Hallo zusammen,
tja, da ist er wieder.
Ich habe lange überlegt, ob ich mir die neue Ryan Adams-LP überhaupt kaufen sollte. Und auch, ob ich mich mit einer Rezension nicht auf dünnem Eis bewege.
Fassen wir kurz zusammen: Wunderkind des Americana, Rocker und Songwriter, grandiose erste Alben, dann zu viele in zu kurzer Zeit mit mancher Preziose versteckt im Mittelmaß. Eigenes Label, ausufernde Deluxe-Editionen, große Pläne.
Dann kam #metoo und die üblen Vorwürfe seiner langjährigen Freundin Mandy Moore und weiterer Musikerinnen, darunter die hochgeschätzte Phoebe Bridgers. Die Karriere des Ryan Adams war beendet.
Was nun jeder mit sich selbst ausmachen muss ist, ob man so einen noch hören mag. Es gibt genügend Beispiele für Künstler, die sich im wahren Leben als Ekel entpuppten und bei denen die Missetaten erst spät ans Licht kamen. Diese Diskussion will ich hier nicht führen. Es wird auch keiner gezwungen, weiterzulesen.
Ich hab mir WEDNESDAYS also geholt, ein Album, das zusammen mit einer 7" kommt. Für mich sollte (fast) jeder eine zweite Chance bekommen, sofern die Reue echt und nicht nur gespielt ist. Und, da ich seine Musik sehr mochte, wollte ich wissen, was hat er zu sagen? Auf dem Cover klebt ein Hype-Sticker, der "First Album in 3 Years" posaunt... echt jetzt, Ryan? Ernsthaft?
Eigentlich ist WEDNESDAYS genau das Album, das man von Ryan Adams erwarten durfte. Es ist nicht sein Gang nach Canossa. Sicher, schon im Eröffnungsstück heisst es I'M SORRY AND I LOVE YOU. Kein Scherz, so heisst tatsächlich der erste Song auf Seite 1. Zwei, drei weitere Songs beschäftigen sich ebenfalls mit Reue, aber es ist dann doch eher Selbstmitleid, das durchscheint. Ja, könnte ich doch nur die Zeit zurückdrehen... wie konnte ich dich verlieren? So in der Art...
Der Rest sind Adams-typische, poetische Songs über Sehnsüchte, gefüllt mit bildstarkem Pathos.
Musikalisch ist es ohne Frage eines der schönsten Alben, das Adams je gemacht hat und wäre da nicht die Vorgeschichte wäre es eins, das man fast uneingeschränkt empfehlen könnte. Überwiegend akustisch, packende Melodien, hervorragend aufgenommen. So bleibt ein etwas fader Beigeschmack. So einfach ist ein "fangen wir von vorne an" eben nicht.
Kommen wir nun zur Scheibe an sich. Über die Pressqualität von neuen Platten wird ja gerne hysterisch diskutiert, aber ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine derart schlechte Pressung gehört habe. Ein Knackser- und Knisterfest, dass ich erst dachte, mein TA sei hinüber. Zudem verzerrt es extrem häufig, Nonfill ist zu finden (etwas, über das ich immer nur gelesen hatte, bis ich es dann mal gesehen hatte). Gepresst wurde bei MPO in Frankreich und selbst GZ Vinyl hat in seinen schlimmsten Zeiten nicht sowas verhuntzt wie das hier. Incredible. Es beschleicht einen der Gedanke, als wollte jemand Adams nochmal was richtig mitgeben! Im Internet häufen sich leider schon die Verrisse über die Vinylqualität, so dass ich nicht von einem Montagsexemplar ausgehe.
Ähnlich ist es leider bei der neuen Lana Del Rey - musikalisch ein Traum, Pressung ein Alptraum. Wäre heute nicht noch das Half Speed Master von BiA gekommen, wäre der heutige Freitag ab sofort mein Black Friday.
LG Tobias