Die Röhren steckten fest in den Sockeln, also waren die beigepackten als Ersatz für alle Fälle dabei. Super!
Also unverzüglich das Gerät aufgestellt, angeschlossen und eingeschaltet. Nach einer Aufheizzeit von einigen Minuten ein erster, erfolgreicher Funktionstest. Ok, schön, kein Brummen - aber wie steht es mit Rauschen? Im allerersten Moment dachte ich ups, das ist doch wenig hoch, wie befürchtet, stellte dann aber fest, daß der Brutus über eine immens hohe Verstärkung verfügt und somit die Lautstärke am Vorverstärker ein ganzes Stück weiter runter als gewohnt gedreht werden musste. Mit normalen bis hohen Hörlautstärken ist das Rauschen dann sehr gering und liegt weit unter den Abtast- und Eigengeräuschen einer sauberen, gut gepressten LP.
Ja, und wie klingt das ganze denn jetzt? Nun, der Brutus hat seinen Namen nicht zu unrecht, er kann nämlich ganz schön brutal zulangen!
Der erste Eindruck war geradezu überwältigend. Was ich da an Dynamik und Baßgewalt zu hören bekam, war neu für mich. Sollte der Brutus ein Grobmmotoriker sein? Nein, ganz im Gegenteil, auch Klangfarben und Feinzeichnung sind erste Sahne, der Brutus lässt zudem eine riesige Bühne entstehen mit genauer Staffelung in Breite - Höhe - Tiefe und körperhafter und felsenfester Abbildung. Auffällig ist auch das wie reduziert wirkende Abtastgeräusch. Wird hier etwa was unterschlagen? Fehlanzeige: paradoxerweise präsentiert der Brutus geradezu eine Flut an Details, die perfekt ins musikalische Geschehen eingebunden sind.
Laute und komplexe Passagen schüttelt er ungerührt aus dem Ärmel, unkomprimiert und völlig unangestrengt. Es darf gerne auch mal laut werden, ohne daß irgendwas drückt.
Dann, mit wieder leicht zittrigen Händen, mein persönlicher analoger Härtetest: der Beatles Song "Across the Universe", und zwar in der Interpretation von Laibach (von der LP "Let it Be"). Wunderschön von Frauenstimmen fast a capella gesungen, leider zeigte sich aber die Aufnahme bisher immer latent unsauber und leicht zischelig. Nun, wunderbarerweise klang nun auch das so sauber und schön wie nie! Voilà, spätestens ab nun macht sich Entspannung breit und genußvolles Hören ist angesagt.
Probeweise wechselte ich mal das beiliegende Netzkabel gegen ein ViaBlue X-40 aus, welches an vielen Komponenten wahre Wunder wirkt. Nicht so beim Brutus, der Klang änderte sich marginal, und nicht unbedingt zum Guten. Ich muß das noch intensiver testen, jedenfalls finde ich bemerkenswert, daß ausgerechnet dieses Kleinstseriengerät dermaßen reif und "fertig" ist, daß gar kein Bedarf oder Wunsch nach Verbesserung oder Tuning aufkommt. Der Brutus ist auch sehr bedienerfreundlich, ist nämlich klanglich schon bald nach dem Einschalten voll da und muß auch nicht lange eingespielt werden, da Joaquim Pinto mit jedem gebauten Gerät selber zuerst intensiv hört und es erst versendet, wenn es seinen Ansprüchen genügt.
Was soll ich sagen, dieser wunderbare portugiesische Tube only MC Phone Pre hat mich in kürzester Zeit völlig überzeugt und mein Herz im Sturm erobert!
Manchmal wird man reich belohnt, wenn die Bereitschaft da ist, ausgetretene Pfade zu verlassen und durchaus auch ein klein wenig Risiko einzugehen.
Jedenfalls steht mein Entschluß fest, irgendwann selber nach Portugal zu fahren und Joaquim Pinto, den Menschen und Magier, der hinter diesem Wunderbaren Produkt steckt, auch persönlich kennen zu lernen.
LG
Manfred
Nachtrag:
Der Brutus ist nicht das einzige Produkt von JPAmplifiers, das Hauptaugenmerk von Joaquim Pinto gilt nämlich einem Röhren-Vollverstärker namens Viriatus, der dem Hörensagen nach mit jedem Lautsprecher klar kommen und auch sonst was ganz besonderes sein soll.
Für mich ist der Viriatus jedenfalls der Top Favorit auf der Liste für den potentiell "endgültigen" Verstärker.