Seite A
Gettling Older
Startet mit dem Rhythmus der Keys, die bittersüße Ballade um in ein Resumé zu ziehen, das Eilish zurückblicken läßt, wie sie mit Machtmißbrauch / Stalking umgeht. Melodie und Backgroundvocals erinnern an McCartney Kompositionen.
I didn’t change my number
Geht als lockerer Groove in die für das Album wegweisende Taktung, mit Orgelsounds und schon fast aggresiven Synths die sich gegen Ende zum Höhepunkt steigern.
Billie Bossa Nova
Ist wohl mit der überraschendste und lockerste Einstieg in einen Song, der auch hier wieder von dem durchgehenden Beat des Bass angetrieben wird. Der Song ist formidabel gesungen, sehr relaxed und spätestens hier wird man hellhörig, was sich im Hintergrund an Vocals und Sounds so tummelt. Sehr transparent, aber warm produziert.
My Future
Inzwischen hinlänglich bekannt, funktioniert auf dieser ersten Seite die Single als Abschluss der ersten LP Seite mit seinem entspannten Funkgroove, passt perfekt zu seinen ryhtmisch aufbauenden drei Vorgängertiteln und man steht eh‘ schon vor den Lautsprechern und kann gleich mal die Seite wechseln.
Seite B
Oxytocin
Ein mittelschneller Backbeat und elektronische kleine Stakkati leiten den fiebrigen elektronischen Tanz ein.
Goldwing
Beginnt mit einem Vocalintro aus der Klassik (Holst), das dann als Loop in den nächsten pumpenden Beat mündet und Billie erst nur den Text spricht (beim ersten Hören dachte ich die ziehen das bis zum Ende durch) und dann in einen Ohrwurm-Refrain wechselt, der leider zu schnell am Ende abbricht, um in das ebenfalls groovende
Lost Cause
zu wechseln. Ein fast swingender vom Bass getriebener Soul, fast minimalistisch arrangiert. Hier kommen dann die vorzüglich produzierten Backingvocals in den Mix und heben die Stimmung zu einem Gruppenerlebnis.
Halleys Comet
Steigt mit dem Piano ein und und senkt den Blutdruck wieder nach unten, bendet gegen Ende die Pianoballade um die abschließende Strophe in einen auf Vintage gebügelten sepiafarbenen Spieluhrenwalzer. Billie sitzt in dem Zimmer ihres Bruder und sinniert darüber, was sie trotz Insomnia tut und wie gerne sie es tut.
Seite C
Not My Responsibility
Schon zum Tourstart in 2020 der Spoken Word Track, der die ständige Bewertung ihres Äußeren hinterfragt. Zu dem triphop hypnotischen Sound mit Metronom im Hintergrund, brummelt ein fast durchgehender Basston, begleitet von einem flangermäßigem auf und abschweifenden Effekt, der mit mehr oder weniger Vibrato mir ein unterbewußtes Unwohlsein erzeugt.
Overheated
Beginnt mit mehren Drumkicks, die einen schnellen Puls simulieren/stimulieren und startet erneut mit demselben Flangereffekt aus dem Vortrack der über fast den gesamten Titel dieselbe Stimmung erzeugt, aber nun Eilish über “I’m overheated, can’t be defeated, can’t be deleted, can’t be repeated, I’m overheated” singt und rapped.
Everybody Dies
Hier sinniert Billie über das Lebensende und croont über “Everybody dies, that’s what they say, and maybe in a couple hundred years, they find another way“ um zum Schluß fest zustellen, dass es ok ist zu weinen, hauptsache man ist nicht alleine. Dieser Track passt produktionstechnisch zu den Vorgängern, mit seinem Orgelsound, dem leicht pumpenden Bass, den vorsichtig eingestreuten Synthiesounds im Mittelteil, um wieder das Ende wie den Beginn ausklingen zu lassen.
Your Power
Über das man sich schon vorab gefragt hat, wo es nun im Album auftauscht, markiert es für mich den Höhepunkt der 3. Seite. Es beginnt als Gitarrenballade, die leicht wabernden Backingbeats wiederholen den immer wiederkehrende rhythmischen Fluß der dritten Seite. Auch das Sequencing der LP Seiten ist sehr gut abgestimmt. Ob bewußt, lass ich mal dahingestellt.
