Klassikplatten - Lust und Frust mit der Kulturkonserve

  • Schon wenige Jahre nach Le Sacre du Printemps war der Zeitgeist im Deutschland der 20er Jahre bereits einige irre Umdrehungen weiter, so mit den Kammermusiken von Paul Hindemith (1921-1928). "Kammermusik" ist etwas irreführend, da die Orchestrierung meist größer oder anders, die Kammermusik Nr. 7 sogar ein Orgelkonzert ist - und Hindemith mit dem 1. Kammerkonzert sowas wie der Frank Zappa der Moderne wurde. Man sollte gute Laune haben, dann passt das auch am Morgen zu einem Frühstücksei. "Does humor belong in music" fragte Zappa eher rhetorisch. Die Antwort ist eindeutig JA, schon immer!


    Eine schöne Kurzbeschreibung der Kompositionen, die sich allerdings auf die neuere Einspielung von Claudio Abbado bezieht (macht nichts), steht hier auf Seite 3.


    https://www.hindemith.info/fil…emith-forum/hf_2_2000.pdf


    Die 3 LP-Box von Harmonia Mundi mit dem Ensemble 13 ist von 1978 und rundum in guter Qualität samt Begleitlektüre.


    Viele Grüße - Frank


    ps.: Reinhard, ich tippe drauf, dass bei Dir keine der Platten bis zum Ende des Lieds auf der Plattenteller liegen würde...


    Hindemith Kammermusiken Cover.jpg

  • Hallo Frank,


    die liegt bei mir auch ab und zu mal auf. Ich kann Dir zustimmen, eine schön aufgemachte Box in bekannt guter HM-Qualität.

    Ich hatte das Vergnügen bei folgendem Konzert dabei zu sein. :)


    "Anlässlich ihres 80. Geburtstags gab Maria Bergmann am 15. Februar 1998 im Rahmen einer festlichen Matinée im Hans–Rosbaud-Studio des SWR in Baden-Baden ein letztes öffentliches Konzert"


    War aber kein Hindemith dabei......

    Grüsse ..... Marc

  • Hallo Frank,

    Dir keine der Platten bis zum Ende des Lieds auf der Plattenteller liegen würde...

    Ich habe allerdings auch nicht viel in Sachen Hindemith!:huh:

    Weiterhin darf ich feststellen, dass ich in den letzten Jahrzehnten keinen Veranstalter gesehen hatte, welcher Hindemith auf dem Programm hatte.


    Viele Grüße

    Reinhard

  • Weiterhin darf ich feststellen, dass ich in den letzten Jahrzehnten keinen Veranstalter gesehen hatte, welcher Hindemith auf dem Programm hatte.

    Hallo Reinhard,


    kommt vielleicht auch wieder. Hindemith hat - außer den gennanten Kammermusiken später und erwachsener - schließlich Werke wie "Mathis der Maler" oder "Die Harmonie der Welt" geschrieben, ich meine die Symphonien nach den den gleichnamigen Opern. Das sind übrigens für die Hifi-Gemeinde auf der Stereoanlage im Normalfall sehr wohlklingende Sachen. Ebenso z.B. seine "Sinfonie in Es". Einfach mal reinhören.


    Viele Grüße - Frank


    Hindemith Bartok Cover.jpg

  • Black Label_web.jpg


    ...auch die Avantgarde braucht nur die richtige Werbung. Ich glaube allerdings, Ligeti hat wegen des Films "2001 - Odyssee im Weltraum", der mit seinem "Atmosphères" beginnt, erstmals mit Platten Geld verdient.


    Aus einer Platteninnenhülle - ohne Kommentar.


    Viele Grüße - Frank

  • ...die richtige Werbung - oder den hessischen Rundfunk. Ich meine, alle Aufnahmen von Busonis Oper "Turandot", die je erstellt und veröffentlicht wurden, kann man mit den Fingern einer Hand abzählen ohne den Daumen dazuzurechnen. Oder?

    Trotzdem wunderschöne Produktion des HR als DoLP. Aufgenommen 1985 in der alten Oper mit Inbal als Dirigenten, dem RSO Frankfurt sowie dem Chor des WDR.


    Viele Grüße - Frank


    Busoni Turandot HR Cover.jpg

  • Mit dem Geld verdienen war das so eine Sache.

