Was ist bei DGG passiert um 1970?

  • Hallo Plattenfreunde,


    wen ich hier im Norden von den Niederlanden auf Flohmarkte usw. eine Tulpenrand DGG sehe greife ich immer zu. Z.b. Tschaikowsky/Nussknacker DGG 136029 SLPEM für ganze 0,90 euro! Putzen mit Quality Service Vinyl Cleaner, in eine Nagaoka 102 Hülle stecken und auf geht´s. Unglaübliche Raümlichkeit und Dynamik lassen die Knackser vergessen :D
    Warum sind die 70er DGG´s oft so enttaüschend? Was ist da passiert? Epidemie unter den Tontechniker? Es tut mir leid aber für 70er Klassik bevorzüge ich eine gute Holländische Philips. 8)


    Grüsse aus Holland, Freek.

  • In der 70er Jahren wurden bei der DG für die Orchesteraufnahmen viele Einzelmikrofone benutzt, die dann an der Konsole zusammengemischt wurden. Dabei leidet die Homogenität und Räumlichkeit der Aufnahme.

    Claude


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    Scheu Premier MkIII + SME309/Benz Ace L + Scheu Classic 12"/Denon DL103R


    Electrocompaniet ECP-1, Electrocompaniet EC4.7+AW120, Dynaudio Contour s3.4, AKG K1000+Audio Valve RKV

  • Wer es genauer wissen möchte, dem kann ich das sehr interessante Buch empfehlen:


    Bettina Greve
    Sternenhimmel
    Polydor - Die Chronik einer deutschen Schallplattenmarke
    Hannibal-Verlag


    Man glaubt gar nicht, wie viele Labels zum PolyGram-Konzern gehören (z.B. Motown). Da hat(te) übrignes auch Siemens seine Finger drin.


    Gruß
    asdic

  • Hallo Miles,


    die Verwendung von zahlreichen Stützmikrofonen war gerade bei der DGG auch in den 60ern schon durchaus üblich, wo andere Firmen z.B. wie Decca bewußt eine Wenigmikrofonstrategie bevorzugt haben. Ich kann Dir bei Interesse ein paar Aufnahmen raussuchen wo dies auch von in Aufnahmetechnik unerfahrenen Hörern sofort nachvollziehbar ist (was mir dazu spontan einfällt ist die DGG-Aufnahme von Webers "Der Freischütz" unter E. Jochum, man höre mal die komplette Wolfsschluchtszene).


    Im übrigen ist die Grundannahme, die Verwendung von vielen Mikrofonen würde zwangsläufig "Homogenität und Räumlichkeit" leiden lassen, absoluter Unsinn. Bei großen Klangkörpern ermöglicht die Verwendung zahlreicher Stützmikrofone erst eine sinnvolle Räumlichkeit und Durchhörbarkeit der Aufnahme, sofern sie richtig zusammengemischt werden. Von den Anfangstagen der Stereophonie abgesehen ist die Verwendung von vielen Mikrofonen absolut gängige Praxis und auch richtig und notwendig.


    Mit der Grundaussage dieses Threads tue ich mich ein bißchen schwer: Weder kann ich ausgerechnet beim Jahr 1970 einen besonderen Bruch in der Qualität der DGG-Aufnahmen feststellen noch generell eine wirklich einheitliche Klangphilosophie (wie sie z.B. bei den frühen Deccas oder EMIs zumindest erahnbar ist) - die mir bekannten DGG-Aufnahmen aus allen Epochen sind denkbar heterogen und unterschiedlich gestaltet, ein Pauschalurteil verbietet sich (einiges ist sicher gestalterisch fragwürdig wie die Beethoven-Sinfonien unter Karajan aus den frühen 80ern).


    Gruß, M.

  • Zitat


    Bei großen Klangkörpern ermöglicht die Verwendung zahlreicher Stützmikrofone erst eine sinnvolle Räumlichkeit und Durchhörbarkeit der Aufnahme, sofern sie richtig zusammengemischt werden.


    Diese Aussage wird durch Wiederholung auch nicht richtiger. Hör Dir doch mal ein paar frühe Orchesteraufnahmen von Mercury oder RCA an, die mit nur 2 oder 3 Mikrofonen entstanden sind. Räumlichkeit und Durchhörbarkeit sind da absolut beispielhaft.

