Die alternative TAS-Liste

  • Erstmal vielen Dank für die Blumen!


    @RS1500, zur Schubert-Aufnahme der Auryns: Ich habe mir die Platte jetzt noch einmal angehört und kann, glaube ich, nachvollziehen, was Du mit „gedeckelt“ meinst: Im Hochtonbereich – das betrifft hier naturgemäß vor allem die erste Violine – gibt es nicht nur eine gewisse dynamische Zurückhaltung, es fehlt auch etwas Glanz und Oberton.


    Ich bin mir in diesem Fall allerdings nicht sicher, ob dies ein Makel ist und nicht vielmehr einer der Gründe, weswegen ich die Aufnahme besonders schätze. Denn erstens führt die Zurückhaltung „oben rum“ zu einer starken Präsenz der Mittelstimmen und der beiden Celli. Und das kommt diesem Stück ziemlich entgegen. Der starke Grundton ist von Schubert fraglos so gewollt – so weit ich weiß, ist es das einzige Quintett mit zwei Celli (Mozart u.a. haben immer mit zwei Bratschen und einem Cello instrumentiert). Und zweitens mag die Zurückhaltung im Diskant auch mit dem Quartettklang der Auryns zu tun haben: Es gibt Ensemble mit starker (dynamischer, klangfarblicher) Dominanz der ersten Geige und es gibt Quartette, die eher auf Ausgewogenheit und Mischklang setzen. Das führt dann auch zu stärkerer Zurückhaltung und weniger Glanz der ersten Geige.


    Dennoch: Da du die Aufnahme kritisch findest, sie damit nicht unumstritten ist, sollte sie auch nicht in der „alternativen TAS-Liste“ erscheinen.

    Gruß,
    Volker

  • @Volker


    Es liegt wohl eher am Equipment (Röhren-Kette bei der Aufzeichnung / Mischung). Ich habe von den selben Musikern sehr hochwertige digitale Aufzeichnungen gehört, welche offen klingen.


    Vielleicht hatte die "Braun-Buch-V7xx-Technologie inclusive Telefunken Dopplestock-M5 doch schnell ihre Grenzen im Obertonbereich?


    Ich würde gern mehr Erfahrungen über diese Art von Vergleichen sammeln (was Tacet ja macht mit zwei parallelen Aufnahmeketten analog und digital), was mir bis jetzt leider nicht gelungen ist. Vielleicht meldet sich hier ja mal jemand mit mehr Erfahrung auf diesem Gebiet ....


    Gruß
    Reimund


  • Hallo Volker,


    ganze Platte nochmal gehört und dann dazu Stellung genommen - das nenne ich Einsatz. Respekt!


    Du beschreibst das, was ich ein wenig salopp mit "gedeckelt" benannte, sehr treffend.


    Ich bin aber nicht der Meinung, daß die Aufnahme deswegen nicht lobend erwähnt werden sollte. Die sonstigen, von Dir ganz richtig hervorgehobenen positiven Eigenschaften der Aufnahme überwiegen nämlich den Eindruck einer gewissen Höhendämpfung ganz eindeutig. Es ist eine gute Aufnahme, wenn auch mit Abstrichen - und bei denen bleibt (bis zu einer Stellungnahme des Herrn Spreer) offen, ob es tatsächlich Mängel oder Ergebnis künstlerischen Ausdruckswillens sind.


    Nur mehr davon, denn Kammermusik ist hier unterrepräsentiert!


    Gruß
    Gerd

  • Hallo Volker, Gerd u.a.


    auch auf die Gefahr hin, das ich mich hier sehr unbeliebt mache: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, das gerade weil verschiedene Hörer Aufnahmen unterschiedlich bewerten eine Liste wo jeder die Platten die er gut findet eintragen kann wenig sinnvoll ist?


    Ich möchte erstmal wissen, welchen Zweck solch eine Liste haben sollte?
    Vor allem auch auf dem Hintergrund der Frage, was denn "guter Klang" überhaupt ist, woran soll das festgemacht werden, kann es darüber überhaupt einen Konsens geben? Hier im Forum wird ja nichtmal über den Sinn des Musikhörens an sich und des analogen Musikhörens schon gar nicht diskutiert, obwohl grade das die absolute Basis wäre, um darauf aufbauend dann über Hifi und Tonträger zu reden, eine Liste mit guten Platten käme meiner Ansicht nach als letztes.


