Überholung einer AVM Evolution V1 Vorstufe

  • In diesem Thread möchte ich kurz ein paar Infos zur Überholung der AVM Evolution V1 Vorstufe geben. Der Thread setzt etwas Löt- und Schrauberfahrung voraus, ich halte die Beschreibungen eher kurz und zeige nur die notwendigen Infos zum nachmachen. Es geht teilweise etwas ins Detail der Technik anhand von Messungen und Datenblättern, von subjektiven Höreindrücken wie das andere OP Amps aber besser klingen bitte ich Abstand zu nehmen :saint:


    Zur Vorgeschichte, ich habe meine AVM V1 Anfang der Neunziger neu gekauft. Zu dem Zeitpunkt war es aus meiner Wahrnehmung die Vorstufe mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis, ausreichend Eingängen und einem recht sauberen und reduzierten Aufbau mit den richtigen Komponenten. Zu Anfang wurde sie bei mir noch mit zwei Denon POA 4400 und Dreiwege Selbstbauboxen von Teufel (als Teufel noch richtig grosse und gute Bausätze bis zum Eckhorn verkauft haben) betrieben. Ab Ende der Neunziger hat sie mich dann mit verschiedenen Genelecs bis heute begleitet. Aktuell ist sie mit einem 1210MK3D, Ortofon VM Red und VM Silver im Einsatz. Nach der langen Betriebszeit ist eine Überholung dann doch mal angeraten, los gehts...


    analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/264566/


    Der Aufbau der V1 ist sehr übersichtlich und hat nur die notwendigen Komponenten im Audiopfad. Die Meßdaten waren damals schon recht erfreulich, und sind heute immer noch sehr brauchbar. Der nachgemessene Hochpegel Frequenzgang zwischen 20 Hz und 20 Khz ist schnurgerade, lediglich von 60 nach 20 Hz fällt er um ca 0.1dB minimal ab.

    Die Störabstände gibt der Hersteller mit 104 dbA an, nach den eigenen Messungen sind sie eher etwas besser.

    Die MM und die MC Eingangsstufen sind klassisch aufgebaut, mit sehr guten Störabstandswerten für die Vinylwiedergabe. Die RIAA Entzerrung hat dankenswerter Weise die IEC Erweiterung nicht implementiert, und überrascht durch eine ausgezeichnete Adaption der RIAA Kennlinie.

    In meiner V1 sind für die Hochpegelpfade OP27 (Buffer) und OP37 (Gain) verbaut worden, für den MM Pfad OP37 und für den MC Pfad LT1028. Der Kopfhörerausgang ist mit einem TL082C bestückt. Der Line Ausgang und der Kopfhörer Ausgang haben jeweils eine BD139/BD140 Treiberstufe hinter den OP Amps. Dazu später noch ein paar Details.



    analog-forum.de/wbboard/cms/index.php?attachment/264567/


    Wer für seine Analogkette einen (Vintage) Vorverstärker sucht, der eine absolut linearen verfärbungsfreien Wiedergabe der Eingangssignale bei gleichzeitig sehr guten Störabständen und Dynamikwerten liefert, landet bei den aktuellen Gebrauchtpreisen bei €300-€400 ein echtes Schnäppchen, das auch als MM Phonovorstufe ein wirklich gutes Bild abliefert.

    Durch den rein analogen Aufbau ohne digitale Schaltkreise (Steuerung, Display) gibt es auch keine komplexen Störquellen im Gerät, die man aufwendig gegenüber dem Analogteil isolieren müsste.

  • Als erstes kommen die Elektrolyt Kondensatoren dran, die nach der langen Betriebszeit als erstes in Rente dürfen.


    Die V1 hat sechs Elkos im Netzteilbereich, zwei in der Einschaltverzögerung und Versorgungskontrolle, vier im RIAA Entzerrer, zwei als Stützkondensatoren für die Gain Op Amps und zwei als Entkopplung zum Kopfhörerausgang.


    Eine gute Wahl da immer noch gut verfügbar und bezahlbar bei langer Lebensdauer ist die Panasonic FC Low ESR Serie, die gibt es z.b. bei Reichelt. Die EInkaufsliste:


    4x Panasonic RAD FC 4.700/25

    4x Panasonic RAD FC 1.000/25

    1x Panasonic RAD FC 470/25

    2x Panasonic RAD FC 100/25

    5x Panasonic RAD FC 10/50


    Bei der Gelegenheit sollte auch gleich der Entstörkondensator erneuert werden:


    1x WIMA MP30-Y 2N2 250V


    Da für den Wechsel der Elkos alle Platinen rausmüssen, sollten unbedingt auch gleich die OP Amps gesockelt werden, z.b mit Reichelt "GS 8P" Sockeln. Das zerstörungsfreie Auslöten der OP Amps erfolgt am besten mit einem DIL Entlötstempel.



