Hi,
in einem Nachbarthread wurde ein Keysight (ehemals HP/Agilent) DSOX1202G 2-Kanal-Oszi mit Bode-Plot-Funktion vorgestellt.
Vielleicht könnte man in diesem Thread eine Sammlung aufmachen, welche DSO-Oszis dank besonderer Funktionen für Audio interessant sind (Audioanalyzer und Soundkarten bitte in anderen Threads diskutieren).
Dafür zunächst eine Liste an notwendigen und wünschenswerten Eigenschaften:
- Auflösung >= 8Bit - 8Bit ist quasi Standard.
Durch die Umschaltung der Eingangsempfindlichkeit und Offseteinstellung wird die vertikale ´Auflösung´ quasi skaliert.
Dadurch reichen 8Bit Auflösung für die meisten Audioanwendungen aus.
- Bandbreite >= 10MHz für rein analoge Anwendungen.
Kommen digitale Anwendungen hinzu steigen die Anforderungen schnell an, dann sind eher 100MHz+ angesagt.
- Samplerate: theoretisch minimal nach Nyquist 2 x Bandbreite x (aktive) Kanalanzahl.
Praktisch sollten es > 5 Samples bei der höchsten Frequenz sein um Aliasing sicher zu vermeiden.
Für 10MHz, 2-Kanal also >= 100MSa/s
- Speicherausstattung: grundsätzlich ist mehr vorteilhaft, weil hiervon die mögliche Aufzeichnungslänge (Samplerate/Speicher), bzw. die zeitliche Auflösung bei vorgegebener Zeitbasis abhängt.
1MB Speicher für 1GSa/s Abtastrate ergibt gerade einmal 1ms Aufzeichnungslänge.
Bei 100ms/div Zeitbasis (entsprechend 1s Anzeige bei 10 horizontalen divs des Displays) beträgt die zeitliche Auflösung dann 1µs.
Nach Nyquist (minimal 2 Samples für eine komplette Sinusschwingung) theoretisch also max. 500kHz darstellbare Bandbreite ... praktisch sind es deutlich weniger, insbesondere noch wenn mehrere Kanäle aktiv sind und sich den Speicher teilen.
Die Speichergröße ist auch entscheidend bei Zusatzfunktionen wie Segmented Memory, etc.
- Kanalzahl: >=2 - 1 Kanal ist absolutes Minimum.
Bereits eine differentielle Messung (z.B. XLR) erfordert entweder einen speziellen Tastkopf oder 2 Kanäle mit mathematischer Differenzbildung (pseudo-Differentiell).
Für Stereoanwendungen oder gleichzeitiges Verfolgen mehrerer Testpunkte in einer Schaltung sind 4 Kanäle sehr vorteilhaft.
Bei Siglent´s SDS1000X-E Reihe sind Bode-Plot-Funktion und Webserver ausschließlich bei den 4-Kanalern implementiert.
- vertikale Auflösung - je geringer der mögliche Range, desto kleinere Signale sind darstellbar.
Voraussetzung ist ein entsprechend gutes rauscharmes Frontend.
1-2mV/div sind für Benchtop Geräte mittlerweile Standard.
500µV/div aber vermehrt auch zu finden (wenngleich zumeist mit verringerter Bandbreite).
Vorsicht bei billigen chinesischen Scheckkarten-Oszis ... hier können 20mV-50mV/div der kleinste Range sein.
Zusatzausstattungen:
- isolierte Eingänge - eher bei mobilen Oszis und gehobener Preisklasse zu finden erlauben diese Eingänge Messungen quasi überall und mit unterschiedlichen gnd-Potentialen, da die Signalmasse floatend/isoliert ist.
Nichtisolierte Eingängen müssen zwingend gleiches(!) und Erdpotential haben.
- Signalgenerator - ermöglicht bei einigen Scopes die Erstellung von Bode-Plots (dessen Qualität wiederum eine Frage der Qualität der Firmware des Oszis ist).
Typischerweise sind integrierte Signalgeneratoren externen in Bezug auf Funktionalität, Bandbreite, Pegel und Genauigkeit unterlegen, dafür aber günstiger.
Für einfache Anwendungen sind sie ausreichend.
- Anschlußmöglichkeit für externe Monitore und/oder integrierter Webserver.
Bei der Informationsflut moderner DSOs sind typische 7-8Zoll Displays mittlerweile sehr klein in der Textdarstellung.
Ein größeres Monitorbild ist da sehr angenehm.
Ein integrierter Webserver erlaubt die Fernsteuerung undDatentransfer über Netzwerk/PC und ersetzt zunehmend die alte HPIB/GPIB Schnittstelle.
Teils ist eine Steuerung über USB-Bus implementiert.
- Multimeter DVM - typischerweise sehr rudimentär, elektrisch wenig robust ausgelegt und selbst billigen Handmultimetern klar unterlegen.
Ersetzen kein echtes Multimeter!
Oft sind die gewünschten Messwerte durch die mathematischen Funktionen des Oszi-Teils bereits abgedeckt und besser abgedeckt.
M.A.n ein weitgehend nutzloses aber zu bezahlendes Gimmick.
- Frequenzähler - ähnlich dem Multimeter eine Funktion, die einerseits durch mathematische Funktionen des Oszi-Teils meist bereits ausreichend abgedeckt ist und andererseits einem externen Frequenzzähler unterlegen ist.
- mathematische und Software Funktionen:
- z.B. FFT Analyse. Ermöglicht einfache Spektralanalyse bis zu (theoretisch) der halben Samplefrequenz (also deutlich mehr als die offizielle Bandbreite des Oszis).
