Tung-Sol KT150 zu KT170 austauschbar?

  • Hallo zusammen,


    zwischenzeitlich kam hier in der KT120/150/170-Diskussion das Thema Treiberröhren auf. Finde ich sehr interessant, denn vielleicht war unsere bisherige Betrachtung nur auf die Endröhren etwas beschränkt, ohne dabei an die passende Treiberröhre zu denken.


    In meinem Octave V80 SE waren zu den KT150 als Treiberröhren ECC82 (12AU7) verbaut.


    In meinen nun Octave MRE220 sind zu den KT120 (habe ich durch KT150 ersetzt) als Treiberröhren ECC802 verbaut. Nach allem, was ich auch hier im Forum gelesen habe, ist die 802 die etwas bessere (weniger Mikrophonie, langlebiger) 82. Weiß jemand, was der Unterschied ECC802 zu ECC802S ist?


    Weiter ist in den MRE200 aber noch als Treiberröhre eine 6SN7 (GTB) in Steckplatz V5 verbaut. Weiß jemand, warum hier nicht noch eine weitere 802?


    Viele Grüße

  • Hallo,

    ich habe auch ziemlich viel mit den Treiberröhren rumexperimentiert und ich würde sagen es ist eher entscheidend welches konkrete Fabrikat du nutzt und weniger entscheidend ob sie ECC82, ECC802 oder ECC802S gelabelt ist. Die Bezeichnungen haben die Hersteller teilweise auch recht unterschiedlich gehandhabt.


    Bei den legendären Telefunken sagt man der ECC802S noch magischere Fähigkeiten zu als der ECC82. Da ist aber oft auch Legendenbildung im Spiel, wenn sie seltener werden. Trotzdem präferiere ich z.B. Mullards aus dem alten Blackburn-Werk die ganz profan ECC82 bezeichnet sind. Und selbst da gibt es unter der Bezeichnung ECC82 große Unterschiede. Die ganz alten Long Plates klingen z.B. anders als die kürzeren Plates späterer Jahre (Long Plates sind fantastisch musikalisch, aber rauschen etwas mehr).


    Gruß
    Dominik

    Einmal editiert, zuletzt von Dragon777 ()

  • Ja, ein herrliches Durcheinander, bei JJ ist der Unterschied zwischen der aktuellen ECC82 und 802s eine längere Anode. Eigentlich steht die zusätzliche „0“ bei NOS Röhren in der Regel für eine longlife Version, meist mit dickerem Glas, stabileren Halterungen und damit mikrophoniearmer. Das „s“ stand wohl ursprünglich mal für Spanngitterröhre.


    Eine originale Tesla (Vorgänger von JJ) 802s war ein Replica der Telefunken 802 Spanngitterröhre. Tesla fertige wiederum für Siemens, Valvo und … Telefunken… das macht es nun auch nicht einfacher. Die JJ ist aber wirklich eine Gute, fürs Geld und aus aktueller Produktion, die alte Tesla ist aber besser, aber auch vielfach teurer. Originale (und hoffentlich echte) Telefunken ECC80x mit Raute im Glasboden werden meist abartig bepreist.


    Wenn man auf Punch, Schnelligkeit und Klarheit steht, und den Röhrenzauber nicht braucht, dann wäre vielleicht eine JAN Philips ECC82 eine gute Wahl, hat Octave auch oft so ausgeliefert. NOS, aber bezahlbar. Die aktuellen Gold Lions sind das genaue Gegenteil, viel Körper und Kraft, etwas Röhrenzauber und im Hochton nicht zu vorlaut.


    Leider habe ich von der Tesla nur 3 Stück im Fundus, sonst würde ich sie mal in der MRE220 ausprobieren. Die JJs laufen aber auch schon gut. Eine reine TungSol Bestückung ist auch beindruckend, aber in meinem Setup passt es mit den Gold Lion 82er noch besser. Das mag mit der KT150 als Endröhre ganz anders ausgehen.


    Die 6SN7 wurde 1939 entwickelt (Stahlröhre) und war seit 1941 als Glasröhre mit Oktalsockel weit verbreitet. Quasi ein Vorläufer der „modernen“ ECC82 (bzw. 81, 83) mit Novalsockel. Kennlinien, Gain, µ, Widerstand, etc. sind ähnlich aber nicht gleich (difference in the µ is 1.4 dB). Die 6SN7 ist zudem etwas linearer. Warum Andreas Hoffmann in seinen kleineren Amps die ECC82 einbaut und in den Monos die 6SN7 wird seine Gründe haben und sicher bestens zur jeweiligen Schaltung passen.


