Tonabnehmer-Systeme von Supex sind auf dem Gebrauchtmarkt schwer zu finden. Um so grausamer ist es, ein Supex 900 Super zu rasieren und die Nadel ersetzen zu müssen. Zum Glück haben wir gute „Retipper“ beziehungsweise Nadeldoktoren in Deutschland. Einer ist Werner Ulber (das Analog-Magazin berichtete). Um eine Reparatur made by Ulber geht es heute.
Es gibt mehrere Möglichkeiten für die Wiederherstellung eines Tonabnehmers. Eine ist, dicht am Original zu bleiben. Auf Wunsch kann bei fast jedem Retipper wieder ein entsprechender Schliff eingesetzt werden. Die andere Variante ist, den Tonabnehmer mit besserem Material auszustatten. Manchmal geht das in die Hose, weil typische Eigenschaften des TA verlorengehen. Ein Denon 103 mit Shibataschliff trifft nicht jedermanns Geschmack.
Einige werden beim Gedanken, andere Materialien einzusetzen, die Nase rümpfen und sagen: „nee, das ist ja dann nicht mehr original, will ich nicht, find’ ich doof.“ Ja, da ist etwas dran. Das ist ungefähr so, als ob ich in einen Original VW Pirelli GTI einen VR6 Motor reinpacke. Aber: Ich behalte die alte Optik, habe aber bessere Performance.
Was zeigt uns die Erfahrung? Dann und wann funktioniert ein Upgrade bei Tonabnehmern klanglich. Das A&R P77 mit Boron und SAS macht einen deutlichen Sprung nach vorne. Das Shure V15 III mit MR Schliff in der Basie Variante spielt ebenfalls in einer besseren Liga. Wenn dann der Retipper noch Erfahrungswerte zu dem Modell hat und ein Upgrade empfiehlt, ist das Wagnis imho überschaubar. Werner Ulber baute schon mehrere Supex erfolgreich um. Die Resonanz war stets gut. Ich selber besaß mehrere Supex in Serienausstattung. Die genetischen Grundlagen der Supex 900 sind hervorragend. Ich finde es spannend, mal etwas Neues zu probieren. So kommt es, dass jetzt ein getuntes Supex hier läuft. Dabei ist nicht so viel geändert. Denn das Gummi wird von Ulber Audio geprüft. Wird die vorherige Compliance noch erreicht oder nur geringfügig durch Alterung unterschritten, lässt Ulber das ursprüngliche Gummi lieber drin. Ganz einfach, weil es nicht nötig ist, es herauszunehmen und gegen ein neues Gummi mit eventuell abweichender Shore Härte zu tauschen. Ersetzt wird der Nadelträger. Der ist nun aus Bor. Die Nadel hat einen Microridge Schliff - gemacht von Namiki. Der SRA ändert sich auf 23° statt vorher 20°. Das System sieht für sein Alter immer noch fantastisch aus. Ein Blick auf den Bor-Nadelträger und ich fange an zu sabbern. Das sieht auch perfekt eingesetzt aus. Schnurgerade.
Es wird Zeit, es anzuhören.
Ich baue das Supex zum Test in diverse Headshells ein. Von der eher lang gehaltenen Bauart her mag das Supex 900 lieber lange Headshells und weiche Kabel. Auf ein kurzes Audio Technica LH mit störrischen Kabeln will es nur ungern. Auf Yamamoto HS 1A lief es sehr gut, zuletzt blieb es zum dauerhaften Hören auf einem Magnesium Headshell von Audio Technica mit knapp über 10 Gramm. Die Kabelstecker müssen für die dünnen Anschlussstifte etwas verjüngt werden und es ist wenig Platz für die vier Anschlussstecker. Schnell berühren sie sich, da ist eine End-Kontrolle gut, bevor es mit Musik losgeht. Sonst hört man ggf. unfreiwillig Mono.
