Meine neue Phono die "Crystal Solid" ist getestet. Lange hat es gedauert.
Zur Crystal Solid: sie wurde gebaut von Eugen Karpov. Er kommt auch aus der Ukraine. Aber nicht von der Krim. Das machte den Import etwas leichter, da keine Sanktionen verhängt sind. Karpov zeigt sich verantwortlich für den Schaltplan eines Phonos namens Crystal. Aus dem Crystal hat Andrey auf der Krim mit Erlaubnis von Eugene Karpov den nun umgetauften "Ampearl RE1030" -siehe Review hier im Forum- mit Röhren geschaffen. Sie gehören also irgendwie zusammen, wobei Eugene wohl eher entwickelt. Hier hat sich Eugene von mir breitschlagen lassen, etwas für mich zu bauen. Die Transistorvariante in der Crystal Phonoverstärker-Baureihe. Daher auch der name "Solid" logisch. Dauer 3 Monate. Das Gerät wirkte beim Auspacken sehr massig. Einzustellen ist nur die Kapazität mit einem Mäuseklavier. Das Gewicht ist sehr hoch, die Wärmeabstrahlung ist auch ganz gut. Getestet habe ich die Crystal mit einem hochwertigen Single ended Vollverstärker, dem besten Aidas MC mit 4 Ohm, 028mV. Ein Schicktonarm führt dieses MC am Garrard 401. Die Diatone als wichtige Monitore für die Feinheiten habe ich ja nun doch nicht verkauft, so dass es wieder sehr leicht war, Unterschiede herauszuhören. Ein Übertrager ist von Ampearl dabei, 1:30.
Musikauswahl: das wird speziell diesmal, es fliesst ja doch immer das ein, was man gerade so emotional verarbeitet. Ich sage nur, das wird jetzt eine Spur heftiger und eine Warnung noch: wenn Eure Frau wiederholt sagt, dass die ewige Musik und das Hifi-Zeugs nervt, hört auf sie. Ich hätte es auch tun sollen.
Nun zum Hören: Seid ihr ready? DSCF8149 (1).jpg
Okay.
Den Einstieg wage ich mit Peter Green's "Green Manalishi" vom Album der Splinter Group „Reaching the Cold 100“. Das holzt schon mal gut weg. Peter Green steht in einem weitem Raum und röchelt sich durch den Song. Ja ja, das Alter und die Lebensführung können Spuren hinterlassen. Der Bass ballert. Ich muss zwischen die Glasscheiben meiner Vitrine eine Keil legen. Da ist nun Ruhe und weiter geht es. Das Schlagzeug führt mächtig durch das Werk. Röchel-Peter grunzt die neuaufgelegte Variante dieses Klassikers, dass es ein Jubelfest ist. Die ganze Darbietung ist breit in der räumlichen Darstellung, bleibt aber zusammenhängend. Alles ist da, wo es hingehört. Ein winziger Spritzer Hochton täte Peter gut. ( Mit einem anderen Übertrager war das in einem nachgehenden Versuch besser - probieren muss man da halt schon mal).
Kleine Steigerung: Heavens Gate von Rory Gallaghers Album „Fresh Evidence“ auf MOV. Jetzt kommt Leben in die Bude. Fetter Groove. Da sitzt keiner still. Das verspreche ich Euch. Da donnert ein D-Zug durch die Bude. Ich drehe den Hahn weiter auf.
"The darkness 'round your neck Is like a metal claw..." Jupp, das sitzt mir jetzt wahrlich im Nacken. Die Soli sind so rattenscharf. Rory gibt es alles, und kein einziger Ton ist schrill oder hell, oder lässt einem den Schneidezahn wackeln. Alles perfekt. Im übrigen auch kein Hauch eines Transistorsounds und ich bin da wirklich empfindlich, wenn einer glaubt mir ein röhrenlosen Phonoverstärker unterjubeln zu können. Schön warm und detailliert wird die Stimme dargestellt. Keine Ecken und Kanten. Frappierende Räumlichkeit.
Da geht noch was.
Kleine Steigerung:
„Moth into Flame“ von Metallica’s Album "Hardwired…to self-destruct“.
Kein Angst vor Tempoverdopplung heisst hier die Devise. Neben supertiefen fetten Riffs, schwer wie eine Ankerkette, brettert das Schlagzeug los, dass der Hund schnell wieder das Weite im Nebenraum sucht. Dann kommt jeweils ein blitzschnelles Double Bassdrum zum Einsatz. Jeder einzelne Schlag ist da. Eine wahre Pracht. Dem Subwoofer laufen gleich Schweissperlen am Gehäuse hinunter. Die Lp ist für ein Metal Album perfekt aufgenommen. Es ist wie gemacht für den Druck des Transistorphonos. Kein Wunsch nach mehr bleibt offen.