Als Softwarefunktion steht und fällt die Nützlichkeit mit der Qualität der Programmierung und der Anzahl der FFT-Punkte.
Zur Ermittlung von Klirr aufgrund der geringen Bit-Auflösung weitgehend ungeeignet.
- z.B. Bode-Plot-Funktion - hierfür ist ein Signalgenerator erforderlich, entweder intern (z.B. beim Keysight DSOX1000er) oder extern (z.B. Siglent SDS1000X-E Reihe, 4-Kanaler).
Ermöglicht die Aufzeichnung von Amplitude und Phase über der Frequenz und damit die Ermittlung von (Verstärker)Frequenzgängen nicht nur closed-loop, sondern auch openloop.
Vorteil gegenüber spezialisierten Audioanalysatoren ist die hohe mögliche Bandbreite (>>100kHz).
Nachteil ist die deutlich geringe mögliche Dynamik.
- serielle Protokollanalyzer - für digitale Anwendungen (I2S z.B als häufiges Protokoll in DACs)
- Segmented Memory Trigger/Aufzeichnung - erlaubt sehr lange Aufzeichnungszeiträume, da nach einer Triggerung nur ein kurzes Zeitsegment gespeichert wird, der Trigger wieder scharf stellt und auf das nächste Triggerereignis wartet.
Hierfür wird der gesamte Speicher des DSO in kleine Segmente aufgeteilt.
Große Speicher erlauben größere Segmente bzw. mehr Segmente.
Anwendungsbeispiel: Identifikation einzelner oder sporadisch oder zufällig auftretender Störungen auf einer Betriebsspannung oder auf digitalen Leitungen über größere Zeiträume.
Entscheidender als die Papierform/Hardware ist aber die Firmware.
Leider kommen neu erschienene Geräte selbst von A-Brands nicht mehr ohne teils gravierende Bugs.
Dann kann man nur hoffen, daß der Hersteller schnell Updates zur Verfügung stellt.
Das Bedienkonzept ist ebenfalls im Bereich Firmware anzusiedeln.
Der teils enorme Funktionsumfang erfordert ausgefuchste Bedienkonzepte, damit die Bedienung intuitiv und schnell erfolgen kann.
Hier haben die Markenhersteller sicher noch einen Vorteil und eigenen Anspruch gegenüber billigerer Chinaware.
Wobei bedacht sein sollte, daß bei fast allen A-Brands die Einsteigerbaureihen China-OEMs sind, teils nur umgelabelt (z.B. die TD3 Reihe von Teledyne LeCroy, die von Siglent kommt).
Was die Frage aufwirft, ob und wer dann bei diesen Baureihen die notwendigen Firmwareupdates liefert?
Meine zwei Empfehlungen wären:
Siglent SDS1104X-E und Digilent Analog_Dicovery_2.
Ersteres ist ein klassisches Benchtop 100MHz DSO für ca. 500€ Endverbraucherpreis.
Ausgestattet ist es mit 4 Kanälen, rauscharmem Frontend für 500µV/div Empfindlichkeit, 8Bit vertikaler Auflösung und sehr scharf abbildendem 7" Display.
Dank zweier AD-Wandler und zweier Memory-Module verfügt es über 2x 1GB/s Samplerate und 2x 14MB Speichertiefe.
Funktional erwähnenswert sind Bode-Plot über externen Signalgenerator (besonders einfach und komfortabel mit Siglents eigenen Generatoren), 1Mpoint FFT, Segmented Memory, zahlreiche Trigger-, Mess- und Mathematik-Funktionen, sowie einen Webserver.
Als Sahnehäubchen lässt es sich einfach über Hacks kostenfrei upgraden auf 200MHz Bandbreite, MSO-Funktionalität mit 16 digitalen Inputs, weitere serielle Bus-Protokolle, etc, etc.
Die Liste an Funktionen ist enorm lang.
Die zweite Empfehlung, das Analog Discovery 2.
Das ist ein USB-Multi-Messgerät, welches insgesamt 9 Hauptfunktionen beherrscht.
Es ist mit 14Bit AD- und DA-Wandlern ausgetattet und kann:
- 2x fully-differentialinputs Oszilloskop mit 30MHz+, 100MSa/s
- 2-Kanal Arbitrary Waveform Generator, 20MHz+, 14Bit, 100MSa/s + Kofhörerverstärker
- 16-Kanal Digital Logic Analyzer, 100MSa/s, 3.3V CMOS
- 16-Kanal Digital Pattern Generator 100MSa/s, 3.3V CMOS
- Digital I/O, 16 Kanäle aufgeteilt zwischen Analyzer, Pattern Generator und diskreten I/Os
- 2x Power supply, +-5V, 50mA
- Network Analyzer, bis 10MHz und 1000 steps, Bode, Nyquist, Nichols (z.B. für Impedanzmessungen an Kondensatoren oder Tonabnehmern)
- 1-Kanal Voltmeter, 2 Kanäle AC, DC, RMS und True RMS bis +-25V
- Spectrum analyzer, power spectrum und spektrale Messung (noise floor, SFDR, SNR, THD
- Digital Bus analyzer (SPI, I²C, ART, Parallel)
Durch verschiedene Flyout-boards und Adapter kann die Anbindung an die jeweilige Messsituation angepasst werden.
Das Ganze bildet zusammen mit einem Laptop ein komplettes mobiles Meßlabor in einem geradezu winzigen Gehäuse und kostet ab 430€ Endverbraucherpreis.
jauu
Calvin