"Ich bin ein Berliner" - Phonostufenvergleich EAR324 vs. Tom Evans The Groove

  • Hallo,


    eigentlich bin ich ja gerade dabei, meinen EAR859 und meine Odeons zu verkaufen, denn mein Accustic Arts Tube Preamp MKII und meine Geithain RL930K stehen in den Startlöchern. Da wollte das Schicksal, dass das Hifi-Studio Falkensee in Berlin einen fast neuen EAR324 zu akzeptablem Preis angeboten hat. Da man mir dort ein faires Angebot zur Inzahlungnahme meines EAR 859 gemacht hat, kam ich also auf die Idee, evtl. auch gleich einen Ersatz für meine Tom Evans The Groove ins Auge zu fassen.


    Meine DHL-App meint, gleich steht ein Paket vor meiner Tür und verkündet "Ich bin ein Berliner!" Leider muss ich vorher noch ein wenig arbeiten ;( . An dieser Stelle möchte ich mich aber schon mal bei dem "Hifi-Studio Falkensee" in Berlin bedanken, dass sie mir so unkompliziert die EAR324 geschickt haben, obwohl ich dort bisher noch kein Kunde bin. "Schuld" an dieser Schnapsidee ist eigentlich der User "tannoymann" aka Willi, der die EAR324 so in den höchsten Tönen gelobt hat, dass ich einfach neugierig wurde. Nun ist es ja nicht so, dass ich mit meiner Tom Evans The Groove unzufrieden wäre. Sie ist unter allem, was ich bisher gehört habe zu meinem Delos das "best match". Das heißt aber natürlich nicht, dass es nicht noch besser gehen kann. Ich werde also berichten, ob die EAR dem Tom Evans hier das Wasser abgraben kann. Wenn ja, gibt es demnächst hier eine preiswerte "The Groove" zu erstehen :D


    Ich melde mich wieder heute Abend!


    Sebastian

  • Vielleicht kannst du ja schon zur Qualität der Übertrager etwas sagen


    Das wird eher schwierig, denn ich kann den EAR324 nur als Ganzes beurteilen. Da mir ein MM fehlt und ich nur ein MC habe, kann ich nicht mal MM vs. MC vergleichen. Eine isolierte Aussage zu den Übertragern dürfte also schwierig werden ...


    Sebastian

    Einmal editiert, zuletzt von Sebastian ()

  • Ich beobachte das mit großem Interesse. Es ist ja bei mir auch gerade Umbruch auf der Phonostufe im Gange. Die e.a.r Geräte hatte ich zunächst auch auf meiner Ausgangsliste, die sind nun erst mal rausgeflogen. Jetzt ist Testphase 0. Angetreten sind - wie in einem Nachbarthread beschrieben - ein Perreaux und seit heute Tom Evans The Groove plus. Die habe ich herade eben erstmals angeschlossen. Tja, wenn der Postmann zweimal klingelt. Werde dann weiter auf meinem Fred Kunde tun. Will Dir schließlich auch Deinen Faden nicht kapern. Bin auch weiterhin gespannt auf Deine e.a.r Erfahrungen.

    Gruß Reinhard
    "Ich kann allem widerstehen - nur nicht der Versuchung." (Oscar Wilde)
    Über mich

  • Oh man, da kommen bei mir jetzt aber echt nostalgische Gefühle auf. :love:
    Mitte der 80er habe ich haufenweise die 100, 200 und auch die 500 Watt Monos verkauft. Die 100er war schon ein Geheimtip, und die 200er und 500er waren echte Sahneteile.


    Wie ich sehe, bieten die heute das volle Programm - auch ein Dreher ist dabei.


    Bin sehr gespannt wie der Phono-Amp sich macht, viel Spass beim Testen.


    Und nimm dir gaaanz viel Zeit.


    Gruß


    hoerohr

    Gewerblicher Teilnehmer

    2 Mal editiert, zuletzt von hoerohr ()

  • So, da ist es also, als ich nach Hause komme, mein "Berliner" Paket.
    Der erste Eindruck: Relativ schwer für eine Phonovorstufe.