    War mir nicht bekannt, Danke für den Link. Hab's gelesen. Und noch vor ein paar Jahren, auf dem Höhepunkt der Abmahnwelle, verklagten die großen Medienkonzerne und Labels sog. jugendliche "Raubkopierer" bis hin zu Gefängnisstrafen, weil die sich irgendwo im Netz gratis im Wert von ein paar Euro bedienten - und das meistens sogar nur wegen irgendeines Schunds, für den man noch Schmerzensgeld fürs anhören oder ansehen bekommen müsste.


    Viele Grüße - Frank

  • Ich bin auch erst kürzlich darüber gestolpert als ich über ihn recherchierte, da ich bis vor kurzem überhaupt keine Aufnahmen von Ligeti hatte.

    Unabhängig davon, dass MGM ihn am ausgestreckten Arm solange hungern ließ, bis er sich mit 3000 $ hat abspeisen lassen, hat ihm 2001 sicherlich auch zum finanziellen Durchbruch verholfen.

    Viele Grüße

    Thomas

  • Nachgereicht - "Die Harmonie der Welt" als Symphonie. Gute Übernahme der Melodija-Aufnahme durch die Eterna (Katalog-Nr.: 826990 aus dem Jahr 1978). Die Einspielung von 1965 im Moskauer Konservatorium mit der Leningrader Philharmonie unter Mrawinski (live, inkl. Beifall zum Schluss) erschien zuvor auch noch in ein paar anderen Pressungen, so von Melodija natürlich, HMV und Eurodisc. Nach der Codierung in der Auslaufrille (33CM0286XXXX) zu urteilen, hat Eterna vermutlich Melodija-Matrizen verwendet und gar kein eigenes Master angefertigt. Ein klein wenig mehr Bass oder Wärme dürfte die Aufnahme haben, dann wäre sie nach meiner Meinung praktisch perfekt, aber das ist nur eine Nuance - hohes Niveau.


    Viele Grüße - Frank


    Hindemith - Die Harmonie der Welt Cover.jpg

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  • Schmeckt auch an Karfreitag, keine Frage. Und an Ostern gibt's ja sowieso den großen Ablass, wenn man "urbi et orbi" im Fernsehen nicht verpasst. Praktisch denken...


    Viele Grüße - Frank

  • Und noch was aus der Abteilung kleine Labels und kleine Auflagen: "Motette" M 10430. Der blinde Komponist und Organist Gaston Litaize spielt Litaize, und zwar in der Propsteikirche Kempen. Die professionelle und technisch gute Aufnahme stammt vom WDR, ein Konzertmitschnitt von 1979, die Pressung übernahm die Pallas. Mein Exemplar hat Litaize sogar persönlich unterschrieben und war mint. Ich habe was übrig für solche Fundstücke.


    Viele Grüße - Frank


    Litaize spielt Litaize Cover.jpg

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  • Ebenfalls noch nachgereicht, weil schon vor zwei Wochen oder so gehört: für mich eine echte Perle - die zehnte Mahlersymphonie nach Cooke und Goldschmidt, gespielt vom Berliner Sinfonie-Orchester unter Kurt Sanderling (Eterna 827435-436, Do.LP). Wie meist bei Eterna völlig unspektakuläre Aufmachung einer großen Sache. Perle für mich deshalb, weil diese beiden Eterna-Platten, die ich glücklicherweise besitze, wirklich NM- sind und keine Sekunde knistern oder knattern, was ich von Eterna leider nicht immer sagen kann. Dazu die 1979 absolut ausgereifte analoge Aufnahmetechnik im Berliner Studio Christuskirche, völlig ausbalancierte Tontechnik und dann eben eine richtig gute Pressung. Klingt so natürlich und unaufdringlich, dass man sich gar nicht weiter mit der Tonqualität beschäftigt, sondern nur noch mit der Musik und diesem genialen Experiment, wie Mahler seine 10. Symphonie vielleicht zu Ende gebracht hätte, wenn ihm noch ein paar Jahre mehr geblieben wären.