    Die zuverlässige und neutrale Tung Sol Doppeltriode 6sn7 GTB könnte man (wenn es was aus aktueller Produktion sein soll) gegen eine 6SN7 aus der Linlai Elite Serie tauschen oder gegen eine Shuguang Natural Sound (Treasure), Psvane, Full Music oder profan gegen EH oder JJ. Mit Sockel-Adapter ginge aber theoretisch auch eine RCA NOS VT9 (ohne Gewähr). Hier im Forum gibt es einen langen Faden zu dieser Röhre und bauähnlichen Alternativen wie 6N8P, 6H8C, VT231, CV181. NOS von GE, RCA oder gar Ken Rad ist kein günstiges Vergnügen. Andere NOS wie Sovtec, Sylvania oder Raytheon sind etwas günstiger, aber auch nicht billig. Geheimtipp ist angeblich ein russisches Äquivalent: 6H8C (lateinisch 6N8S).


    Ach ja, keine Ahnung ob die MRE220 unbedingt eine GTB benötigt.



    Im weiten Web gibts dazu viel zu lesen:


    https://stereoshore.com/best-6sn7-tubes/


    https://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?t=11709


    Gruß

    Christian

  • Hallo Christian,


    vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Jetzt bin ich schon neugierig und würde in meinen MRE220er gerne mal die Gold Lion ECC82 mit der KT150 versuchen (und die 6SN7 belassen, eben weil Hoffmann dafür sicher einen Grund hat). Jetzt sind übrigens nicht mal zwei gleiche ECC802 drin, die eine ist von JJ, die andere von Tung-Sol (im V80 SE waren beide von Tung-Sol). Seltsam.


    Von der Gold Lion gibt es aber keine 802, nur die 82, korrekt? Müsste man dann vier (zwei je Mono) gemached nehmen, oder?


    Viele Grüße

  • Hallo,


    man sollte Unterscheiden, ob die Röhren jeweils für einen Kanal oder für zwei Kanäle genutzt werden.


    Die MRE220 sind ja Monos, so dass nur ein Kanal verarbeitet wird. Hier läuft das Signal sozusagen nacheinander durch alle Röhren, so dass man auch unterschiedliche einsetzen kann um mit dem Klang zu spielen. Wenn dann sollte man aber nicht pro Endstufe sondern pro Röhrenstufe matchen. Also die erste ECC82 links sollte möglichst der ersten ECC82 rechts entsprechen und die zweite dann analog. Nur pro Kanal/Endstufe zu matchen könnte dazu führen, dass die Kanäle am Ende voneinander abweichen.


    Im V80 ist es so, dass je eine ECC82 pro Kanal zuständig ist. Wenn man hier mischt wird das nicht sauber klingen - da müssen rechts und links schon die selben Fabrikate genutzt werden.
    Die ECC81 im V80 hingegen verarbeitet beide Kanäle. Es handelt sich um eine Doppel-Triode bei der je eine Triode für einen Kanal genutzt wird. Hier ist es vor allem wichtig, dass der Verstärkungsfaktor der beiden Trioden innerhalb der Röhre nicht stark voneinander abweicht. Die Röhre muss also gut selektiert werden.


    Gruß
    Dominik

  • So, liebe Leute,


    ich hab´s getan und die KT170 im RE320 getestet! ;)
    Die Röhren sind jetzt 21 Stunden gelaufen (allerdings von BTB gematched, also dort auch schon "eingebrannt") und ich habe um die zwei Stunden intensive Hörtests durchgeführt. Also noch etwas früh und nur ein erster Eindruck, aber ich hoffe, dass die Röhren sich nicht mehr viel verändern. Denn so viel kann ich schon sagen: Das geht genau in die Richtung der Klang-Signatur, die ich suche!