    Vielleicht ein paar Worte vorweg zur EAR324 für all diejenigen, die das Gerät nicht kennen:
    E.A.R. Geräte gehen zurück auf Tim de Paravicini (TdP), der die Firma 1973 gegründet hat. Immer wieder liest man die Geschichte, dass er Bandmaschinen für das Aufnahmestudio von Pink Floyd modifiziert hat, was wohl seine Bedeutung in der britischen Musikszene und darüber hinaus betonen soll. Eigentlich ist EAR bekannt für Röhrengeräte. Ich selbst höre ja seit Jahren mit einem EAR 859. Unter http://www.ear-yoshino.de kann man sich das gesamte Produkt-Portfolio ansehen. Erst im Jahr 2000 hat TdP seine erste Transistorvorstufe vorgestellt. Die EAR312 ist auch heute noch für den bescheidenen Betrag von €18520,- Listenpreis zu haben. Bald kam der Wunsch auf, die im EAR312 verbaute Phonovorstufe auch separat zu erhalten. Basierend auf der Schaltung der Phonovorstufe im EAR312 entstand der EAR 324.
    Viele kennen ja die weit verbreitete Phonovorstufe EAR834P. Gelobt wird immer wieder deren "musikalischer Fluss", kritisiert wird bisweilen ein etwas aufgedickter Oberbass und eine nicht gerade überwältigende Detailauflösung. Also mehr die Vorstufe für "Genießer" als für "Erbsenzähler". Allerdings ist die EAR834P eine Röhren-MM Vorstufe, die durch Übertrager zur MC Vorstufe wird. An der Qualität dieser Übertrager wurde immer mal herumgemäkelt. Auch in diesem
    Forum gab es früher schon Vorschläge, die eingebauten Übertrager durch bessere zu ersetzen und damit der Vorstufe zu einem anderen Qualitätslevel zu verhelfen. Ich kann dazu aus eigener Erfahrung nichts sagen, denn ich habe nie
    eine EAR834P besessen.

    Die EAR324, um die es hier gehen soll, ist eines der seltenen Konstrukte aus reiner Transistorvorstufe mit Übertragern für MC Tonabnehmer. Diese Übertrager sollen deutlich hochwertiger sein, als im EAR834P und sind unter der Bezeichnung EAR MC3 bzw. dem Nachfolgeprodukt MC4 im Handel auch separat erhältlich. Der Übertrager im EAR324 hat 3 Wicklungen mit Impedanzen von 4, 15 und 40 Ohm und bietet somit Anschlußmöglichkeiten für unterschiedliche TA.
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    Genug der Vorrede! So sieht das gute Stück aus, nachdem ich es auf dem Küchentisch ausgepackt habe. Zunächst einmal fällt auf, dass man auf die EAR-typische verchromte Frontblende verzichtet hat zugunsten von gebürstetem Aluminium. Das Ganze ist sauber verarbeitet und wie schon erwähnt relativ schwer. Das gesamte Design wirkt in meinen Augen etwas „oldschool“. Das einzige Verbindende zwischen meiner Tom Evans The Groove und der EAR ist
    die blaue Leuchtdiode, die den Betrieb anzeigt. Das waren dann aber schon die Gemeinsamkeiten. Währen die Groove nichts, aber auch gar nichts an Bedienelementen besitzt (selbst der Netzschalter sitzt auf der Rückseite), hat die EAR doch für eine Phonovorstufe überraschend viele Schalter. Neben AN/AUS sind das MONO/STEREO, PHASENUMKEHR und MM/MC. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Vorstufe zwei separate Eingänge besitzt: Der erste kann zwischen MM und MC umgeschaltet werden. Bei MC gelten hier die schaltbaren Impedanzen, die sich durch die 3 Abgriffe der Übertrager ergeben. Der zweite ist auf MM spezialisiert, hier sind getrennt Impedanzen und Kapazitäten schaltbar. Das erklärt auch die Impedanzen von 15 kOhm bis 100 kOhm, die ja für MC ungewöhnlich hoch wären. Damit scheidet die Vorstufe also bereits für all diejenigen aus, die unbedingt 2 MCs parallel anschließen wollen – hierzu bräuchte man einen weiteren Übertrager. Man müsste also einen EAR MC3 oder MC4 vor den MM Eingang schalten.

    Kurz noch ein Blick von hinten auf das Gerät: Hier finden sich die Cinch Eingänge 1 (MC/MM) und 2 (MM), die Erdungsklemme, ein symmetrischer XLR Ausgang und ein asymmetrischer Cinch Ausgang. Ein separater Schalter wählt, welche Form des Ausganges benutzt werden kann.
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    Gleich geht's weiter ...

