Wie bei vielen anderen Usern, haben sich bei mir in den letzten Jahren einige Materialreste angesammelt, und so dachte ich mir, aus den vorhandenen Teilen versuche ich mal ein kleinen Single Ended Triode ( SET ) Verstärker herzustellen.
Ein kleinerer Netz-Trafo mit 2 x 300V / 120mA CT, 2 x 3,15V / 1A CT und 1x 6,3V / 3A soll als Basis für das Netzteil und Heizungen dienen. 2x TAD KT88 STR matched als Endröhren und als Treiber eine 6N1 Doppel-Triode aus China sorgen für das notwendige "Keep it Simple" SET-Konzept. Lade-Elkos, Gleichrichter und sonstige Kleinteile sind auch alle vorhanden, dazu noch ein halbfertiges Stahlchassis um die Komponenten unterzubringen und nach ein paar Dimensionierungsansätzen stand die Schaltung fest.
"Passende" Ausgangsübertrager ( AÜ ) habe ich auch noch, doch ich dachte mir, dieser kleiner Verstärker kann auch als Anschaungsobjekt dienen, um Usern mit weniger technischen Background, die Problematik, Auswahlkriterien und das Sagenumwobene rund um diese Komponente näher zu bringen.
Meine Dimensionierung ergab eine Röhrenendstufe die ca. 4 Watt Leistung bereit stellt und das bei einer Anodenlast ( Ra ) von 3,5kOhm und wie gesagt, ich hätte bei mir noch einige vorhanden. Allerdings, zum Teil für dieses Projekt überdimensioniert oder einfach zu teuer.
So kam es dass ich für mich entschieden habe, ein Lastenkatalog zu erstellen, der die technischen Mindesanforderungen für die gegebene Dimensionierung beschreibt und diese Ziele habe ich wie folgt definiert:
Frequenzgang -3dB ( F3 ) bei 1 Watt : 20Hz - 20kHz ( HiFi )
Frequenzgang Musik relevant -0,5dB 1 Watt : 30Hz - 15kHz
Beurteilung bei 30Hz, 60Hz und 120Hz 1 Watt, 2 Watt und Maximalleistung
Die unterschiedlichen Kriterien werden evaluiert und folgendermaßen eingeordnet:
+ Übererfüllt
0 Erfüllt
- Nicht Erfüllt
Ich halte nichts von einordnungen mit Noten von 1 bis 10, da so eine Beurteilung sehr aufwendig wird und denke, je einfacher eine Beurteilung ist, je schneller kommt man zu einer Wahl. Obige Ziele kann man mit einen Lauftraining über 10km vergleichen. Man setzt sich ein Ziel in welcher Zeit man es schaffen möchte. Ist man langsamer hat man es nicht erfüllt, erreicht man die gesetzte Zeit, hat man das Ziel erfüllt, ist man schneller hat man sein Ziel übererfüllt. That's it !!!
Nichst desto trotz habe ich auch eine subjektive Beurteilung ins Spiel gebracht, denn gerade wenn es um Röhren geht, spielt auch das Gehörte eine durchaus wichtige Rolle und sollte das Bild vom Technischen ergänzen.
Um das Ganze noch spannend zu machen, habe ich mir ein paar "Low Cost" AÜs bestellt, die auf dem Papier, die Anforderungen erfüllen sollten...
Besagte "Low Cost" AÜs waren schnell geordert und 2 Tage später hatte ich die niedlichen AÜs basierend auf ein EI66 Kern geliefert bekommen.
Wie bitte ??? EI66 Kern, dass kann nichts werden... Doch, doch, der Hersteller spezifieziert sie mit 10 Watt und nur 4 Watt sind die Anforderung. Das passt doch !!!
Ich sehe Arkadi nahe an einen Herzinfarkt, denn da gehen schon die Probleme mit den Spezifikationen los. Es gibt eigentlich keine Standards bei technischen Angaben von AÜs, es scheint viel mehr, dass jeder Hersteller sich in das bestmögliche Licht rücken möchte und das fängt an den Leistungsangaben an.
