Eine Luxman L-530 Reanimations-Story
Kapitel 1: Die Vorgeschichte
Es war das Jahr 1982 als ich gerade 16 Jahre alt wurde und der erste Nintendo Gameboy kommt erst in 2 Jahren auf den heimischen Markt. Das einzige Videospiel für den Heimgebrauch „Pong“ waren dann doch zu langweilig. Mangels Alternativen verbrachten wir unsere jungen Jahre mit viel Musik. Aber nicht nur Musik hören im Radio! Auch den Daumen und Mittelfinger auf den Zaubertasten „REC“ und „PLAY“ des Kassettenrecorders um jederzeit unsere Lieblingssongs aus dem Radio auf Magnetband zu verewigen – mit mäßiger Qualität. Schallplatten waren da viel besser! Erstens konnte man sich den Song den man wollte kaufen (…ja, damals musste man das noch…) und zweitens konnte man den Song jederzeit und in „sekundenschnelle“ auflegen. Und weil uns „Musikliebhabern und Profis“ das so wichtig war, wussten wir natürlich genau bescheid. Wir wussten wer die besten Plattenspieler baute und was der Unterschied zwischen MC und MM System ist und warum der Eine einen geraden und der Andere einen geschwungenen Tonarm hatte.
Mein Sohn kann das heute im Bereich der Smartphones und Games genauso gut wie ich damals im HiFi-Bereich. (Er weiß da Alles!)
Natürlich wussten wir auch was die besten Lautsprecher waren. Klipschorn natürlich. Keiner von uns hatte je eines in Natura gehört und wir hatten auch gar nicht den Platz diese monströsen Dinger in einem quadratischen Zimmer mit 120m² in einem Abstand von 12,3 cm von der Ecke aus gesehen aufzustellen (zusätzlich der Geldmangel) – so blieb uns nur der Traum. Alternativen fanden wir in Fachzeitschriften und natürlich beim HiFi Fachhändler. Dort stand alles was das Herz begehrte. Plattenspieler von Thorens mit 2 und sogar 3 Tonarmen, Linn, Dual, Marantz, spacige Transrotor und hässliche EMT (hässlich war OK weil der so super war). Auch die Boxen die dort standen waren von mittelgroß bis monströs groß und von Herstellern wie AR(Acoustic Research), pyramidenartige KEF mit gigantischen Bassdurchmessern , Canton, Bowers & Wilkins, Tannoy, Revox Basreflex, Magnat mit dem schlechtestem Klang aber den größten beschrifteten Basslautsprechern und einer Bulldogge drauf, Infinity mit Reference bis Kappa9 und viele mehr. Aber um den Klang vom Plattenspieler zum Lautsprecher zu bringen brauchte es natürlich einen Verstärker.
Kapitel 2: Die Anschaffung
Auch Verstärker gab es viele und das Zeitalter der einzig wahren Röhrenverstärker neigte sich langsam dem Ende zu. Sie waren extrem teuer und sensibel und dabei nicht wirklich besser als die besten modernen Transistorverstärker dieser Zeit. So waren ständige Neuerscheinungen am Markt und wir drückten uns genauso ständig die Nasen platt an den Auslagen der besten HiFi Anbieter. Da waren in den Schaufenstern Geräte wie Accuphase, Denon, Grant, Conrad Johnson, Marantz, Pioneer, Technics, Kenwood, Yamaha und natürlich Luxman.
Und der Luxman L-530 war mein absoluter Liebling (und vielleicht auch der Marantz 2600, aber der hatte vom Klirr-Faktor her keine Chance). Aber 20.000,- Schilling (3.000,- DM) war einfach zu teuer. Ich hatte nur 3.000,- Schilling und dafür kaufte ich mir dann mit 18 mein erstes Auto, einen gebrauchten Käfer Bj. `63.
Die Jahre vergingen, aber wenn ein Keim erstmal gesät ist, dann hast du keine Chance, dann bricht es irgendwann mal durch. Und jetzt 37 Jahre später 2019 kam der Durchbruch. Ich wollte einen Luxman L-530 mit 2x 120Watt an 8 Ohm und Class A Betrieb und Klirrfaktor <0,007%. Vor allem aber wegen dem ausgezeichneten Phonoeingängen wo ich die Möglichkeit habe MM und MC Tonabnehmer in hoher Qualität zu nützen (und das mit umschaltbarer Impedanz). Das optische Aussehen war mir schon damals wichtig. Heute kommt noch die hochwertige Verarbeitung aller Knöpfe und Schalter aus Metall dazu (denn das gibt es so nicht mehr). Also habe ich mir ein solches Gerät um € 721,- bei E-Bay „optisch einwandfreien Zustand, aber defekt“ ersteigert (inklusive Transportkosten, schließlich hat das Ding 20kg). Ich dachte mir, das wird kein Problem solange die Optik passt. Ein bisschen Basiswissen in Elektronik habe ich; und die Hilfe der Foren, so wie dieses Forum hier. Da habe ich gelesen: die Elektrolytkondensatoren muss man sowieso alle tauschen, egal ob das Gerät funktioniert oder nicht weil die dann irgendwann wie ein alter Bettnässer ausrinnen. Also kann ich gleich ein defektes Gerät kaufen und alle Elkos tauschen, da kann ich mir noch einiges sparen.
Dachte ich mir und kaufte alle 46 Elektrolytkondensatoren die da drinnen verbaut sind um nur 78,- bei Mouser. Die kamen sogar noch vor dem Gerät bei mir an. (Schaltpläne, Stücklisten und Servicepläne sind im Netz vorhanden, also alles da was man so braucht). Dachte ich…
Kapitel 3: Die Inspektion
Als der Luxman endlich bei mir ankam packte ich Ihn ganz euphorisch aus und er sah tatsächlich aus fast wie neu (Auch die Lüftungsgitter waren unbeschädigt). Auf der Rückseite klebte noch ein „EXPERT HiFi Service“-Kleber; da hat also nur ein Fachmann rumgefummelt – dachte ich mir. Angesteckt und eingeschaltet haben alle Lichter und Lämpchen funktioniert, aber kein Ton kam raus. Wie erwartet und vom Verkäufer angegeben.
analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84314/
analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84316/
analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84317/ analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84318/
Also habe ich das Gerät geöffnet und mal eine erste Inspektion gemacht.
1.) Falsche Kondensatoren verbaut (22.000uF statt 33.000uF). Ob das der Fachservicebetrieb war?
2.) Die Betriebskontrolllampe beim Lautstärkenregler wurde mit Isolierband versehen und somit nicht sehr fachmännisch erneuert. Fachmann?
3.) Das untere Abdeckblech zeigt, dass die alten originalen großen ELKO`s schon mal ausgeronnen waren.
analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84319/ analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84320/ analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84321/
4.) An der oberen Endstufenplatine (RE-Kanal) fehlte eine der beiden Sicherungen. Die zweite war durchgebrannt.
5.) An der unteren Endstufenplatine (LI-Kanal) waren beiden Sicherungen vorhanden, aber ebenfalls Eine durchgebrannt. (je T 3,15A).
6.) Die anderen 4 Sicherungen (neben den dicken Elko`s) waren OK
analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84322/ analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/84323/