Seite D
NDA
Der flirrende Einstieg erinnert an durchdrehende Reifen, der pumpende Beat führt über die getunten Vocals zu einem Refrain im 80s-Elektro-Pop, der sich auch auf dem Soundtrack von “Drive” gut gemacht hätte. Und die Transition des Beats direkt in
Therefore I Am
man muß die Tanzfläche nicht verlassen, die zweitälteste Veröffentlichung könnte man musikalisch als einen Rückblick auf das Debut sehen, was vor allem am Refrain liegt. Nichtsdestotrotz passt der Titel mit seinen etlichen getunten Vocals perfekt als Zwilling zu NDA. Ein sehr guter Übergangsstomper von alter Produktion in neue Produktion blickend.
Happier Than Ever
Wird von vielen Höhrern bereits als Höhepunkt bezeichnet und dem schließe ich mich an. Einige YouTube-Interpreten haben sich bereits umfänglich an dem ersten Teil des damaligen Songsnippets versucht, ohne zu ahnen, wie der Titel nach dem Einstieg ala 50-Jahre-Gitarrenballade, weitergeht. Ein subtiler Wechsel der Harmonien auf der Akustischen leiten den verzerrten Kracher ein, als ob man den Gain-Regler des Verstärkers auf die 10 dreht und spätestens seit dem tollen Video kann man sich die durchnäßte Billie immer “you make me hate this city” schreiend auf dem Dach des absaufenden Hauses vorstellen.
Male Fantasy
Passt auf das Album die Folkballade mit dem positiven Vibe und höherem Gesang? Ich finde ja, er entlässt mich mit einem warmen Gefühl am Ende und beschließt dieses Album mit den Zeilen “I can’t get over you, no matter what to do, I know I should, but I could never hate you”.
Wo das Debut noch mit Soundeffekten aus der Horrorfilmschule versehen war, die Songstruktur oft durchbrochen wurde um kurze Spannungspausen zu bilden, kann man jetzt im Vergleich sagen, dass „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ fast durchwegs das extrovertierte Album von Billie Eilish ist. Die Verarbeitung der eigenen Träume, aber auch das lustvolle spielen mit den Rollen, in die sie schlüpft. Die Spritzen, die körperliche Peinigung, der Auftritt als Racheengel. Auch die Texte waren entsprechend offensiv.
„Happier Than Ever“ dagegen, sehe ich als das introvertierte Album, das mehr ihre Erfahrungen der letzten Jahre verarbeitet. Die Texte eher nach innen gerichtet, analytisch und sehr beziehungsbezogen sind. Die Musik ist auf „Happier than ever“ deutlich zurückhaltender produziert, aber nicht weniger detailreich, im Gegenteil. Die Songs selbst laufen rhythmisch eher durch, oder schwellen in ihrer Lautstärke an und ab. Unterbrechungen oder Dynamiksprünge gibt es nur selten. Auch der kompositorische Stil, wie schon angesprochen von alten Croonern der 50s inspiriert, zieht sich wie ein roter Faden durch das Album. Ds wurde ja schon in „My Future“ angedeutet. Der Sound des Albums ist sehr warm und geht mir, selbst wenn ich die Anlage richtig laut aufdrehe, nie auf den Wecker.
Das Sequencing ist hervorragend. Die Abfolge „Not My Responcibilty“ auf „Overheated“ natürlich ein Muß, genauso die tolle Überleitung von „NDA“ auf „Therefore I Am“. Erst in dem Albenkontext fiel mir ein, dass „NDA“ sehr gut auf den „Drive“ Soundtrack gepasst hätte.
Die letzte LP Seite führt mit den Stompern NDA/Therefore zu dem Höhepunkt, dem Titelstück.
Der Sound ist hervorragend (wie schon beim Debut), meine cremefarbene Doppel-LP ist gut gepresst, ich höre keine Nebengeräusche. Die Hülle ist glänzend, 2 Innenhüllen sind mit Großaufnahmen bedruckt, die Texte innerhalb des Foldoutcovers gedruckt.