Kleine Steigerung: „Los“ von Rammsteins „Reise, Reise“ Album. Es fängt ja noch harmlos an, nur leichtes Schlagzeug und Akustikgitarre. Dann ballert es los. Till Lindemanns Stimme ist tief und hauchend. Sehr beeindruckend. Der Song schiebt druckvoll seine Botschaft in den Raum. Die Harp, die rechts erscheint, darf nicht im Ohr nerven. Tut sie nicht. Die Gitarren könnte etwas mehr Biss haben. "Amerika" reisst dann wieder die Hütte ab. Das Lied mochte ich bislang nicht. Aber seit der Vinyledition und diesem tollen Phono sehe ich das anders. Denn der Bass ist sautief und kontrolliert, man kann jeder Note folgen. Das Intro des Songs könnte etwas besser sortiert sein. Dennoch eine sehr gute Leistung der kleinen Crystal. Ach was rede ich, das ist schon eine echte Hausnummer. Wenn jetzt auch wieder die kommen, die sagen, da wird eine saublöde Sau durchs beschauliche Lehrte getrieben. Dafür bleibt nur ein müdes Lächeln.
Kleine Steigerung: Five Finger Death Punch mit „Gone away“. Das Intro verhalt in der Tiefe des Raums. Das ist schon mal toll. Dann kommen die Drums. Hilfe, das ist mächtig. Die Anlage verschleppt etwas das Tempo, hoffentlich wird das nicht zu langweilig jetzt. Okay, da nagelt die Ampearl Phono scheinbar mehr los in Form von Speed. Die Crystal Solid schiebt mehr untenrum, macht den Song schwer und scheinbar träge wie einen Öltanker im Hamburger Hafen. Obwohl die Drums doch noch zügig dargeboten werden. Die Tempoverschleppung ist also ein Schein, weil alles so tief und fett klingt. Die Stimme profitiert davon. Auch die wirkt dunkler und mächtiger. Mit "Lift me up" kann man dann endgültig zusammen mit der Band die Gardinen für den Frühjahrsputz abhängen ohne sie zu berühren. Shice, fetter geht nicht. Ganz nett das Album von Five Finger Death Punch. Wehe nur dem, der Nachbarn hat, die mithören müssen. Ich höre das ganze Album jetzt mal genüsslich zu Ende und bin gleich wieder da.
So, letzte Steigerung: Und damit kommen wir zu Sonntagsknaller der Extraklasse. Ein Lied, dass einem die pleischweren Plomben aus dem Packenzahn sprengt. Schwiegermutters fleischgewordenen Albtraum. Die perfekte Supermarkthintergrundmusik. Will ich das wirklich? Das Lied heisst Locomotive von einem Motorhead 2LP Best of Album auf Bronze gepresst.
Schmeiss die Wand an, ist das ein Tempo. Das sind schnelle Drums. Dringend mal anhören. Kann das noch differenziert werden oder matscht das wie ein Spaziergang durchs Moor der Lüneburger Heide im November? Die Crystal kann das noch in Einzelteile zerlegen - nicht perfekt aber sehr gut gelöst- und richtig Kette geben. Matsch ist nicht. Lemmy brettert die Lokomotive rauchend nur so auf die Gleise. Du bist der Grösste, Lemmy Kilmister. Lediglich die Gitarren klingen minimal hell und dünn. Die Aufnahme ist aber auch echt fies. Mit Highspeeddrums geht es aus dem Song raus und somit aus diesem Review.
Was bleibt? Die Crystal Solid ist ein echter Klangklopper. Kein Hauch von Transistor, mächtig und kontrolliert schiebt sie mit tollen Stimmen Botschaften zum Verstärker. Die Bühne ist sehr tief, etwas gestaffelter als bei der Ampearl. Fast alles ist kontrollierter als bei der Ampearl. Diese wiederum spielt freier, federnder mit mehr Schmelz in den Mitten. Die Crystal liefert mehr als alle notwendigen Details und ist bei aller Transparenz nie analytisch. Beide Phonos sind preislich identisch. Schwere Entscheidung. Ich wechsele zwischen Ampearl und Crystal Solid eher nach Stimmungslage. Einen klaren Sieger gibt es nicht. Das Preisschild darf nicht täuschen. Wir bewegen uns auf einer weitaus höheren Ebene. Unser Hifitag hier im Raum Hannover wird es bewiesen haben. Die Ukrainer bauen (Abriss)Birnen für einen Apfel und ein Ei. Mahlzeit.