Es hat am Acoustic Signature Thunder und am Final Tool Platz genommen, mal am Fidelity Research FR54, dann am Analogschmiede-Tonarm(da mit Schmiedeheadshell) und auch am FR-64 FX, der Low-Mass Variante des FR64S. Verstärkt habe ich mal mit Ampearl RE1030 und 1:20 Übertrager von Tribute und auch die Monk Phono im MC Betrieb durfte mal ran.
Was kommt aus dem Supex mit Bor und MR Schliff heraus?
Das letzte Tool Album in der etwas günstigeren goldgelben 3LP-Version legt gleich den Maßstab.
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Das ist ein Brett. Die Gitarrenriffs sind finster, saftig und schwer. Die Schlagzeug-Einlagen sind fast bedrohlich. Das ist dem erstaunlich guten Bass und dem zupackenden Charakter zuzuschreiben. MMs wie P77, VM 760 SLC und V15 Basie kommen da nicht ran. Mein OC9XEN hat dieselbe Wucht, löst aber bei weitem nicht so gut auf. Mein EMT spielt dagegen ebenso wuchtig. Die Mitten sind immer noch Supex-typisch sehr prägnant. Oben herum frischt es mit MR Schliff auf und klingt wie ein modernes MC. Tendenziell bleibt es klanglich warm, wie eine wohltuende warme Decke, auch wenn sich bei diesem Wetter gerade nicht die passenden Assoziationen einstellen werden. Der nächste Winter kommt, Jungs. Gassparen kann einfach sein. Ein warmklingendes Supex mit Röhrenphono und schon wird es kuschelig.
Sade glänzt auf der LP Stronger Than Pride mit dem Supex mit glasklaren und sehr kontrollierten S-Tönen und null Problemen mit Sibilanten. Die Platte klingt klar, verzerrungsfrei mit kräftig Brustton und nicht zu frisch im Hochtonbereich. Daher geht es auch lauter.
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Ich drehe kräftig auf und die Synthiebässe in „Turn My Back On You“ schlagen erbarmungslos zu. Wozu hat man 38er Bässe? Genau, um sie tanzen zu lassen. Mit dem Supex tanzen die Membrane Rumba statt langsamem Walzer. Das drückt mächtig ins Gesicht und ich denke, da wird wenig dran vorbeiziehen. Der Bass nimmt, wenn man ihn sich eher bildlich vorstellt, runde Formen an, kantig und staubtrocken liefern andere MCs. Ich mag eher drückenden, warmen Bass. Die letzte Kontrolle und die Tendenz zum drögen Sound brauche ich nicht.
Das Album Caverna Magica von Vollenweider zeigt, dass das ulberisierte Supex auch Details kann.
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Spannend wie die künstlich erzeugten Tropfen mir auf den Langflor Teppich im Hörraum platschen, als ob ich einen Steinboden hätte. Das Wasser sollte eigentlich lautlos im Teppich verschwinden, doch die sehr prägnante plastische Darstellung irritiert das Gehirn. Die Räumlichkeit künstlich oder nicht ist wirklich sehr gut. Das Intro mit dem Gang durch die Höhle wird tief und breit ausgeleuchtet. Den Schritten und Stimmen ist stets exakt zu folgen.
Mit "The Jack" von on AC/DC von einer original Alberts Pressung ziehe ich den Schlussstrich und gebe es mir nochmal richtig. Hier zerfällt Bon Scotts traumhaftes Organ in feine Details. Es groovt und rockt, dass es eine wahre Pracht ist. Das Solo von Angus schwingt sich wie üblich zum Schluss in die oberen Oktaven. Mein Ohr wird trotz hoher Lautstärke geschont. Der Sound bleibt weichzeichnend und warm, ohne die Spannung zu verlieren.
Fazit: Werner, du alter Schlawiner. Da hast du wieder den Balkon weggerissen. Glückwunsch, wieder eine tolle Arbeit. Das Supex darf weiterleben, wieder eines vor dem Untergang gerettet.