Mein erster Röhrenverstärker: KR Audio Antares VA 320

  • Hallo zusammen,


    ich habe in diesem Forum schon sehr lange nicht mehr geschrieben, in den letzten Monaten aber viel gelesen. Ich war die letzten Jahre eigentlich mehr auf der digitalen Schiene unterwegs. Ziel war eigentlich, die Anlage unsichtbar zu machen bei gleichzeitig sehr ordentlichem Klang - weg vom Altar (Spider-Rack mit 7 Ebenen), der sich zwischenzeitlich aufgebaut hatte.


    Da unser großes Zimmer als Wohn- und Esszimmer sehr schick ist, aber als Hörraum echt eine Herausforderung und die beiden anderen Räume (Schlaf- und Ankleidezimmer) eher klein, blieb zum ordentlich Musik hören eben nur das große Zimmer mit all seinen akustischen Einschränkungen: L-Form, Betondecke, Parkett auf schwimmendem Estrich, 11 große Fenster und jede Menge Alurahmen. Ein paar akustische Maßnahmen habe ich gemacht, aber eben auch optisch wohnraumverträglich und nicht nach Studiomaßgaben: dicker Teppich, fettes Stoffsofa, Absorber schön hinter akustisch transparentem Stoff versteckt unter der Decke, Wabenplissees in allen Fenstern und ein paar Filz-Schiebevorhängen.


    Nach jahrelangen Versuchen mit Acourate und BruteFIR (mir zu kompliziert bzw. ich zu doof dafür), DIRAC (klanglich nicht befriedigend) hatte ich mir vor ein paar Monaten einen Trinnov Amethyst ausgeliehen - und Bingo! Der hat gepasst. Einfach zu bedienen und sehr gute Wirkung! Nur leider etwas pricy... 8|


    Seit ungefähr 7 bis 8 Jahren hatte ich nur noch Class-D-Endstufen und seit dem ich die PureAudioProject Trio15 Voxativ habe, habe ich diverse Class D's ausprobiert, insbesondere nach Kauf des Trinnov - um dem Trinnov eine adäquate Endstufe an die Seite zu stellen. Sehr gut, im besten Sinne preiswert und ein Best Buy der Technics SU-G700 - aber wozu ein Vollverstärker mit DAC, wenn der Trinnov doch einen DAC hat und auch noch eine exzellente Roon-Bridge? Dann nach Versuchen mit AVM SA 3.2, Ascendo DNA1000.2He, die keine wirkliche Verbesserung gegenüber dem preiswerteren Technics brachten, habe ich mir aus den USA tolle Class D's schicken lassen: Digital Amplifier Company Desktop Maraschinos mit 60V Netzteil. Angeblich gebrauchte Inzahlungnahmen vom Hersteller, was ich aber nicht glaube, da ich mir die Gehäusefarbe aussuchen konnte und die Gehäuse nagelneu sind. Ich denke, der vertreibt Neuware als gebraucht, um die Listenpreise nicht kaputt zu machen, aber Umsatz zu schaffen. Die sind klein, klingen toll und bleiben kühl. Eigentlich genau was ich gesucht habe.


    Tja, und dann war ich mitten in der Sommerhitze zweieinhalb Wochen krank und musste das Bett hüten. Und so bin ich das Internet rauf und runter gesurft und habe viel recherchiert.


    Erstes Ergebnis: ein Kenwood KD 990 in sehr ordentlichem Zustand für einen angemessen niedrigen Preis von 400 Euro, inzwischen mit einem Dynavector 10X5 MKII am erstaunlich guten MM-Eingang des Trinnov - klingt einfach nur klasse.


    Und zweitens wollte ich mir eigentlich nur etwas beweisen. Nämlich dass sehr gute Class D's von guten Röhrenamps nicht geschlagen werden können. Gerade was die Maraschino-Endstufen betrifft, haben im Audiocircles-Forum viele Leute ihre Röhrenamps dafür beiseite gestellt und geschrieben, diesen ganzen Zirkus mit Tube Rolling usw. würden sie nicht mehr brauchen.