    Zunächst mal bin ich überrascht wie wenig die KT170 an die KT150 erinnert. Es ist definitiv keine größere KT150.
    Diese frappierende Räumlichkeit in der Tiefe der KT150, die ich aber teilweise auch als etwas künstlich empfand, ist bei der KT170 nicht vorhanden. Auch bei der absoluten Souveränität und ich würde auch behaupten bei der Bass-Kontrolle liegt die KT150 auch weiterhin an der Spitze. Die KT170 liegt nur knapp dahinter - aber eben dahinter. Wer die allerbeste Kontrolle und Straffheit sucht, der sollte eher bei der KT150 bleiben.

    Was die Höhen und Mitten angeht hat die KT170 meiner Meinung nach eine ganz andere Signatur.



    Was gefällt mir so an der KT170?


    Zunächst mal die Höhen und oberen Mitten. Hier ist die KT170 wirklich sanft, unangestrengt und schmeichelnd unterwegs. Sehr langzeittauglich. Ich konnte etliche Stücke lauter hören als mit allen anderen Röhren, weil einfach nichts mehr genervt hat. Sie hinterlässt ein wohliges Gefühl beim Musikhören.


    Jetzt könnte man meinen, dass dabei Auflösung und Transparenz verloren gehen. Ganz und gar nicht! Die KT170 hat die beste Auflösung aller bisher von mir getesteten Röhren - mit klarem Vorsprung. Jedes Detail ist klar und deutlich zu hören. Komplizierte Orchesterpassagen habe ich noch nie so aufgeräumt und klar strukturiert gehört - hier verwischt gar nichts.


    Die räumliche Darstellung ist bei der KT170 recht einzigartig und etwas schwer zu beschreiben. Zunächst mal ist die Ortbarkeit von Schallereignissen exzellent ausgeprägt auf einer ziemlich breiten Bühne. Die Instrumente sind klar voneinander getrennt im Raum zu verorten und haben das was man so häufig als "Luft" um sie herum beschreibt. Aber eben nicht wie bei sezierenden Transistoren die das zwar perfekt machen aber dazu tendieren jedes einzelne Schallereignis sehr kompakt darzustellen wo für meinen Geschmack dann auch wieder der Zusammenhang verloren geht. Nein, hier hat alles immer noch einen röhrentypisch großen Körper - sogar einen ziemlich großen - ohne aber unrealistisch groß zu wirken. Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Ich würde sagen es klingt wirklich "körperhaft" in dem Sinne als dass jedes Instrument und jede Stimme seinen/ihren eigenen, adäquat großen Körper auf die Bühne stellt und trotzdem das große Ganze im Zusammenspiel einen eigenen, sehr voluminösen Klangkörper bildet.


    Klangfarben empfinde ich ebenfalls als exzellent. Hier ist die KT170 deutlich verspielter und blumiger unterwegs als die KT150. Sie liebt es die Charakteristika der Instrumente herauszuarbeiten.


    Auch sofort als besonders aufgefallen ist mir dass die Röhre richtig grooven kann. PRaT ist auffällig gut und überhaupt ist die Röhre sehr musikalisch. Das ist für mich sogar wirklich das Beeindruckendste an der KT170, wie sie es schafft aus den Klängen einen Fluss zu erzeugen, der dem Musikstück entspricht. Wenn es rhythmisch zugeht, dann will man einfach mit (übrigens passierte das auch bei elektronischen Beats, bei denen mir der Faktor vorher nie aufgefallen war), wenn es melodisch wird dann fließt alles sehr schön organisch. Die röhren machen einfach Musik in der ich mich verlieren kann!


    Bisher bin ich wirklich begeistert von der KT170. Interessanterweise hatte ich etwas anderes erwartet, aber ich bin sehr positiv überrascht. Mal sehen wie es sich noch entwickelt. Natürlich alles immer nur bezogen auf meine eigene Kette und mein eigenes subjektives Empfinden.


    Ein wirklicher Wermutstropfen ist allerdings dass die Röhren einfach nicht glimmen. So große Glaskolben mit so viel Leucht-Potential und dann kommt da einfach nix. ;)


    Grüße
    Dominik

  • ... sehr schöne Beschreibung Dominik, kann ich bestens nachvollziehen, da ich ja die KT170 wie Du in der OCTAVE RE320 Endstufe höre. Davor die HP700 Vorstufe mit Originalbestückung.