    Position der Elkos auf den drei Platinen, Blick von oben in das Gehäuse:


    Kondensatoren.png


    Hauptplatine mit den ausgetauschten Netzteil Kondensatoren und den gesockelten OP Amps:


    Mainboard.jpg

  • Als nächstes schauen wir uns die Kondensatoren der RIAA Filterstufe an.


    Für den MM Eingang übernimmt ein OP37 als RIAA Entzerrung und Gain Stufe den Eingang, und für den MC Eingang ist ein LT1028 als Vorverstärkung vor dem OP37 über die DIP Schalter auf der Geräterückseite zuschaltbar.


    Die RIAA Entzerrung im V1 ist als "Series Feedback" Schaltung aufgebaut, die gegenüber anderen Schaltungen den Vorteil hat, wesentlich geräuschärmer zu sein.

    Durch die passende Werkszusammenstellung der Kondensatorwerte für das RIAA Netzwerk ist die berechnete Entzerrkurve fast perfekt. Von 100 Hz runter nach 20 Hz gibt es eine Anhebung von gerade mal 1,1 dB (grüne Linie), das dürfte im nicht wahrnehmbaren Bereich liegen (zumal 20Hz eh nicht im hörbaren Frequenzbereich liegt):


    RIAA Plot.png


    Das AVM V1 Datenblatt erwähnt einen fest eingebauten Subsonic Filter für den Phonoeingang. Tatsächlich gibt es hier nur einen relativ flachen Hochpassfilter nach der RIAA Entzerrung, das Signal vor dem Hochpass ist oben im Plot in blau zu sehen.


    Um Einfluss einer Alterung und Varianz der ab Werk verbauten WIMA Filmkondensatoren zu vermeiden und die RIAA Kurve maximal gleich zwischen den Stereo Kanälen zu halten, tauschen wir die verbauten Kondensatoren gegen neue Präzisionskondensatoren von Vishay Röderstein und FSCEX aus. Die Einkaufsliste:


    2x Vishay 47nF MKP1837347161 1% 160V

    2x Vishay 10nF MKP1837310161 1% 160V

    2x LCR FSCEX 3300PF 1% 160V


    Die Stecker/RIAA Platine bekommt man ausgebaut, in dem man die Verbindung zwischen den Cinch Stecker Mittelpin und dem Verbindungsdraht auf der Platine mittels Entlötpumpe löst (siehe Photo weiter unten). Die Einbausituation:


    RIAA Kondensatoren.png


    RIAA Platine vor und nach dem Umbau:


    RIAA Caps .jpg

  • Jetzt geht es mit den OP Amps weiter. Die V1 Vorstufe setzt ausschliesslich bipolare OP Amps ein (bis auf den TLC082 der bei meinem V1 im Kopfhörerpfad verbaut war).


    Die Hochpegel Kanalzüge haben am Eingang einen Analog Devices OP27 als Buffer, danach kommt ein OP37 als Verstärkungsstufe die in eine Class A Stufe (BC139/BC140) geht.


    Der MM Phonoeingang hat als RIAA Entzerrer und Verstärkung einen OP37 verbaut, der dann in den OP27 des Hochpegel Kanalzugs geht. Schaltet man den V1 auf MC Eingang um, dann geht das MC Signal in einen Linear LT1028 für die erste Verstärkung, der dann in den OP37 des MM Kanalzugs geht. (Siehe auch Flussdiagram im ersten Post).


    OP Amps.jpg


    Die OP Amp Auswahl war Stand der Technik als die Vorstufe entwickelt wurde, allerdings haben die OP27/OP37 und LT1028 OP Amps eine spezielle Funktion für niedrigen Input Bias (Bias Current Cancellation), die sie bei Audioanwendungen mehr Störgeräusche erzeugen lässt als man nach dem Datenblatt vermuten würde. Nach Self und van de Gevel sind die Audio Messwerte in der Praxis dadurch schlechter als beim Standard NE5534.