    Eine Liste mit Platten wäre meines Erachtens grade dann sinnvoll, wenn diese eine gewisse Hilfe böte, was denn auf einer Platte zu hören wäre. Konkret stelle ich mir das so vor: Eine Platte wird von Hörern, die mit möglichst völlig verschiedenen hochwertigen Anlagen hören so "beschrieben" oder "bewertet", das sich daraus eine allgemeine Beschreibung ihres Klanges ableiten läßt, z.B.
    -Gesangssolistin wirkt übernatürlich groß/normalgroß/zu klein und steht links am Lautsprecher festgeklebt/frei vorne/frei nach hinten versetzt etc.
    -Der Raum ist unendlich groß/Kirchenartig/Studio etc.
    Das böte zumindest in Ansätzen die Möglichkeit, anhand einer so beschriebenen Aufnahme seine eigene Anlage zu "testen", um so bessere Entscheidungen hinsichtlich des Bedarfs von Veränderungen der Anlage zu fällen oder neue Komponenten zu "bewerten".


    Aber auch das kann schnell mehr vom Musikhören ablenken, als das es nütz, weshalb ich kein Freund irgendwelcher Listen bin.


    Gruß


    Ingo


  • Die eingangs genannte Gefahr sehe ich nicht, Ingo. ;)


    Ich bin im Gegensatz zu Dir aber vom Nutzwert solcher Listen sehr wohl überzeugt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der jeweilige Tipgeber nachvollziehbar beschreibt, weshalb er die jeweilige Platte für klanglich vorzugswürdig hält. Mit simplen Bewertungen wie "klingt gut" oder "rockt richtig" o.ä. ist natürlich nichts anzufangen.


    Daß es bei dem Ganzen letztlich um Musikhören geht, liegt in der Natur der Sache, und über den Sinn dieses Tuns zu schreiben erscheint mir daher an dieser Stelle überflüssig. Wenn und soweit die jeweilige Klang- und Musikbeschreibung hinreichend plastisch ist, dann erhält der Leser auch eine Vorstellung davon, was er erwarten kann.


    Du hast, soweit es DGG-Platten anbetrifft, in einem früheren Posting Dinge angesprochen, die mich Dein Klangideal weniger im dynamischen Bereich als vielmehr in der Darstellung natürlicher Klangfarben angesiedelt vermuten lassen. Ich möchte u.a. deshalb hier einmal eine DGG-Platte vorstellen, die nach meiner Meinung beides in sich vereinigt - zu meiner eigenen Überraschung:


    George Russo: Street Music / George Gershwin: An American in Paris DGG 2530 788
    mit Corky Siegel/Seiji Ozawa/San Francisco Orchestra


    Die Empfehlung bezieht sich ausschließlich auf die Aufnahme des Russo-Konzerts auf Seite 1, denn die Gershwin - Aufnahme fällt dagegen deutlich ab.


    Es handelt sich um Musik des 20. Jahrhunderts, die vom Komponisten zutreffend als "Blues-Konzert" bezeichnet wird. In der Tat wird dort eine Synthese zwischen Blues mit Jazz-Einflüssen und klassischer Musik versucht, die auch den Klassik-Abstinenzler nicht überfordert, andererseits aber nicht ständig ins Unverbinbdliche absinkt.


    Als Soloinstrumente werden Klavier und Mundharmonika benutzt, wobei namentlich letztere recht weit vor das Orchester gezogen wird und die gesamte Breite des Stereospektrums einnimmt. In dieser Aufblähung des Instruments sehe ich den einzigen Nachteil der Aufnahme.
    In dynamischer Hinsicht ist diese Platte allen anderen DGG's die ich kenne, überlegen. Die Basswiedergabe ist fulminant, ohne dabei an Durchzeichnung zu verlieren, und der Farbenreichtum des Orchesterklangs ist geradezu leuchtend, ohne jemals unnatürlich oder geschönt zu wirken. Die Dynamik ist frappierend.


    Die Musik erinnert bisweilen an die Aaron Coplands. Ich würde sie -ohne abwerten zu wollen- als "Easy-Listening-Klassik" bezeichnen.


    Gruß
    Gerd

  • Zitat

    Original von RS1500
    Ich würde sie -ohne abwerten zu wollen- als "Easy-Listening-Klassik" bezeichnen.


    Hi,
    oder Blues goes Klassik (Classic) :)).
    Uwe