  • Ich habe heute eine CD-Lieferung von Zweitausendeins bekommen, darunter auch diese Box zum unschlagbaren Preis:


    Verschiedene Interpreten "ONE POINT RECORDING"
    High end reference sound. Recordings by single stereo-pair microphone technique. Werke von Vivaldi, Haydn, Schubert, Tschaikowsky & Schostakowitsch. Valery Afanassiew/Klavier, Solisti Italiani, Orchestre De Chambre De Lausanne, Radio Sinfonie Orchester Frankfurt, Wiener Sinfoniker/Milan Turkovic, Jesus Lopez-Cobos, Eliahu Inbal. DDD. Denon. 1994. 5 CDs 4.99 EUR. Nr. 56828


    Unglaublich wir gut diese Orchesteraufnahmen mit nur einem Mikrofon-Paar klingen. Da fragt es sich wieso Stützmikrofone notwendig sind.

    Claude


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  • Zitat

    Da fragt es sich wieso Stützmikrofone notwendig sind.


    Ganz einfach: Weil es einfacher (und je nach Location auch weniger zeitaufwendig) ist, am Mischpult alles nach Gusto nachzuregeln als die optimale Position für ein Stereo-Mikrofon zu finden. Wenn allerdings noch Solo-Gesang und Chor dazukommt, also z.B. bei Opernaufnahmen, wird's aus praktischen Gründen wirklich sehr schwierig mit minimalem Mikrofon-Setup, da muss man Malte schon recht geben.

  • Zitat

    Original von Malte
    Mit der Grundaussage dieses Threads tue ich mich ein bißchen schwer: Weder kann ich ausgerechnet beim Jahr 1970 einen besonderen Bruch in der Qualität der DGG-Aufnahmen feststellen noch generell eine wirklich einheitliche Klangphilosophie (wie sie z.B. bei den frühen Deccas oder EMIs zumindest erahnbar ist) - die mir bekannten DGG-Aufnahmen aus allen Epochen sind denkbar heterogen und unterschiedlich gestaltet, ein Pauschalurteil verbietet sich (einiges ist sicher gestalterisch fragwürdig wie die Beethoven-Sinfonien unter Karajan aus den frühen 80ern).


    Im Vergleich zu Decca- oder Philips-Aufnahmen aus den 70ern und frühen 80ern kann ich schon bei DG eine gewisse Tendenz erkennen. Wegen dem Multi-Miking erklingen die Streicher häufig extrem direkt, fast wie bei einer Kammerochesteraufnahme. Einzelne Instrumente springen einem fast ins Gesicht..


    EMI-Aufnahmen mit dem London Symphony in den Abbey Road Studios klingen allerdings auch so, extrem trocken ohne natürlichen Hall. Ich mag lieber einen etwas entfernteren Klang, auch wenn er dann nicht so einfach durchhörbar ist. Manche DG-Aufnahmen klingen so als ob man mit einem akustischen Opernglas ins Orchester schauen würde

    Claude


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  • Hallo,


    bei der DGG ist meines Erachtens zumindest bei Aufnahmen der 60er Jahre der Stil der einzelnen Tonmeister gut nachvollziehbar, nicht zuletzt deshalb, weil diese auch namentlich genannt auf dem Cover stehen. Wer natürlich nur die weit verbreiteten Aufnahmen (mit Herrn von K.) angesammelt hat, für den klingen natürlich alle gleich, da sie von Günther Hermanns stammen, der wohl die meisten der auch häufig verkauften Aufnahmen der 60iger aufgenommen hat.
    Die Heterogenität der verschiedenen Aufnahmestile der DG der 60er Jahre wird vor allem auch an den Aufnahmen der Archivproduktion deutlich, die teilweise sehr viel "natürlicher" (bewußt in Anführungszeichen, da nicht definiert und subjektiv) klingen.
    Persönlich habe ich auch den Eindruck, das viele DG-Aufnahmen der 70er zu klangüberladen sind, die Musiker alle direkt vor mir auf einem Haufen sitzen. Das gilt natürlich nicht für alle Aufnahmen, aus den 70ern besitze ich auch nicht so viele wie aus den 60igern. Mahlersymphonien mit Abbado sind m.E. eine klangliche Katastrophe, die 5. mit Karajan ist eben zu überladen...., andererseits ist z.B. "Catulli Camina" mit Jochum aus den frühen 70ern eine der besten Aufnahmen der DG die ich kenne....