Prinzipiell sind die spezifizierten 10 Watt durchaus realistisch, allerdings als Netztrafo eingesetzt, was nicht die Augabe eines AÜs ist, der im Gegensatz zu einen Trafo nicht für eine Frequenz optimiert wird ( die Netzfrequenz ), sondern breitbandig wie von mir gefordert mindestens von 30Hz - 15kHz ( wenn man das musikalisch relevante hevorhebt ) arbeiten muss.
Die nächste Hürde, so gut wie kein Hersteller veröffentlicht Frequenzgänge, und wenn darüber etwas gesagt wird dann sind es wage Angaben wie Frequenzgang von 25 - 25kHz. Wie bitte ? Bei welchen Pegel ? Welche Leistung ? usw, usw.
Man sieht also, es ist irgendwie eine Art Lotterie. Was man bekommt schon kann passen, aber kann auch daneben liegen.
Daher habe ich mein Lastenkatalog erstellt und möchte anhand einiger Beispiele zeigen, auf was man stoßen kann, aber auch, dass es durchaus überaschend ausgehen kann.
Eines meiner ersten Kriterien ist der Frequenzgang, wie gezeigt einmal der F3 ( -3dB ) und einmal der Musik relevante Part, denn wenn man es genauer betrachtet, ist es zwar schön wenn man breitbandige AÜs hat, aber in wie fern das entscheidend für das Musikhören ist, ist eine ganz andere Sache.
Bei der Messung des Frequenzgangs habe ich mich entschieden dies bei einer Leistung von 1 Watt durchzuführen. Das habe ich so gewählt, damit man unterschiedliche AÜs unter gleichen Bedingung vergleichen kann. Ein weiterer Vorteil wäre, dass man unterschiedliche Röhren heranziehen kann um auch diese gegenüber zu stellen. Dazu sollte wie üblich auch der Arbeitspunkt- ( BIAS ) oder Anodenstrom fliessen, da dies den Frequenzgang beeinflussen kann. In meinen Fall liegt der Anodenstrom ( Ia ) im Bereich von ca. 60mA.
Alle Messungen habe ich auf 1kHz kalbriert, sprich es ist der Referenzpegel für Frequenzgang und Leistung.
Ich fange mal mit den EI66 Winzling an und dies wäre der Frequenzgang bei 1 Watt Leistung.
SETKT88 EI66x25 FG Ground i.jpg
Ich war überascht wie breitbandig und linear sich dieser "Low Cost" AÜ gibt und prinzipiell gibt es da nichts zu beanstanden.
Nach meinen Lastenkatalog sieht das wie folgt aus:
F3 Frequenzgang: 17Hz bis 68kHz = Übererfüllt ( + )
Musik FG -0,5dB: 47Hz = Nicht erfüllt ( - ) bis 25kHz = Übererfüllt ( + )
Im Großen und Ganzen schlägt sich dieser "Low Cost" AÜ bezüglich Frequenzgang sehr gut und insbesondere gefällt mir das Roll Off Verhalten bei hohen Frequenzen sehr gut. Es gibt keine nennenswerte Resonanzen nur eine ganz kleine Unregelmäßigkeit bei ca. 80kHz in Form von einen leichten FG-Einbruch. Spielt für mich keine Rolle...
10 Watt Leistung sind für diesen EI66 AÜ spezifiziert. Wie gesagt, dass wäre als Netz-Trafoeinsatz durchaus realistisch, aber das Problem bei AÜs ist die Leistungsübertragung bei niedrigen Frequenzen unterhalb von ca. 100Hz.
Deswegen gehe ich diesen Bereich mit drei Messungen durch und das bei jeweils drei Frequenzen, nämlich 120Hz, 60Hz und 30Hz. Ich erspare mir Frequnzen unterhalb von 30Hz, weil sie aus meiner Sicht so gut wie musikalisch nicht relevant sind.
Dieser EI66 AÜ sieht nach meinen Kriterien wie folgt aus:
120Hz, 1 Watt = erfüllt
120Hz, 2 Watt = erfüllt
120Hz, 2 Watt = erfüllt
60Hz, 1 Watt = erfüllt
60Hz, 2 Watt = erfüllt
60Hz, 4 Watt = erfüllt
30Hz, 1 Watt = erfüllt
30Hz, 2 Watt = erfüllt
30Hz, 4 Watt = nicht erfüllt
SETKT88 EI66x25 025Hz 4W i.jpg
Deutlich zu sehen ist, dass bei 25Hz aber auch 30Hz, der kleine AÜ die Angaben nicht erreicht und weit weg von den 10 Watt sind.