    Nach einiger Recherche interessierte ich mich für ein paar Marken (z.B. Quad, Tubeguru, Leak, Graaf, KR Audio) und ging ein bisschen auf die Suche. Ich fand ein Angebot für eine KR Audio BSI20-VT beim Online-Dealer in Holland, zu diesem Amp aber nur wenige Infos im Netz, bis auf den entscheidenden Hinweis, dass gerade dieser KR Audio kein richtiger Röhrenamp sei (wobei die KR's irgendwie alle Hybride sind). Ich weiß nicht warum, aber ab da habe ich nur noch nach KR Audio gesucht, weil mich auch die Story zu diesem Unternehmen interessiert hatte. Dann fand ich eine Kronzilla SD in Paris für 2500 Euro, aber mir erschien das Angebot zu billig (bei einem Neupreis von 18.000 Euro) und unseriös, auch die Antwort des Anbieters war so komisch knapp und eine Übergabe sollte ohne Probehören auf der Straße in Paris gegen Cash passieren - da habe ich lieber Abstand genommen.


    Und dann fand ich eine Anzeige in holländischer Sprache auf Maarkplatz.nl, eine KR Audio Antares VA 320 zu einem sehr guten Preis. Um mit dem Anbieter zu kommunizieren, musste ich mich auf diesem holländischen Kleinanzeigenportal registrieren (was man nicht alles macht, wenn man Blut geleckt hat). Der Verkäufer ist ein sehr netter Mensch, mit dem ich im Anschluss ausschließlich per Mail und zum Glück auch in Englisch kommuniziert habe. Die Frage war, wie den Amp nach Deutschland zu bekommen und ich hatte schon mit einem Kumpel die Reise nach Utrecht geplant... Da kam die Nachricht, dass seine Frau und die Kinder mit dem Auto nach Berlin kommen und den Amp mitbringen können. Und so habe ich ihn gestern morgen in Friedrichshain aus einem Auto ins andere geladen und nach Hause transportiert. Beobachter hätten denken können, da würde Diebesware den Besitzer wechseln...


    Nach einer kurzen Aufwärmphase (war ja fast Frost in der Nacht) habe ich ihn auf 8 Ohm umgestellt, angeschlossen, eine schöne Scheibe in Roon ausgewählt und es kam - nichts. Der Trinnov fing an zu zicken. Er hat die Verbindung zum Router verloren und wollte sich nicht wieder verbinden lassen. Ich habe es dann relativ schnell wieder hinbekommen, nachdem es dann mit Radio schon lief.


    Wie oben geschrieben, wollte ich mir beweisen, dass ich mit Röhrenamps nichts verpasse und eigentlich auch die Vorstufe einen viel größeren Einfluss auf den Klang hat als die Endstufe, wie es (so wie ich es recherchiert habe) mehrheitliche Meinung in den Foren ist. Aber verdammt - da ist vom ersten Ton an eine Magie...


    Habe dann gestern Nachmittag viel Musik gehört und als sich die Röhren warm gespielt hatten, sass ich immer begeisterter vor meinem Open Baffles. Auch Radio klang deutlich angenehmer und ganz extrem ist es beim Fernsehen. Habe erst das Arte Journal geschaut und danach die nachfolgende Doku-Reihe Re:. Ich hätte nie vermutet, dass die Stimmen von Nachrichtensprechern mich derart faszinieren können. Und auch die Musik in der Doku hatte etwas absolut Magisches...


    Nun bin ich verwirrt. Warum hat die Endstufe einen so großen Einfluss auf das Gesamtergebnis? Warum spielt das so viel zackiger als die Class D's? Ich wollte doch eigentlich nur mal einen Röhrenamp hören zum Beweis, dass das nicht besser geht, als das was ich schon habe? Will ich mit dem hohen Stromverbrauch leben (zumal irgendwie immer Radio, TV oder Mukke von Konserve läuft)? Will ich eine zusätzliche Heizung im Wohnzimmer?


