Zugegeben: dieses Album ist mir eigentlich zu persönlich und begleitet mich zu lange, als dass ich über die musikalische Seite möglichst sachlich und objektiv schreiben könnte. Vielleicht nur so viel: Für mich persönlich ist dies das beste Album von Cocteau Twins, danach ging ich für das (inzwischen) Trio mit jedem weiteren Album (Ausnahme: Victorialand) immer weiter verloren. Meine steile These obendrauf: Ohne "Garlands" hätte es kein Portishead, kein Massive Attack, kurz: kein Trip-Hop gegeben.
Nun habe ich doch über das Inhaltliche geschrieben. Gelobe keine Besserung.
Jetzt zu der eigentlichen LP, die mir – nach langer Suche – im „Offline“-Laden namens Studio 1 in der Lübecker Großen Burgstraße in die Hände fiel. Das auch noch ausgerechnet an meinem Geburtstag. Da glaube einer noch an Zufälle.
Es ist offensichtlich nicht die Erstausgabe, leider. Dennoch eine der ersten deutschen Ausgaben von 1982, mit dem berühmten, schlecht fotokopierten Schwarzweiß-Plattenlabel. Mit diesem zeitgemäßen, zeitlosen simplen Trick im Cover-Foto, von dem ich mich mehrmals selbst habe zu solchen Fotoexperimenten verleiten lassen.
Meine erste LP hatte ich kurzerhand verschenkt, nachdem die erste Ausgabe auf CD kam. Getreu dem Motto: ich hab ja jetzt die so moderne CD. Das muss um 1990 gewesen sein. Was ich später feststellte: Diese CD klang nie auch nur annähernd nach dem LP-Original. Alles war irgendwie da: der Drumcomputer, die Gitarre, die Basslinie, die Frau Frazer. Aber: es ging die ganze Magie flöten, die ganze Stimmung weg. Ich weiß nicht, woran das lag, aber es lag. Das wirbelte keinen Staub mehr, das klang nur nach typisch schwachbrüstigem 1980er Digital Mastering (was "Garlands" nie war) und hörte sich nach x-beliebigem Elektro-Pop an. Da helfen auch die Bonus-Tracks von Peel & Co. am Ende nichts.
Vor ein paar Jahren hatte ich noch eine Neuausgabe auf CD gekauft: ohne die Bonus-Tracks, von Original-Tapes produziert. Die klingt schon sehr, sehr viel besser. Als LP selbst bekam „Garlands“ meines Wissens bis heute (September 2021) keine Neuauflage – anders als die meisten Alben von Cocteau Twins. [Ich korrigiere mich: offensichtlich gab es 2009 eine 180g Reedition, die mir entgangen und inzwischen wieder nicht mehr lieferbar ist.]
Nun aber: daheim angekommen, das alte neue Vinyl unterm Arm, hieß es: rauf auf den Teller. Hatte ich die Höreindrücke von damals etwa mit der Zeit verklärt? Idealisiert wie die Jugendzeit?
Die Nadel des Adikt setzte auf, ich mich hin – und… Mit der ersten Note des Bass-Riffs von Robin Guthrie, im Gleichschritt mit dem leicht angezerrten Schlag des Roland 808 Drumcomputers, sprang die Zeitmaschine an. Als wäre ich wieder in meiner alten Studentenbude, mit meiner Freundin, als wir uns fragten, von welchem Planeten diese Musik eigentlich kommt. Die Stimme von Liz Frazer steht wie damals als Lichtstrahl im rauen, dunklen Raum, in dem die Gitarrensaiten hörbar Staub aufwirbeln. Fast spürte ich den Geruch der heiß gewordenen Transistoren der antiken Schlagzeugmaschine. Die Basslinie steht erstaunlich fest inmitten dieses minimalistisch geordneten Chaos – trotz des Nebels aus wahlweise Chorus oder Flanger. Die zeittypischen Reverb- und Delay-Fähnchen entfalten sich auf einmal geradezu sinnig hörbar.
Irgendwann holte mich das Knacksen am Ende der A-Seite wieder in die Gegenwart. Hätte ich mir bloß einen vernünftigen Plattenspieler gekauft – nicht diesen doofen Majik LP12, der noch nicht mal eine Endabschaltung hat. Geschenkt. Umdrehen. Seite B. Die Zeitmaschine wartete schon.
Kurz darauf, da war ich immer noch verzaubert, kam meine damalige Freundin, mit der ich inzwischen längst verheiratet bin, nach Hause – und wir lauschten wieder dem gemeinsam, was uns vor so langer Zeit schon faszinierte. Geburtstagsparty? Macht man in meinem Alter eh nicht mehr.
Ja, ich bin älter geworden, meine HiFi-Ausrüstung übertrifft meine kühnsten Träume von damals – die Musik bleibt. Die im Zeitalter der 180g Vinyls geradezu papierdünn anmutende LP von 1982 mit dem SW-Label klingt heute noch – unwahrscheinlich gut.