Empfehlenswerte Großspuler die umschaltbar zwischen CCIR und NAB sind?

  • @ Jürgen: vielen Dank für die technischen Zusammenhänge!


    @ all: Danke für die Infos.


    Grüße von Doc No


    P.S. @ Jürgen: Bänder sind heute gut angekommen.

    P.P.S. @ Jürgen: da ich als erstes eine komplett revidierte B77HS gekauft hatte, habe ich nun CCIR. War mir damals nicht klar, das die „langsame“ B77 NAB hat, und die „schnelle“ CCIR. Die technischen Gründe dafür hast Du ja oben gut herausgearbeitet. Um nun 1:1 kopieren zu können, bräuchte ich eigentlich eine zweite Maschine mit CCIR. Aber umschaltbar wäre natürlich noch praktischer. Daher meine Frage.




    "Das Volk hasst die Geniessenden wie ein Eunuch die Männer." Georg Büchner

  • „Es soll jeder nach seiner Façon glücklich werden“ sagte einst...welcher Fritz?

    Nicht alle auf einmal :D


    Also gut es war:  Friedrich II, der Große oder volkstümlich der "Alte" Fritz genannt, preußischer König 1712 -1786.


    Eine zweifelhafte Quelle, der "Alte" hatte so einiges auf dem Kerbholz 8o


    Mit freundlichem Gruß aus dem Freistaat in der Nordsee


    Jürgen




    "Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen"


    Theresia von Avila

  • Diese ganze CCIR Geschichte ist eigentlich nur Unvermögen und eine Verarschung des Endkunden.

    Ganz so hart würde ich es nicht ausdrücken wollen.

    NAB hebt im Unterschied zu CCIR die Tiefen zusätzlich an. Das hat vor allem historische Gründe.

    Diese Festlegung erfolgte gegen Anfang der internationalen Verbreitung der Magnettontechnik, wo wegen nicht genügender Abschirmung von Wiedergabeköpfen bzw. unvollkommener Siebung der Speisespannung von Röhrenverstärkern Brummen zu hören war (50/100 bzw. 60/120 Hz).

    Folglich griffen die NA(RT)B-Experten Anfang der 1950er Jahre zur naheliegenden Lösung, nämlich den Tiefenfrequenzgang bei Wiedergabe abzusenken und bei Aufnahme spiegelbildlich anzuheben. Das war effektiv und kostengünstig.

    So sieht der Bandflussfrequenzgang ("was auf dem Band drauf ist") bei NAB für 19 und 38 cm/s aus:

    Bandfluss nach NAB Entzerrung (50 + 3180 µs für 19 & 38 cm-s).gif

    1955 folgten die DIN-Fachgremien diesem Vorschlag für Heimgeräte, nicht aber für den Studiobereich, wo der Preis des höheren Aufwands keine so große Rolle spielte. Auch das CCIR (und später die IEC) empfahlen die Entzerrung ohne Tiefenanhebung.

    Hauptgrund für diese Entscheidung war die frühzeitige Übersteuerung des Magnetbands bei der Aufzeichnung sehr tiefer Frequenzen (<30 Hz), die zu Intermodulationseffekten führt, die als "Trillern" der höheren Frequenzen wahrgenommen werden, siehe auch https://www.pievox.de/Intermod…kte_bei_Aussteuerung.html

    Bei solchem "kritischen" Programm-Material (Beispiele: Gran Cassa, Bass Drum, 32-Fuß-Orgelregister) muss die Gesamt-Aussteuerung entsprechend reduziert werden, was den Rauschabstand im gleichen Maß verschlechtert.

    Zusammengefasst: Bei Bandgeschwindigkeiten 76 und 38 cm/s ist die Entzerrung nach CCIR (IEC 1) ohne Tiefenanhebung bei der Aufnahme durchaus sinnvoll, bei niedrigeren Geschwindigkeiten bringt die Tiefenanhebung nach NAB (IEC 2) meist keine Nachteile, da die verringerte Höhenaussteuerbarkeit des Bandmaterials ohnehin zu behutsamerer Aussteuerung nötigt.

    Alle Entzerrungsmaßnahmen sind in erster Linie von der Amplitudenstatistik des aufzuzeichnenden Programm-Materials abhängig, die naturgemäß stark variiert. Ein Sprecher klingt nun mal anders als ein Cembalo oder eine Big Band. Eine universell "richtige" Entzerrung kann es schon deswegen nicht gegeben, die historisch gewachsenen unterschiedlichen Festlegungen bilden letztlich einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Anforderungsprofilen und den physikalischen Grenzen der Magnetbandtechnik.