  • Es geht schon hart auf Mitternacht zu und ich will zumindest ein paar erste Eindrücke schreiben. Eigentlich bin ich gar kein Freund von abschließenden Beurteilungen in der ersten Euphorie des Hörens - ich werde also im Laufe der nächsten Woche nochmals schreiben, wie es sich so entwickelt...


    Beim erste Anschließen mache ich bei jeder Phonovorstufe folgendes: Nach der Verkabelung und dem Einschalten drehe ich den Verstärker bis ca 12:00 Uhr auf und gehe mit den Ohren nahe an meine Lautsprecher. Bei der Tom Evans höre ich da ein diskretes Brummen und leichtes Rauschen. Beim EAR324 höre ich .... nichts. Da kann man fast bis zum Anschlag aufdrehen, bis man etwas hört. Diese Vorstufe ist in der Tat außergewöhnlich störgeräuschfrei!


    Ach so: Bevor ich zum Hören komme ganz kurz ein paar Worte zur Kette:


    • Scheu Premier MKII mit 50er Teller, Feickert Motor und Kevlar String

    • Graham Tonarm 1.5t/c mit 2.2 Lagerupdate und Ceramic-Tonarmrohr

    • Lyra Delos

    • EAR 324 ./. Tom Evans The Groove (fest eigestellt auf 332 Ohm und 0,4mV)

    • EAR 859 Vollverstärker

    • Odeon Rigoletto



    Zunächst einmal habe ich gegrübelt, wie ich das Delos abschließen soll. Letztlich habe ich mich an die Empfehlungen des Herstellers gehalten: 15 Ohm bei Anschluß an MC Übertragern. Willi (aka tannoymann) hatte mir zuvor empfohlen, 40 Ohm zu nehmen, weil das Delos relativ "laut" ist. Das hat mir klanglich aber nicht ganz so gut gefallen. Der Bass war zurückhaltender, Mitten und Höhen irgendwie "steriler". Weil das Delos relativ laut ist, habe ich die Eingangsempfindlichkeit auf -6dB gestellt. -12dB wären auch gegangen, aber die Tom Evans ist mit dem Delos auch relativ laut und ich wollte die Pegelunterschiede (die ich natürlich sowieso versucht habe auszugleichen) möglichst gering halten.


    Als erstes habe ich Charpentier aufgelegt:
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    Dann CPE Bach:
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    Tonal fand ich erst mal keine großen Auffälligkeiten, das klang im besten Sinne ausgewogen. Bereits vor dem Umschalten auf die Groove fielen mir 2 Dinge auf, die sich dann auch im Direktvergleich bestätigten:


    1. Die EAR324 löst wesentlich besser auf, als die Groove. Die Instrumente sind sauberer umrissen, bekommen etwas Dreidimensionales. Bildlich gesprochen hatte ich das Gefühl, die Konturen waren schärfer, weniger verwischt. Die Groove hat dagegen etwas Gemütliches, Einlullendes, was in Kombination mit so einem Heißsporn wie dem Delos gar nicht verkehrt sein muß. Gerade hier muß ich die Langzeittauglichkeit abwarten: Die EAR liefert deutlich mehr Information, fordert einen mehr - aber kann ich damit auch 3h ermüdungsfrei hören? Macht das Freude oder ist das anstrengend? Für diese Antwort ist es noch zu früh (nein, eigentlich für heute zu spät ;) ).
    2. Die Räumlichkeit ist frappierend! Die Bühne der EAR ist breiter und tiefer. Es sind aber weniger die Abmessungen der Bühne (hier sollte ja nicht gelten "je größer, desto besser!") als vielmehr die Plastizität. Die Musiker stehen klarer definiert im Raum. Man mein förmlich um sie herumgehen zu können.


    Wegen dieser Räumlichkeit bin ich dann noch zu Kammermusik übergegangen (Beethovens Trio für Klavier, Flöte und Fagott G-Dur in der Einspielung mit Kontarsky/Zöller/Thunemann).
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    Einerseits ist die Querflöte in ihren lauten Passagen ein wunderbarer Test bezüglich der Abtastfähigkeit des TA und der Pegelfestigkeit der Vorstufe, andererseits kann man bei so einem Trio sehr schön sehen, ob die räumliche Relation stimmt (sofern der Toningenieur seinen Job gut gemacht hat). Bei der Pegelfestigkeit und Verzerrungsarmut konnte ich zwischen EAR und Groove keine Unterschiede ausmachen. Die dreidimensionale Staffelung der Musiker gelang jedoch der EAR deutlich sauberer. Um wieder einen optischen Vergleich zu bemühen: Es war ein bisschen, als hätte man die Brille geputzt :) .