    Ich denke wer da welche Art wie aufzunehmen beim Hören bevorzugt, das hat auch viel mit persönlichem Geschmack zu tun. Ich persönlich höre auch lieber Aufnahmen, die eher in die Frühzeit der Stereophonie fallen und empfinde diese als "natürlicher"(s.o.)


    Gruß


    Ingo

  • Hallo Markus und Miles,


    besonders gutes Beispiel hast Du da gewählt - gerade in punkto Durchhörbarkeit gehören Mercury Living Stereo und Konsorten nun wirklich zum schlechtesten, was es so gegeben hat. Auch die Denon One Points sind größtenteils aus musikalisch-gestalterischer Sicht völlig daneben (habe gerade wieder für teures Geld eine Aufnahme aus Japan importiert und mich passabel geärgert) - es ist einfach eine Illusion zu glauben, ein Mikrofonpaar könne einen großen Klangkörper wie ein Sinfonieorchester unter Berücksichtigung insbesondere der Lautstärkeverhältnisse zwischen den einzelnen Instrumenten und der gesamten Räumlichkeit adäquat abbilden - es geht einfach nicht.


    Insofern, lieber Markus, hat die Verwendung von Multimikrofonie nichts damit zu tun, daß man für ein Stereomikrofon "keinen optimalen Platz findet" - einen solchen gibt es bei großen Klangkörpern einfach nicht. 2-Mikrofon-Aufnahmen erlauben keinen guten Kompromiß aus Durchhörbarkeit, Abbildung der Lautstärkeverhältnisse und Räumlichkeit.


    Übrigens, Miles, daß die Streicher besonders "nah" erscheinen, ist keinesfalls eine typische Eigenart von Multimikrofonierten Aufnahmen, ganz im Gegenteil - gerade bei Aufnahmen mit wenigen Mikrofonen gibt es zwangsläufig immer Instrumente, die deutlich näher am Hauptmikrofon dran sind als andere, und die deshalb besonders "nah" und "Fokussiert" erscheinen - auf vielen Deccas der 60er Jahre hört man z.B. immer das erste Pult Celli und Bässe im rechten Kanal ganz nah auf ihren Saiten rumkratzen. Erst die Multimikrofonie ermöglicht eine sinnvolle Staffelung von "nah" und "weit" der Instrumentengruppen, wobei einige Aufnahmen, gerade der 70er, es zugegenermaßen mit einem "flachen Raumeindruck" und dem Gefühl von Nähe etwas übertrieben haben (exemplarisch nenne ich mal den Mahler-Sinfonien-Zyklus von Bernstein/DGG).


    Natürlich hat Aufnahmegestaltung auch etwas mit persönlichem Geschmack zu tun - ich z.B. ziehe eine etwas unräumliche, aber gut durchhörbare und mit sinnvollen Lautstärkeverhältnissen ausgestattete Aufnahme einer Mahler-Sinfonie jederzeit einer in Hallsoße ertrinkenden "audiophilen" Aufnahme vor. Aber 1. geht es doch letztendlich um die Musik und Aufnahmetechniken oder -gestaltungen, die mir als Hörer einen Großteil des musikalischen Geschehens vorenthalten oder verbiegen, kann ich nicht akzeptieren und 2. halten sich gerade bzgl. 2- und Multimikrofonie extrem viele Vorurteile.


    Gruß, M.

  • Zitat

    besonders gutes Beispiel hast Du da gewählt - gerade in punkto Durchhörbarkeit gehören Mercury Living Stereo und Konsorten nun wirklich zum schlechtesten, was es so gegeben hat.


    Dann haben wir wohl eine unterschiedliche Auffassung von Durchhörbarkeit. Ist mir völlig schleierhaft, wie Du z.B. in Bezug auf die Dorati-Aufnahmen auf Mercury einen solchen Kommentar abgeben kannst. Nachdem ich jedoch inzwischen Deine bevorzugten Abhörlautsprecher kennengelernt habe (falls es noch die gleichen sind wie vor 2 Monaten), wundert mich eigentlich gar nichts mehr.


