Hallo zusammen!
Ja, ich weiß, zum Phasemation PP-200 wurde schon einiges geschrieben. Ich mache trotzdem mal einen eigenen Thread auf, um über diesen Tonabnehmer zu berichten.
Ich hatte einige begeisterte Meinungen zum PP-200 gehört und das hat mich einfach neugierig gemacht. Bisher war für mich das EMT HSD006 am Reed 3P gesetzt während mein Schick 9,6" durch das SME Bajonett ja etwas "wechselfreundlicher" ist. Daher kam für mich die Idee auf, ich könnte für mein SPU Classic GM MKII etwas zum Wechseln gebrauchen.
Das PP-200 kommt in einer ansprechenden Aufmachung und mit einem Nadelschutz - sehr angenehm und ein Pluspunkt gegenüber dem EMT, welches "nackt" daherkommt. In der Verpackung finden sich passende Headshellschrauben und runde(!) Muttern. Eine Bürste oder ein Meßprotokoll wie bei EMT sucht man vergebens. Die blaue Farbe finde ich persönlich recht hübsch.
Der Bornadelträger ist sehr fein - daneben wirkt der Alunadelträger des EMT geradezu grobschlächtig. Ich habe das PP-200 in ein Project Signature Alu Headshell (12g) geschraubt. Dank Nadelschutz ging das problemlos und ohne Schweißausbrüche, obwohl das System keine eingeschnittenen Gewinde hat.
Bei der Montage am Schick Tonarm fiel mir auf, dass der Tonabnehmer relativ flach baut. Ich musste die VTA Einstellung am Tonarm auf dem Feickert Backbird wirklich ganz nach unten stellen, um den Tonarm exakt waagerecht ausgerichtet zu bekommen. Hier ist also Vorsicht geboten: Ich könnte mir vorstellen, dass man auf manchen Laufwerk-Tonarm Kombinationen damit ein Problem bekommen kann. Alles, was ich bisher hatte (EMT, Zyx, Lyra, SPU, Fideles) baut höher. Aufgrund der geraden Kanten ist das PP-200 sehr angenehm zu justieren.
Die Auflagekraft wird von Phasemation mit 1,7-2,0g angegeben. Ich habe einfach mal in der Mitte mit 1,85g begonnen. Nach Baerwald justiert tastet das PP-200 sehr sauber ab, auch meine schwierigsten LPs schafft es ohne hörbare Verzerrungen. Dabei sind die Rillengeräusche angenehm gering. Betrieben habe ich das PP-200 übrigens ohne Übertrager an einer Feickert Vero mit 68 Ohm Abschlussimpedanz, was sich für meine Ohren als am besten passend herausstellte.
Zum Klang:
Ich habe mir jetzt fast 2 Woche Zeit gelassen, denn ich bin kein Freund von schnellen Klangbeschreibungen aus der ersten Euphorie heraus. Der TA ist wunderbar stimmig in der Darstellung akustischer Instrumente. Bei guten Aufnahmen stellt sich rasch das Gefühl ein, es müsste genau so und nicht anders klingen. Der Raum wird tief ausgeleuchtet, die Instrumente werden sehr schön separiert. Das EMT macht im Vergleich eine weniger tiefe Bühne - es spielt mehr nach vorne. Der Bass ist wunderbar konturiert und voll ohne Überbetonung. Das EMT liefert hier noch etwas mehr - an Quantität, nicht an Qualität. Das mag an der Kombination des nicht gerade bassarmen EMTs mit dem Reed Holztonarm liegen. Bei eher dünnen 80er Jahre Produktionen gibt das EMT den entscheidenden Schuss Wärme und Punch, bei bassstarken Produktionen liefert das EMT im Reed eher zu viel des Guten. Hier ist das PP-200 näher an der Wahrheit. Das EMT ist dynamisch sehr anspringend, das Phasemation dagegen eher relaxed, aber keineswegs langweilig. Zieht man Analogien zu Lautsprechersystemen, so ist das EMT eher der Dynamiker, ähnlich wie ein Hornlautsprecher. Es knallt einem die Musik entgegen, was sehr involvierend wirken kann. Das PP-200 ist dagegen eher wie ein britischer Monitor, mit schönen Stimmen und wunderbarem Instrumentenklang, eher elegant als knallig. Ich habe mit dem PP-200 viel Kammermusik gehört und muss ganz klar sagen, dass ich es hier in der Regel dem EMT vorziehe. Auch bei großen Ensembles und Symphonik behält es gut die Übersicht. Ist es nun ein reines Klassiksystem? Nein! Gerade läuft Collin Walcott - Cloud Dance (ECM 1062). Es ist eine wahre Freude, wie Dave Hollands Bass schnalzt und Colin Walcotts feine Perkussionsarbeit an den Tablas so differenziert dargestellt wird, dass man die Finger auf den Fellen zu sehen glaubt. Jazz in kleiner Besetzung ist auch mit dem PP-200 großes Kino. Vor kurzem fragte jemand im Forum, ob das PP-200 auch für Rockhörer geeignet sei. Jürgen ( shakti) antwortete, er habe damit einen wunderbaren ProgRock Abend verbracht. Ja, auch das kann ich bestätigen. Jethro Tull, Gentle Giant, King Crimson - das alles geht mit dem PP-200 wunderbar. Auch Roger Waters mit Amused to Death macht Spass, nicht zuletzt weil das PP-200 so eine superbe Raumabbildung zaubert. Je dreckiger und rockiger die Musik wird, desto weniger kann m.E. das PP-200 seine Stärken ausspielen. Da gefällt dann plötzlich das EMT doch besser, wenn es einem die brachiale Grobdynamik entgegenbläst während es auf die feinsten Details und die exakte Raumdarstellung gar nicht mehr so ankommt. Also doch kein Tonabnehmer für den Rockhörer? Nein, das möchte ich so nicht stehen lassen. Es ist auch ein guter Allrounder und wenn man ein PP-200 als einziges System hat, dann kann man damit sicher glücklich werden. Die wahren Stärken liegen für mich aber in der Darstellung akustischer Instrumente in kleiner und mittlerer Besetzung. Alles andere kann das PP-200 auch, aber das kann es einfach herausragend gut. Meine "magischen Momente" mit diesem Tonabnehmer hatte ich bisher mit Kammermusik und ECM Jazz.
Mein Fazit: Für meinen Musikgeschmack ist das PP-200 ein herausragend gutes System. Es ist für rund €1000,- im Vergleich zu den Mitbewerbern in meinen Augen ausgesprochen preiswert und man muss kein Prophet sein, wenn man orakelt, dass es sich in 3-4 Jahren den €1500,- nähern wird. Zumindest für Liebhaber akustischer Instrumente und kleiner bis mittlerer Besetzungen fällt mir aktuell - einen einigermaßen schweren Tonarm vorausgesetzt - keine gleichwertige Alternative in dieser Preisklasse ein.
Ausblick: Manchmal kommt es anders als geplant. Ich habe eine Wechseloption am Schick für das SPU gesucht. Jetzt reizt mich der Gedanke, das PP-200 einmal am schwereren 12" Reed zu betreiben und zu schauen, was das EMT am kurzen Schick-Arm so kann. Vielleicht ist das ja eine noch glücklichere Kombination? Wenn ich Zeit hatte, das zu testen, werde ich berichten.
Viele Grüße
Sebastian