    Für einen Austausch der verbauten OP Amps gegen besser geeignete OP Amps für Audio Anwendungen habe ich mir zwei Varianten rausgesucht:


    Als erstes eine Vintage Bestückung, auf Basis des NE5532/NE5534. Wie Self schon schrieb, "there is probably no music on the planet that has not passed through a hundred or more 5532s on its way to the consumer".

    Den NE5534 gibt es mittlerweile als Low Noise Version mit der Bezeichnung NE5534AP. In der DIP Version kann dieser direkt gegen den OP27 und OP28 ausgetauscht werden. Bei dem V1 Platinenlayout besteht keine Gefahr das er ins Schwingen gerät, die höhere Stromaufnahme von 10mA statt 3mA ist auch kein Problem. Die Einkaufsliste:


    10x TI NE5534AP (Ersatz OP27/OP37/LM1038)

    1x TI NE5532AP (Ersatz TL082, Kopfhörerverstärker)



    Als Alternative eine moderne Bestückung auf dem Stand der Technik, bester Geräuschspannungsabstand/niedrigste Verzerrungen. Hier wird es etwas schwieriger mit den modernen OP Amps, da die V1 Platine dafür nicht ausgelegt ist.

    Bei den bipolaren OP Amps wäre zum Beispiel der TI LM49710/LM49720 (LM4562 Nachfolger) interessant, da er aus dem TI High Fidelity/High Performance kommt, bezahlbar ist und von den Rahmenparametern und dem DIP Gehäuse gut im V1 laufen würde. Leider hat TI nie die Maskenprobleme in den Griff bekommen, daher wird zb der LM49710 seit ein paar Jahren nicht mehr produziert und beim LM49720 ist es etwas mit Glück verbunden, einen guten aus der Produktion zu bekommen. Ich hatte noch ein paar gute LM49720, und hab davon aktuell einen für den Kopfhörerpfad eingebaut.


    Ein weiterer spannender OP Amp ist der TI OPA1611 aus dem Burr Brown ( Sound Plus High Performance Programm, der von den Daten sehr vielversprechend aussieht, aber nicht so anspruchsvoll ist daß man ihn in einem alten Design nicht in den Griff bekommt. TI verspricht per Datenblatt einen CMMR Wert von 130 db (!) und einen THD+N von 0.000015%, die Slew Rate ist mit 27V/us mehr als ausreichend. Der Preis liegt aktuell bei €6,80 pro Stück. Einziges Problem, es gibt ihn nicht als DIP Gehäuse.

    Da der OPA1611 als modernes Design stabile Rails/Buffer und etwas Kompensation damit er nicht schwingt, verwende ich ihn auf einer kleinen selbstgebauten Adapterplatine, die sich direkt in die DIP Sockel steckenlässt.


    Die Einkaufsliste:


    10x TI OPA1611AID (Ersatz OP27/OP37/LM1038)

    1x TI LM49720 (Ersatz TL082, Kopfhörerverstärker)


    Für das Adapterboard:

    10x Adapterplatine (Gerber Daten unten als Download)

    20x Murata GRM21B5C1H223JA01L (22pf 0802 C0G Kondensator oder vergleichbar)

    20x Kemet T491B106K025AT (10uF Tantal Kondensator oder vergleichbar)

    20x 2,54 mm 4x Rasterstifte beidseitig


    Adapterboard.jpg


    Die Gerberdaten der Platine für den Nachbau:

    avmdipso2.zip


    Welchen der Optionen man wählt ist mehr oder weniger Geschmackssache, die NE5532/5534 Vintag Option hat etwas mehr Rauschen (aber weniger als der OP27/OP37 Setup), ist aber der Klassiker im Signalpfad, der sich zudem direkt als DIP austauschen lässt. Die OPA1611 ist die moderne Version mit minimal machbaren Rauschen/Verzerrungen in der gegebenen Schaltung, aber höheren Aufwand durch die notwendige Adapterplatine.


    P.s zum Thema warmlaufen lassen... da die OP Amps recht schnell auf Betriebstemperatur durch ihren relativ hohen Stromverbrauch kommen, und die Class A Stufen zusätzlich den Innenraum sehr gut beheizen, sind die Kompenten mit der Wärmebildkamera nachgemessen innerhalb von 5-10 Minuten auf Betriebstemperatur. Da ändert sich dann nichts mehr, selbst wenn man den Preamp schon 30-60 Minuten vor dem Musikgenuss einschaltet.

  • Fast vergessen, bei Verwendung des SMD Adapters für den OPA1611 auf den AVM V1 Platinen von der Unterseite DIP Pin 5 mit Masse verbinden.