    Fragen über Fragen, die Antworten bzw. Entscheidungen bedürfen. Ich weiss noch nicht, ob ich die Röhrenendstufe behalten werde. Es gilt, einiges abzuwägen. Aus rein klanglichen Gründen würden sie bleiben. Auch die Frage der Lebensdauer der Röhren ist nicht so sehr das Problem bei den KR Audios. Die Firma gibt für die VHD842 eine Lebensdauer von mindestens 10.000 Stunden an. Das wären bei täglich 8 Stunden immerhin dreieinhalb Jahre und 8 Stunden läuft die Chose nur an Wochenenden. Aber in Zeiten, wo Schaltverstärker mit minimalem Stromverbrauch ordentlichen Klang bieten, sich so einen Stromfresser hinzustellen? Und im Sommer in der unklimatisierten Wohnung bei Temperaturen drinnen von über 30 Grad noch einen Amp als Zusatzheizung haben?


    Da habe ich mir ja wieder mal schön was aufgehalst... 8)

  • Ja, Röhren können einfach viel mehr wenn die Verstärker denn stabil genug sind. Es ist wirklich eine Art Magie und die Musik fließt einfach schöner.

    Class D sind mir bei Vergleichen immer die einzigen Verstärker gewesen welche negativ im Stimmbereich aufgefallen sind. Oft spitz und eher unnatürlich aber es waren auch keine besonders edlen Teile.


    Für solch einen "Dauereinsatz" empfielt sich aber schon eher ein Verstärker mit normalen noch relativ günstigen Röhren wie EL34, 6550 oder KT88.

    Und das die Vorstufe den größen Teil des Klangs ausmacht, hatte ich früher auch mal gedacht aber es ist ein Irrtum. Alles hat ein großen Einfluss auf den Klang und bei Röhrenverstärkern wird der eher typische Sound in der Endstufe erzeugt. Vorallem durch die Ausgangsübertrager.

  • Hi,


    ich sag immer: "Spielt eine Kron, brennt die Luft!" ;)

    Was die KRs mit Stimmen veranstalten ist schon eine Klasse für sich

    Es ist nicht umsonst, daß an meinen großen ESELn die KRs die Verstärkung übernehmen und bisher alles andere ausgestochen haben ... in einer Art und Weise, daß es für die Gegner oftmals geradezu peinlich war ... z.B. Accuphase ... schön aber Sch****. ^^

    Gegenüber vielen anderen Röhren, gerade SE class-As, kann sie dazu noch Dynamik und Bass und eine sehr glaubwürdige Raumtiefe.

    Wie Du schriebst ... klanglich eine andere Welt .... also nimm sie!

    Wissend darum und ständig dieses Nagen im Hinterkopf -weil man ja weiß was ginge- und statt dessen weiter mit einer class-irgendwas hört .... das tue Dir besser nicht an ;)


    jauu

    Calvin

    ..... it builds character!


    gewerblicher Teilnehmer

  • Hallo

    Ja, ähnlich Erfahrungen habe ich auch gemacht, mit den GoldeNote Endstufen hatte ich viel Freude, auch Class D. Seit letztes Jahr mit einem kleinen AR Vollverstärker die Welt der Röhre neu entdeckt.

    Denke aber, dass bei einem guten Röhrenverstärker einfach ein bisschen tiefer in die Tasche gegriffen werden muss, um wirklich schöne Ergebnisse zu erzielen. Trotz der Nachteile wie Wärmeerzeugung und Verschleiss würde ich nicht mehr zurück wollen zum Class D.

    Tom, behalt deine Antares und geniess weiterhin Musik.


    Grüsse

    Alessandro

  • Hallo Tom,


    vielleicht wäre es möglich, zum "Nebenher-Hören" eine Class-D-Endstufe zu verwenden und nur für den konzentrierten, bewußten Musikgenuß die Röhre (?). Einziges Problem ist wohl die unumgängliche Umschaltbox vor den Boxen, welche natürlich die Qualität nicht mindern darf.


    Die Krux, die feinen und kostspieligen Röhren nicht unnötig im Alltag verheizen zu wollen, ist mir durchaus vertraut. Ein wichtiger Grund, die kostbaren VAIC 300B-Monos damals "vorerst" beiseite zu stellen, bis Hör-/Platzverhältnisse und Spielpartner (Boxen) auf adäquatem Niveau sind - gute 10 Jahre her inzwischen (Oha!...).