    Viele Grüße - Frank


    Mahler 10 Sanderling Cover.jpgMahler 10 Sanderling Cover (2).jpg

  • Spartacus in der 4LP-Box der Melodija aus dem Jahr 1976 (Exportversion, 782 045/48). Die Aufnahme mit Algis Zjurajtis als Dirigent und dem Bolschoi-Orchester war wohl 1975. Insgesamt erschien die Einspielung, da anscheinend gut nachgefragt, in zig verschiedenen Pressungen, so auch bei HMV und Columbia, und hier in der eigenen Westvermarktung der Melodija in (für mich) ganz ungewohntem Label-Design für den Export. Die Tonqualität ist absolute spitze, ein klein wenig mittenbetont, ich glaube, das mochten die russischen Tonleute damals insgesamt. Und eine Melodija-Pressung, die auf keiner der vier Platten irgendwann mal knallt oder knistert. Das beweist, sie konnten Spitzen-Schallplatten herstellen in der UdSSR, haben es leider nur nicht immer getan. Man müsste mal Radio Erwian fragen, warum. Interessant am Rande, hier nennt sich das Label selbst in lateinischen Buchstaben "Melodia", während heute die westliche Schreibweise "Melodija" üblicher ist.

    Musikalisch gehört ist es stellenweise ein wenig Leistungssport in puncto Dynamik, man hatte schließlich in den 70er Jahren noch nicht viel übrig für bourgeoise Gefühlsduseleien, auch wenn es sich beim weltweit in Herz-Schmerz-Filmen rauf- und runterspieltem Adagio nicht vermeiden lässt. Trotzdem hält das Bolschoi-Orchester diese Schmachtstellen so in Grenzen, dass man nicht gleich an Hollywood denken muss. Als Ausgleich wird es stellenweise recht derb und trivial, was aber nur an der Komposition liegt. Schließlich hatte Chatschaturjan zwanzig Jahre lang den Eindruck vermeiden müssen, als Musikschaffender ein vom Volk abgehobener Hirni zu sein (Formalismus-Vorwurf, konnte unter Stalin direkt nach Sibirien führen). Da kann man nicht plötzlich das Adagio der 5. Mahler-Symphonie schreiben.

    Für mich ist Spartacus irgendwo zwischen sowjetischer (anspruchvoller) U-Musik und E-Musik der 50er Jahre nach Stalin angesiedelt - Uraufführung war 1956 in Leningrad. Dem spärlichen Begleitschreiben auf deutsch und englisch kann man leider nicht entnehmen, um welche Version des Spartacus es sich genau handelt. Da vier Akte, müsste es die ursprüngliche Version sein. Jedenfalls beste Unterhaltung und durchaus Gute-Laune-Musik. Und wichtig: im Spartacus gibt es keinen "Säbeltanz", da würde ich abschalten, das wäre mir dann doch zuviel "Volksnähe", da gehe ich lieber gleich aufs Oktoberfest.


    Viele Grüße - Frank


    Spartacus Melodija Label.jpgSpartacus Melodija Cover.jpg

  • Man müsste mal Radio Erwian fragen, warum.

    Hallo Frank, bei dieser Ausgabe ist Matrizierung (AA 782 045 1Y1 ff.) und Pressung* via Philips / Netherlands realisiert worden. Die Ausgabe der EMI für UK ist Quadro (ASD.3245), USA via COLUMBIA in Stereo. Eine Eurodisc / Melodia über Ariola-Sonopress für Österreich / BRD … Für all diese West-Pressungen wurden eigene Werkzeuge angefertigt.

    Die Russen haben sogar eine Nachauflage (rotes Etikett) nach 1980 mit selben Werkzeugen gefertigt …


    Interessanter Thread!

    Beste Grüße, Frank


    * Bitte beachte die weit außen liegende Mulde der Presswerkzeuge


    R-3134475-1317368043.jpeg.jpg

  • Stimmt, die Matrizierung lautet AA 782 045 1Y1 ff, auch die Mulde. Also Philips-Pressung und doch keine Sowjet-Pressung, war mir nicht aufgefallen, steht ja nirgendwo Philips drauf. Nur, dass die Qualität besser ist als von Melodija gewohnt. Am schlechtesten sind nach meiner Erfahrung die Melodija mit dem roten Label, was ausschließlich an nicht ganz einwandfreien Preßstempeln liegt (sporadisches Knistern).


    Viele Grüße - Frank