Diese Verhalten ist AÜ, aber auch Röhren abhängig, und zeigt die "Wahrheit", zu niedrigen Frequenzen lässt die mögliche Leistungsausbeute nach. Genauer genommen wäre dies eher ein 2 Watt AÜ als ein 10 Watt AÜ. Die Diskrepanz rührt daher, dass die Leistungsangaben üblicherweise bei 1 kHz angegeben werden.
Als Vergleich habe ich einen AÜ eines renommierten Herstellers aus Deutschland herangezogen, basierend auf einen M102a Kern, den der Hersteller mit 18Watt angibt.
Nach den gleichen Messkriterien wie in den vorangegangenen AÜ sieht der Frequenzgang des M102a wiefolgt aus.
SETKT88 M102a35 FG ground i.jpg
Aus der Messung sind folgende Eckdaten ermittelt worden:
F3 Frequenzgang: 8Hz bis 45kHz = Übererfüllt ( + )
Musik FG -0,5dB: 18Hz = übererfüllt ( + ) bis 18kHz = Übererfüllt ( + )
Bei AÜs gilt Ähnliches wie bei Verbrennermotoren, wo gesagt wird "Nichts geht über Hubraum", was übertragen auf AÜs heißen würde, "Nichts geht über Eisenmasse", sprich Gewicht.
Das ist insbesondere im Bassbereich bei Frequenzen unterhalb von 100Hz deutlich zu sehen. Der Frequnzgang fällt im Pegel zu niedrigen Frequenzen wesentlich geringer ab und reicht sogar im -3dB Punkt eine Oktave tiefer aus.
Nicht optimal, aber eher auf dem Papier gesehen, sieht das Roll Off Verhalten dieses AÜs oberhalb von 25kHz aus. Es sind bei 25kHz und 60kHz deutliche Frequenzgangeinbrüche oder Resonanzen zu erkennen. Das ist zwar nicht sehr optimal, allerdings sind es keine Peaks oder Spitzen, die störender wären.
Nach dem Motto "Nichts geht über Eisenmasse" zeigt sich auch die Leistungsasubeute des M120a AÜ.
120Hz, 1 Watt = erfüllt
120Hz, 2 Watt = erfüllt
120Hz, 2 Watt = erfüllt
60Hz, 1 Watt = erfüllt
60Hz, 2 Watt = erfüllt
60Hz, 4 Watt = erfüllt
30Hz, 1 Watt = erfüllt
30Hz, 2 Watt = erfüllt
30Hz, 4 Watt = erfüllt
SETKT88 M102a35 030Hz 4W i.jpg
30Hz bei 4 Watt Leistung, kein Problem für den M102a AÜ wie man an den Sinussignal sehen kann.
Wie man sehen kann, hat wie erwartet der "Winzling" Probleme die geforderte Leistung im Bassbereich < 100Hz zu erfüllen. Das ist nicht überaschend, da wie gesagt, Eisen- bzw. Kernmasse relevant für dies ist. Problematisch ist das Hersteller üblicherweise dazu keine oder nur wage Aussagen dazu publizieren. Nichts desto trotz, eine Annäherung wie die Leistungsausbeute ausfällt kann man durchaus berechnen und zwar aus Leistungsangaben von Trafos und den dazugehörigen Eisenkernen.
"Rule of Thumb" ist ca. 1/8 der Angegeben Leistung als Trafo
Beispiel: Ein EI66 Kern würde als Trafo eine Leistung von ca. 20VA ( 20 Watt ) haben. 20VA / 8 = 2,5VA ( Watt )
Das zeigt sich recht schön an meinen Messungen
Zusammnedfassend muss man sagen, müsste ich ein AÜ nehmen, der alle Anforderungen erfüllt oder übererfüllt und somit wäre der "Low Cost" EI66 draußen, aber ...