    Damit ist die Überholung des AVM Evolution V1 fertig, und es geht mit ein paar Modifikationen weiter...

  • Die am der AVM V1 angeschlossenen Genelecs verwende ich auch in einem Surround Setup zusammen mit einem Center Speaker. Dafür hat die V1 eine weitere Platine bekommen, die im ausgeschalteten Zustand der V1 die Eingangssignale des Surround Prozessors über zwei Relais direkt an die beiden Genelecs rausführt.


    AVR Passthrough.jpg

  • Super, vielen Dank. Sehr schön und verständlich dokumentiert. :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    Zuerst dachte ich, Du beschreibst meine, dann habe ich aber doch gemerkt, dass es die nicht ist. Ich habe das Vorgängermodell, AVM Vorstufe. Irgend wann gehe ich meine auch mal an. Liegt seit 20 Jahren in der Originalschachtel und wartet ;)


    PS: Die Links am Anfang gehen ins leere (zumindest bei mir).

  • Hallo burr,

    hast dir die drei OP-Bestückungen auch in einem Hörtest verglichen?


    Hast du nach dem Austausch der Kondensatoren Unterschiede hören können?

    Entspanntes Hören, Frank


    ] Vorhandensein von Musik - Zuhandensein von Klang [

  • Die OP Amps hab ich nicht im Hörtest verglichen, die sind auf Messgrenze linear und im Dynamikbereich eh besser als alles was da vorne und hinten angeschlossen wird. Da hörst Du keine Unterschiede bis auf bei gut aufgedrehtem Amp mehr Rauschen beim NE5534. Welches aber immer noch weit unter einer Vinyl Leerrille liegt.


    Kondensatoren waren noch erstaunlich gut in meiner V1, ich konnte minimalen Brumm auf den Rails vor dem Austausch messen, mit den frischen Caps quasi nicht mehr.

  • Ein Problem, was nicht beachtet wurde ist, das die Spannungsregler ohne die erforderlichen 100nF Kondensatoren von AVM verbaut wurden. Die würde ich sofort nachrüsten, wenn nicht schon an der Unterseite geschehen.

    VG

    jokeramik

  • Hatte mich auch gewundert, dass das Datenblatt Pärchen 0.33/0.1 fehlt. Aber da schwingt laut Messung nichts und die Transienten sehen gut aus. Schadet aber auch nicht die nachzurüsten, und die sind in einer Minute von oben als bedrahtet oder 0805 an die Beinchen vom LM7xxx angelötet (vorher ins Datenblatt schauen, LM78 und LM79 haben unterschiedliche Pinouts).

  • Eine weitere Modifikation, die V1 ist bei mir hauptsächlich Phono MM Vorstufe für die Genelecs zum Vinyl hören, daneben hängt auch noch ein Streaming Player für Tidal mit dran.


    Da ich gerne mal zwischen den Ortofon VM Red/Silber und einem Shure V15 wechsel und auch gerne andere MM Tonabnehmer ausprobiere, ist die Werksoption die Kapazität hinten an den Cinch Buchsen anzupassen etwas hakelig. Um das für MM Tonabnehmeranpassung etwas einfacher zu gestalten habe ich einen Stufenschalter nachgerüstet, mit dem ich die Eingangskapazität während des Hörens einfach vorne ändern kann.


    Capacity.jpg


    Die Eingangskapazität der MM Vorstufe ist etwa 50pf, durch den Stufenschalter kann ich auf 100/150/20/250/300pf wechseln, durch das Phonokabel kommen noch etwa 50-100pf dazu. Die Kapazitäten sind durch die Kombinationen von WIMA 50 und 100pf Kondensatoren realisiert.


    Bei der Gelegenheit habe ich die MM/MC Umschaltung auf der Rückseite auf Relais umgestellt, und von vorne umschaltbar gemacht.

  • Und die aktuell letzte Modifikation. Da die Frontplatte mit der goldenen Beschriftung und Knöpfen der AVM V1 von der Gestaltung nicht mehr so ganz passt und ein paar zusätzliche Bedienelemente dazu gekommen sind, wurde eine neue Frontplatte konstruiert und produziert.


    panel.jpg


    Netzschalter und Kapazität sind Elma K1 Shape, Drehregler sind Elma K1 Medic.


    Konstruktionsdatei für Fertigung bei Schaeffer, kann mit der kostenlosen FrontDesign Software geöffnet und angepasst werden:

    Evolution_V1_1.fpd.zip