    Gruß,
    Markus

  • Zitat

    " Aber 1. geht es doch letztendlich um die Musik und Aufnahmetechniken oder -gestaltungen, die mir als Hörer einen Großteil des musikalischen Geschehens vorenthalten oder verbiegen, kann ich nicht akzeptieren


    Den Großteil der Information enthalten Dir wohl Deine Boxen vor, würde ich mal sagen. :D Mir ist auch keine "audiophile" Aufnahme bekannt, die in "Hallsoße" ertrinkt - diese Soße ist allgemein als Rauminformation bekannt. Dass auf schlechten Anlagen mangels Auflösungsvermögen eher mittelmäßige Aufnahmen am besten rüberkommen, die auf guten Anlagen dann total künstlich wirken, ist mir wiederum aus persönlicher Erfahrung bekannt, wenn ich so 20 Jahre und mehr zurückdenke. Damals hielt ich auch mal "moderne" Digitalaufnahmen für das Nonplusultra - groteske Fehleinschätzung, wie sich dann später herausstellte.

  • Hallo Markus
    [/QUOTE]


    Dann haben wir wohl eine unterschiedliche Auffassung von Durchhörbarkeit. Ist mir völlig schleierhaft, wie Du z.B. in Bezug auf die Dorati-Aufnahmen auf Mercury einen solchen Kommentar abgeben kannst.
    [/QUOTE]
    Das kann ich auch beim besten Willen nicht nachvollziehen. Der "Nußknacker" mit Dorati als Mercury-Original (SR2-9013) , Ravel mit Paray oder ganz besonders z.B. der "Firebird" mit Dorati als Classicrecords- Nachpressung sind phantastisch durchhörbare Aufnahmen.
    Ebenso die RCA- Schallplatten: Original RCA`s mit Reiner wie "Bilder einer Ausstellung" , Debussy "Iberia" , Bartok "Concerto for orchestra" oder Respighi "Pines of Rome, Fountains of Rome". Was es da zu bemängeln geben soll, kann ich nicht verstehen. Die deutschen RCA-CD` s derselben Aufnahmen fallen aber deutlich ab. Das sind einfach schlechte Überspielungen. Wie es besser geht, zeigen die XRCD-Überspielungen aus Japan.
    Auch höre man sich nur Mahlers Fünfte oder Sechste Symphonie mit Solti (Decca SET Mahler Solti 1-15) an. Die Aufnahmequalität ist exemplarisch gut (wobei mir Barbirollis Interpretation auf EMi mehr zusagt).
    Oder die Streichersonaten von Rossini mit Marriner auf Argo: neben der phantastischen Interpretation auch ein solcher Klang.
    Nebenbei: Auch das Label Philips verfügt über eine Vielzahl von erstklassigen Aufnahmen ( z.B. viele Aufnahmen mit Haitink und dem Concertgebouw Orchestra), die sind aber nicht mit dem amtlich abgesegneten audiophilen Heiligenschein ausgestattet und werden zu Niedrigpreisen gehandelt. Wieso, verstehe ich absolut nicht.


    @Malte: Mich würde interessieren, welche Mercury`s, RCA`s und Deccas Du zuhause im Original stehen hast und mit was für einem Equipment Du sie abhörst?
    Zu Deinem Hörgeschmack: Von daher müßten Dir ja viele EMIs gefallen. Die sind oft etwas undifferenziert aufgenommen, aber mit phantastischen Dirigenten, Solisten, Orchestern sowie schönem Streicherklang gesegnet.


    Gruß von eugen

  • Hallo Malte,


    Zitat

    es ist einfach eine Illusion zu glauben, ein Mikrofonpaar könne einen großen Klangkörper wie ein Sinfonieorchester unter Berücksichtigung insbesondere der Lautstärkeverhältnisse zwischen den einzelnen Instrumenten und der gesamten Räumlichkeit adäquat abbilden


    Damit haben Wir schon die Lösung des Problems, wenn zwei Mikrofone das schon nicht schaffen, wie soll dann ein einzelner Hörer im Konzert alles "adäquat" hören können? Immerhin kann der seine Ohren nicht mal beliebig weit auseinander schieben oder deren Richtcharacteristik ändern.....