    Eine baldige Wiederkehr der Röhren befördert der Abschied von Musikberieselung jeglicher Art - nach der praktisch kompletten Verbannung der Glotze aus meinem Leben der zweite logische (und hinsichtlich Lebensqualität deutlich positive) Schritt.

    Viele Grüße
    Eberhard

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    Die Menschen verhalten sich heutzutage auf der Erde wie in einem Spiel, in dem sie die Spielanleitung verloren haben.

    ( Christina von Dreien )

  • Dank an Euch alle für Eure Antworten und Anregungen, insbesondere die Antares zu behalten;) Die Endstufe ist einfach toll und der Klang wirklich pure Magie.


    Diese Sache mit der Umschaltbox für die Lautsprecher ist eine sehr gute Idee. Da muss ich mal schauen, ob man sowas ohne klanglichen Verlust hinbekommt. Und ob mein Trinnov das Ausgangssignal auf Cinch und XLR gleichzeitig ausgibt, dann wäre das relativ einfach zu realisieren. Für die Allerweltsbeschallung die Class D und für den Genuss die Antares...


    Gabs da nicht was von Ratiopharm, äh Dodocus? Muss ich mal recherchieren, ob das was taugt...

  • Ja, ich nutze eine Umschaltbox von Dodocus, um zwischen dem internen Vorverstärker meines Vollverstärkers und dem AV-Vorverstärker umschalten zu können.

    Negative klangliche Auswirkungen konnte ich nicht feststellen.

    Ob das bei den Lautsprecherklemmen auch so problemlos funktioniert, weiß ich nicht.

    Mein Händler hatte mir damals aber empfohlen, die Umschaltbox vor der Endstufe zu nutzen und nicht hinter der Endstufe.

    Er meinte, dass das der klanglich bessere Weg sei.

    Ich denke, dass es wohl nur sehr wenige Leute gibt, die einen klanglichen Vergleich machen konnten, weil die Böxchen ja speziell für die eigenen Bedürfnisse hergestellt werden und sich vermutlich die wenigsten Leute zwei unterschiedliche Geräte bauen lassen.

    Viele Grüße


    Steffen

  • Also ich nutze zwei Verstärker, einmal Röhre und einmal Class D ... auch aus genannten Gründen.

    Die Röhre läuft nur für die besonderen Stunden ... gute 300B‘s sind teuer :)


    Steck doch die Lautsprecherkabel einfach um, das ist doch kein Aufwand !

    Ich höre mit der Röhre so drei / viermal die Woche für etwa zwei Stunden ... die paar Sekunden Kabel umstecken reißen es nun echt nicht raus, und man braucht sich keine Gedanken darum machen ob Umschalter oder nicht.


    Jedenfalls auch von meiner Seite Glückwunsch zur Röhre.

    Ich hatte schon mehrere Röhrenverstärker besessen und wieder verkauft und wieder Transen und Class D oder Hybride dastehen ....

    Röhre, wenn’s denn ne gut gemachte ist, hat einfach was !


    Grüße Christian

  • Hab auch grade wieder Röhre ( Kebschull35/70 )

    schön warm wenn man sich nähert ;)


    haste vielleicht verfolgt, bin jetzt wieder über dir im Forum


    Die Class A Threshold 400A blieb ja im Gegensatz "fast kalt"

  • Ich habe selbst die Trios, die brauchen Röhren oder single ended class A Transistoren. Alles andere klingt deutlich reduziert. Ich habe vieles ausprobiert und bin beim Röhrenverstärker hängen geblieben, die kleinen Valvet SE waren aber auch sehr gut an den Trios.

    Gerhard

    AAA Mitglied;

  • Hallo Tom


    Mit der KR hast du dir auch einen herausragend guten Hersteller ausgesucht :meld:

    Ich habe selber mit KR nur allerbeste Erfahrungen gemacht.

    Klanglich gibt es sehr wenig was auch nur annähernd an KR herankommt.

    Ich habe selber 3 Amps von KR und liebe diese heiss :thumbup:

    Gruss Christoph