    Grüße, Peter

  • Hier ein Beispiel für extreme Anforderungen an die frühe Magnetbandtechnik, der letzte Satz von Respighis "Pini di Roma" (komponiert 1924) in einer Stereoaufnahme von 1953 (!) mit dem NBC Symphony Orchestra unter Arturo Toscanini:
    https://we.tl/t-p6TjJ9wsw0
    (Link bleibt eine Woche gültig)

    Da fehlt ein Doppelpunkt in der Adresse. So funktioniert es:

    https://we.tl/t-p6TjJ9wsw0

    THIS MONOPHONIC MICROGROOVE RECORDING IS PLAYABLE ON MONOPHONIC AND STEREO PHONOGRAPHS. IT CANNOT BECOME OBSOLETE. IT WILL CONTINUE TO BE A SOURCE OF OUTSTANDING SOUND REPRODUCTION, PROVIDING THE FINEST MONOPHONIC PERFORMANCE FROM ANY PHONOGRAPH.

  • und wenn ich ein Mördergeld für eine Masterband Kopie bezahlen soll, erwarte ich diese Kopie auch in 15 IPS und IECII zu bekommen.


    Jürgen

    Hallo Jürgen,


    ja, wenn ich eine Masterband-Kopie bestellen würde, würde ich das auch erwarten.


    Es ging mir aber auch eher um bereits bespielte Bänder aus anderen Quellen. Zum Beispiel die ganzen "Archiv-Bänder" auf eBay, also Offenwickel von Radiosendern etc. Die sind eigentlich immer 38cm/CCIR. Da sind durchaus interessante Sachen dabei. Leider sind aber auch da die Preise inzwischen so gestiegen, dass das Risiko, das da nichts Interessantes drauf ist, zu hoch ist.


    Jedenfalls konnte ich die 38cm/NAB auf meiner A700 fast nie nutzen und habe dann alles auf meiner A77HS mit CCIR abgespielt. Deshalb habe ich mit Hilfe von jemandem im Bandmaschinenforum die Platinen der A700 so angepasst, dass ich nun bei 38cm CCIR habe und bei 19cm NAB. Bei 9,5 ist es ja eh egal.


    Gruß

    Robert

    THIS MONOPHONIC MICROGROOVE RECORDING IS PLAYABLE ON MONOPHONIC AND STEREO PHONOGRAPHS. IT CANNOT BECOME OBSOLETE. IT WILL CONTINUE TO BE A SOURCE OF OUTSTANDING SOUND REPRODUCTION, PROVIDING THE FINEST MONOPHONIC PERFORMANCE FROM ANY PHONOGRAPH.

  • Hier ein Beispiel für extreme Anforderungen an die frühe Magnetbandtechnik, der letzte Satz von Respighis "Pini di Roma" (komponiert 1924) in einer Stereoaufnahme von 1953 (!) mit dem NBC Symphony Orchestra unter Arturo Toscanini:
    https://we.tl/t-p6TjJ9wsw0
    (Link bleibt eine Woche gültig)

    Wahnsinn, Peter, welche Dynamik!

    Optisch sieht das so aus:


    Wellenform.jpg

  • welche Dynamik!

    Und nicht zuletzt welch tonmeisterliche Kunst, das konstante crescendo und den Höllenlärm, den das Orchester zum Schluss erzeugt, dynamisch so gekonnt auf die Möglichkeiten des damaligen Bandmaterials einzuschränken, dass diese Bearbeitung sogar dem Experten kaum auffällt, der genau weiß, dass "was dran gedreht" worden sein muss.

    Hierfür gibt es relativ simple Regeln, die vor langer Zeit zum Kernbestand jeder Tonmeisterausbildung gehörten, heute jedoch mehr oder weniger vergessen oder ignoriert zu sein scheinen ...

    Grüße, Peter

    2 Mal editiert, zuletzt von Peter Ruhrberg ()

  • Man könnte es so nennen, der vorausschauende Tonmeister regelt aber nicht so zurück, wie es ein Kompressor macht ("automatischer Tonmeister" nannte das mein damaliger Mentor).

    Grüße, Peter

  • Im Bereich der Klassik ist das aber sicher ungleich schwerer.


    Irgendein schlauer und bekannter Audioengineer meinte mal, dass man Sound nicht EQ´s sondern mit den Fadern macht.


    Es ist vor allem deswegen schwerer, weil man die Partitur genau im Kopf haben muss, um vorausschauend agieren zu können. Besonders bei Liveaufführungen ist - abgesehen von der Mischung der verschiedenen Elemente - diese Gesamtdynamik entscheidend, um nicht bereits auf halber Strecke 5 dB "im Roten" zu landen.

    Dem bekannten Audio Engineer würde ich entgegnen wollen, dass Entzerrung und Lautstärkeregelung ihren berechtigten Platz bei der Arbeit haben nach dem Motto: Jedem Werkzeug seine Arbeit, und jeder Arbeit ihr Werkzeug.

    Hier eine Aufnahme desselben Satzes aus "Pini di Roma" von 1999, eine echte Herausforderung für jede Wiedergabeanlage, speziell NAB-Bandmaschinen.
    Ab 0:52 (Frequenzen um 13 Hz) übernehme ich keinerlei Verantwortung für die Tieftöner ;)
    https://we.tl/t-jDEk4IWOgv

    Grüße, Peter