    Wenn nun ein Hörer eine Aufnahme vorzieht, die aufgrund ihrer (historischen, "audiophilen" oder wie auch immer gearteten) Gestaltung ähnliche Eigenschaften haben, wie der Hörplatz im Konzert oder eben die zwei Ohren eines Hörers dort, und demzufolge nicht perfekt in Deinem Sinne sind ist das doch völlig ok, die Gründe für die Bevorzugung so einer Aufnahme sogar nachvollziehbar. Das bedeutet nicht, das so eine Aufnahme immer unter berücksichtigung objektiver Maßstäbe auch gut abschneidet (wie Du bei Solti´s Götterdämmerung im Blindtest ja gemerkt hast.


    Die Geschmäcker sind halt verschieden...


    Gruß


    Ingo

  • Hallo Ingo,


    daß die Geschmäcker verschieden sind, habe ich ja ausdrücklich betont, jeder kann letztendlich die Aufnahmen hören, die er möchte. Trotzdem muß die Diskussion ein wenig versachlicht werden und etwas Grundwissen über Aufnahmetechnik ist unerläßlich: Da gehört zum Beispiel die Erkenntnis dazu, daß es eben niemals auch nur annähernd bei einer Stereowiedergabe so klingen kann wie im Konzertsaal - und auch nicht SOLL! Wenn jemand sich einredet "bei mir klingts fast wie live", hat das immer sehr viel mit Unwissen und meist auch mit Selbstbetrug zu tun. Im übrigen würde ich die von Dir genannte Aufnahme ("Götterdämmerung" Solti/Decca) nicht im geringsten zu dieser Kategorie rechnen, ganz im Gegenteil, hier handelt es sich um eine besonders stark gestaltete Aufnahme, die sich absichtlich stark vom Live-Klangbild entfernt.


    Zum Vergleich Mikrofon-Ohr: Du vergißt, daß das menschliche Gehör völlig anders hört als ein Mikrofonpaar. Der Mensch kann selektiv hören, und im Livekonzert über die Ausnützung der HRTF und div. anderer Effekte erheblich besser orten und durchhören als er es bei einer Stereo-LS-Wiedergabe kann. Übrigens gilt dies auch teilweise für Kunstkopfaufnahmen, die ohne weitere Nachbearbeitung (wenn vernünftig kalibriert) oft eine höhere Durchhörbarkeit ermöglichen als es Aufnahmen mit normalen Mikrofonen, über LS wiedergeben, könnten. Es ist deshalb eine legitime Forderung, Aufnahmen für Lautsprecherwiedergabe anders zu gestalten als sie am Liveschallfeld zu orientieren, im Sinne der Musik ist hier eine höhere Durchhörbarkeit sogar wünschenswert als live.


    zu den Living Stereos: Wo ich mich z.B. zuletzt über mangelnde Durchhörbarkeit geärgert habe, ist die Aufnahme der Violinkonzerte von Brahms und Tschaikowsky mit Heifetz/Reiner. Angesichts des Alters dieser Aufnahmen kann man sicherlich den Produzenten keinen Vorwurf machen, es ging damals einfach nicht besser - aber diese alten Serien heute zum Kult zu erheben und als "besser als alle modernen Aufnahmen" zu bezeichnen, halte ich für völlig ungerechtfertigt.


    Durchhörbarkeit ist natürlich auch ein Kriterium, was je nach Musikstück unterschiedliches Gewicht benötigt - es gibt Stücke, wo es definitiv recht einfach ist, auch bei nicht optimaler Aufnahmetechnik den kompletten Satz durchzuhören - bei einer Mahler-Sinfonie (die diesbezüglich sicher das Extrem darstellen) sieht das schon wieder ganz anders aus, hier muß der Tonmeister diesen Punkt als oberstes Ziel ansetzen.


    zu Markus: Was die Hallsoße betrifft, höre z.B. mal Aufnahmen von Nishimura (ex-Denon), vieles von Chesky Records (Händels "Messias" oder die Beethoven-Sinfonien sind da ganz böse) oder anderen audiophilen Labels, die sich an großorchestrales wagen - da gibt es wirklich erstaunlich viele Aufnahmen, wo es offensichtlich nur auf die Hallsoße ankommt und die Musik egal ist. Die Spitze stellt IMHO eine Aufnahme von Nishimura dar, Brahms Ungarische Tänze in einer Kirche mit 3....4s. Nachhallzeit - eine neue Definition von Hallsoße, war vor ca. 1 Jahr mal in "Stereoplay" als Demo dabei.