    Dann habe ich noch schnell so ein paar audiophile Klassiker (ich höre schon das Stöhnen) durchgehechelt:
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    Ja, die EAR ist exakter. Auch der Bass ist genauer - sie wirkt dadurch minimal schlanker als die Groove. Und immer wieder die frappierende Räumlichkeit. Ja, ich glaube das ist für den ersten Abend vielleicht der größte Unterschied zwischen den beiden: Die Räumlichkeit und das Auflösungsvermögen, wobei ich nicht sicher bin, inwieweit das eine das andere bedingt.


    Ich gehe jetzt erst mal eine Runde ins Bett. Am Wochenende bin ich nicht zu Hause. Ich werde erst ab Montag wieder hören können und werde dann im Laufe der Woche erneut berichten. Wenn die EAR ihre Langzeittauglichkeit beweist, dann wird sie wohl die Groove verdrängen. Aber wir wollen nicht vergessen: Das Gerät kam kalt mit der Post. Es darf sich auch erst einmal "akklimatisieren".


    Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass die Unterschiede gleich am ersten Abend so groß sind. Ich hatte weniger erwartet ...


    Gute Nacht!
    Sebastian

  • Nein, der Tom Evans läuft bei mir schon seit Längerem, ist dauerhaft am Netz und bleibt immer eingeschaltet. Aber der EAR kam neu mit der Post und wurde so gleich gehört. Das Gerät hatte allerdings für 3 Monate einen Vorbesitzer, ist also "eingespielt".


    Sebastian

    Einmal editiert, zuletzt von Sebastian ()

  • Also "dramatisch" war nicht meine Wortwahl, oder?


    Die Unterschiede sind deutlich hörbar. Ich fand die Unterschiede größer als zwischen Black Cube, Horch, Monk und Aqvox.
    Die Unterschiede sind nicht vergleichbar mit der Umstellung Odeon -> Geithain oder früher Scheu MC -> Delos.


    Ich hoffe, das Ganze damit ins rechte Licht zu rücken ...


    Sebastian

  • Sebastian,


    "alles gut", zumal Du doch auch einige Detaillierungen des Gehörten angegeben hast. Damit sollte sich eigentlich jeder Leser eine Vorstellung über die Unterschiede machen können.


    Ich finde das Thema durchaus spannend, der EAR 324 ist ja nicht so oft vertreten, meist ist es der Phono 834. Der passt bei mir ganz gut, trotzdem ganz interessant über die 324er zu lesen.


    Das Gerät habe ich im Netz unter "Bilder" auch mit verchromter Frontplatte gesehen, die Knöpfe verbleiben dann aber in Alu. Geschmacksache....mir entfuhr es gestern bei erster Sichtung Deiner Fotos "der sieht aber gut aus!" (natürlich das Gerät :D ).


    Bleibe bitte dran, ich bin gespannt auf weitere Erfahrungsberichte.


    Grüße aus Nettetal
    Stefan

    "Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen!" Karl Valentin

  • Auch ich habe die Bilder mit verchromter Frontplatte im Netz gesehen. Ich habe aber bisher auf keiner offiziellen Seite gesehen, dass man das als Option wirklich bestellen kann. Vielleicht ist es auch eine Einzelfertigung auf Wunsch. Andererseits: Bei den Verstärkern kann man die bisherige Bicolor-Optik auch umgehen und verchromte Knöpfe bestellen. Vielleicht gibt es solche Optionen auch bei der Frontplatte. Da mein Vorverstärker für die Geithains auch eine Alufront hat, passt es bei mir ganz gut. Würde ich den EAR859 behalten, fände ich es aber schon störend, dass der 324 nicht verchromt ist.


    Sebastian


    @ Peter: Die Anspielung hatte ich schon verstanden. Ich möchte mich durchaus bemühen, nicht ins Euphorische abzudriften, deshalb die Relativierung :D

    4 Mal editiert, zuletzt von Sebastian ()

  • (...) Es liest sich so, als hättest Du ein schönes Wochenende vor Dir! Viel Spaß!!


    Wenn man es liest, liest man, daß er am Wochenende nicht zu Hause ist. Aber schön kann es ja dennoch werden...


    :sorry:

    "Das Volk hasst die Geniessenden wie ein Eunuch die Männer." Georg Büchner