    Beste Grüße Martin

    AAA - Mitglied

  • Hi Martin,


    ich hab auch die HP700 davor. Habe allerdings die Tung-Sol 12AU7 gegen eine alte Mullard ECC82 getauscht. Das empfinde ich als runder und musikalischer. Hab auch eine Telefunken ECC802S getestet und das war auch gut. Aber irgendwie mag ich die Mullard-Magie.

    Bei den EF800 bin ich aber bei Telefunken geblieben. Ein Experiment mit Mullard EF184 hat sich nicht als Vorteilhaft herausgestellt.


    Interessant, dass wir alle den selben Eindruck von der KT170 haben. Dann muss ja was dran sein. ;)


    Gruß
    Dominik

  • Die KT170 haben bei mir Svetlana 6550 Winged C abgelöst, das war auch eine deutliche Verbesserung in Richtung bessere Auflösung und Kontrolle.


    Und auf dem Verstärker sieht es aus wie auf einem englischen Tee-Service. Das Leuchten ist für mich OK, da dahinter der Blick auf eine Beamer-Leinwand fällt und die Röhren im Film auch aktiv sind.

    Traue nur Deinem Ohr !

  • Hi Martin,

    wie hast du den Bias im RE320 für die KT170 eingestellt?
    Hast du da mal mit rumgespielt? Oder vielleicht sogar eine Aussage von Octave erhalten?

    Gruß
    Dominik

  • Hallo Dominik,


    das grandiose ist ja, dass die RE320 die BIAS - Einstellung schön mittels der LED-Anzeige wiedergibt. In der Bedienungsanleitung der RE320 findest Du Hinweise, dass die KT150

    (und somit auch die KT170) an den oberen Bereich den Arbeitspunkt haben darf.

    Will heißen, ich habe den AP so gelegt, dass die grüne und knapp die gelbe LED gleichstark leuchten....


    Beste Grüße Martin

    AAA - Mitglied

  • Hallo zusammen,


    Ihr macht mich ferttisch ;)


    Jetzt bin ich umso neugieriger auf die KT170. Mir fehlt bei den 150ern der Gripp, es könnte rauher, körperhafter sein. Geht die 170 mehr in diese Richtung? Und, ich liebe die extreme Auflösung der 150er, bleibt die 170 dahinter zurück?


    Beste Grüße

  • Macci1975... (hast Du auch einen Namen?)


    Die Auflösung der KT170 ist frappierend aber eben super schön musikalisch und nicht separiert und "abgeschnitten" von anderen Instrumenten, es fügt sich alles bestens zusammen, ich liebe die Darstellung von Stimmen und bei Joan Baez oder Lorenz McKennitt stellen sich nur noch die Haare auf, einfach Gänsehaut, Du hast von mir eine uneingeschränkte Empfehlung.

    Ich habe übrigens seit Kauf der KT170 nie wieder auf die KT150 umgesteckt und das soll was heißen, Punkt.


    Beste Grüße

    AAA - Mitglied

  • Macci1975 Dir fehlt bei der KT150 der Grip? Wie meinst du das? Ich kenne keine Röhre die mehr Kontrolle liefert als die KT150. Ich würde sagen die KT170 ist da auch sehr gut, aber sie spielt trotzdem etwas weniger straff, dafür deutlich musikalischer und mit mehr Swing und Groove. Die KT150 wirkt nüchtern dagegen.
    Als rauher empfinde ich die KT170 auch nicht, eher sogar schmeichelnder.
    Die Körperhaftigkeit ist anders. Für mein Empfinden spielt die KT150 etwas zurückhaltend - sie platziert Stimmen und Instrumente etwas weiter hinten auf der Bühne. Hier empfinde ich die KT170 als etwas direkter in der Darstellung - irgendwo zwischen KT150 und KT88/6550. Die einzelnen Schallereignisse arbeitet sie noch besser heraus. Jeder versteht ja ein bisschen was anderes unter diesen Begriffen, aber für mein Verständnis würde ich sagen KT170 spielt noch körperhafter als KT150.
    Bei der Auflösung würde ich sagen legt die KT170 klar nochmal eine Schippe drauf. Auch wenn die Darstellung eben etwas anders ist (siehe meinen Post weiter oben).


    Marty Ich höre mit omnidirektionalen Lautsprechern: Bayz Audio Courante


    Grüße
    Dominik