    zu der sonstigen Polemik, soweit es sich lohnt, darauf einzugehen:


    Ich pflege die Aufnahmen mit mehreren Anlagen abzuhören, zumeist professionellem Equipment, auch einer Nahfeldanlage - ich weiß also recht gut, was da drauf ist und was nicht. Im übrigen - ich oute mich hier einfach mal - höre ich klassische Musik am liebsten immer noch live, zuletzt war es wieder die Akustik des Bayreuther Festspielhauses, die mich in ihren Bann zog und die jedem Hörer schnell klarmachen dürfte, daß es völlig aussichtslos ist, mithilfe von Stereo so etwas wie "natürlichen Klang" zu bekommen. Dieses Aha-Erlebnis kann ich nur jedem empfehlen, der Vorstellungen vom "Liveklang alter Stereoaufnahmen" anhängt.


    Gruß, M.


    PS: Übrigens, Eugen, was die alten Stereoaufnahmen aus den 60ern angeht, halte ich durchschnittlich gesehen in der Tat die EMIs oft für die besten. Bei jüngeren Aufnahmen haben eigentlich alle großen Firmen mittlerweile ein hohes tontechnisches Niveau erreicht.

  • Zitat


    zu den Living Stereos: Wo ich mich z.B. zuletzt über mangelnde Durchhörbarkeit geärgert habe, ist die Aufnahme der Violinkonzerte von Brahms und Tschaikowsky mit Heifetz/Reiner. Angesichts des Alters dieser Aufnahmen kann man sicherlich den Produzenten keinen Vorwurf machen, es ging damals einfach nicht besser -


    Diese Aufnahmen sind gerade deswegen schlechter als die reinen Living Stereo-Orchesteraufnahmen (ohne Solist), weil hier Heifetz akustisch bewusst in den Vordergrund gerückt wurde. Wie es damals "besser" ging, kannst Du an zahlreichen anderen Living Stereos nachprüfen. Falls Du die Heifetz-Aufnahmen auf CD abgehört hast, würde ich Dir dennoch zu einem erneuten Versuch mit den LP-Ausgaben von Classic Records raten, die sind in punkto Durchhörbarkeit erheblich besser - dagegen ist die CD-Version ein müder Abklatsch.

  • Hallo Malte


    Ist nett, mal eine ruhige Diskussion zu führen.


    >Trotzdem muß die Diskussion ein wenig versachlicht werden und etwas Grundwissen über Aufnahmetechnik ist unerläßlich: Da gehört zum Beispiel die Erkenntnis dazu, daß es eben niemals auch nur annähernd bei einer Stereowiedergabe so klingen kann wie im Konzertsaal - und auch nicht SOLL!


    Und genau deswegen frage ich mich immer, wieso ich mir dann eine Anlage kaufen soll, die die Musik so realitätsgenau wie möglich wiedergeben soll. Es ist nicht möglich, ein Konzert exakt wiederzugeben. Das schafft eine Musikanlage nicht. Deswegen sehe ich das auch so: Je mehr mich die Musik per Anlage anspricht umso besser ( oder vielmehr: passender) ist diese dann für mich. Die Forderung nach dem "Stück Draht" halte ich einfach für unsinnig.


    >Im übrigen würde ich die von Dir genannte Aufnahme ("Götterdämmerung" Solti/Decca) nicht im geringsten zu dieser Kategorie rechnen, ganz im Gegenteil, hier handelt es sich um eine besonders stark gestaltete Aufnahme, die sich absichtlich stark vom Live-Klangbild entfernt.


    Ja, das stimmt, aber sie hat eine faszinierende Wirkung. Einige Aufnahmen würden sogar gleichzeitig in Nebenräumen durchgeführt und dann "live" eingefügt.
    Es gibt übrigens eine DVD über eben diese Produktion. Sehr sehenswert.
    Eine phantastische Liveaufnahme ist übrigens die Parsifal Aufnahme mit Knappertsbusch (auf Philips). Die beinhaltet neben der grandiosen Interpretation auch eine tolle Bühnenwirkung ohne jetzt im Geringsten ein audiophiler "Kracher" zu sein. Wenn das eine Anlage wiedergeben kann, ist sie schon sehr gut zu gebrauchen.


    >Es ist deshalb eine legitime Forderung, Aufnahmen für Lautsprecherwiedergabe anders zu gestalten als sie am Liveschallfeld zu orientieren, im Sinne der Musik ist hier eine höhere Durchhörbarkeit sogar wünschenswert als live.


    Dann würde ja auch nichts gegen die Solti-Wagner Aufnahmen sprechen. Die sind auf maximale Wirksamkeit hin gestaltet.
    Das aber Aufnahmen im "Liveschallfeld" funktionieren können, zeigt z.B. die obengenannte Knappertsbusch Aufnahme.
    Bezüglich Durchhörbarkeit kann ich bei vielen Decca-Aufnahmen aber nicht klagen. Sie sind mit Einpunkt-Stereo-Mikrophon ( z.B. Peer Gynt mit Fjeldstad) aufgenommen und sehr, sehr gut durchhörbar.
    Ich finde es sehr angenehm, wenn ich etwas von dem Ambiente oder dem Aufnahmeraum der Aufnahme mitbekomme. Auf mich wirkt das sehr realistisch.


    >zu den Living Stereos: Wo ich mich z.B. zuletzt über mangelnde Durchhörbarkeit geärgert habe, ist die Aufnahme der Violinkonzerte von Brahms und Tschaikowsky mit Heifetz/Reiner.
    Ich sehe, Du kennst Dich aus. Gerade diese Aufnahmen glänzen aber durch ein herausgezogenes Soloinstrument und sind deswegen alles andere als realistisch (oder wie Du sagst: stark gestaltet). Es wird halt ein Hype wegen Heifetz daraus gemacht.


    >Durchhörbarkeit ist natürlich auch ein Kriterium, was je nach Musikstück unterschiedliches Gewicht benötigt - es gibt Stücke, wo es definitiv recht einfach ist, auch bei nicht optimaler Aufnahmetechnik den kompletten Satz durchzuhören - bei einer Mahler-Sinfonie (die diesbezüglich sicher das Extrem darstellen) sieht das schon wieder ganz anders aus, hier muß der Tonmeister diesen Punkt als oberstes Ziel ansetzen.
    Try this one: Mahler, Symphonien (ich mag die neue Rechtschreibung nicht) Nr. 4-6 mit Pierre Boulez auf DGG. Sehr dynamisch, aber sehr gut durchhörbar.


    >zu der sonstigen Polemik, soweit es sich lohnt, darauf einzugehen:
    Na, so schlimm sind wir auch nicht. Und mit Polemik kennst Du Dich ja selber auch ganz gut aus. Thema beendet.


    >PS: Übrigens, Eugen, was die alten Stereoaufnahmen aus den 60ern angeht, halte ich durchschnittlich gesehen in der Tat die EMIs oft für die besten.
    Tja, die klingen halt oft sehr kompakt und geschlossen, ohne eine Instrumentengruppe zu sehr hinauszuziehen.


    >Bei jüngeren Aufnahmen haben eigentlich alle großen Firmen mittlerweile ein hohes tontechnisches Niveau erreicht.
    Schau mal nur bei Naxos.


    Gruß von eugen

  • Hallo Eugen,


    Zitat


    Und genau deswegen frage ich mich immer, wieso ich mir dann eine Anlage kaufen soll, die die Musik so realitätsgenau wie möglich wiedergeben soll.


    Wer sagt denn, daß eine Wiedergabeanlage dem Zweck dienen soll Musik *realitätsnah* wiederzugeben, wo doch die Aufnahmen selber gar nicht *realitätsnah* sind und es auch nicht sein können? Ich halte die Forderung nach Realitätsnähe an sich für unsinnig, auf Aufnahme- wie Wiedergabeseite.


    Ist es viel nicht sinnvoller, von der Wiedergabeanlage zu fordern, sie möge die AUFNAHME möglichst unverfälscht wiedergeben, unabhängig von deren Bezug zum Live-Schallfeld? Die Forderung an die Aufnahme wiederum kann nur lauten, diese möge das musikalische Geschehen möglichst umfassend dem Zuhörer darbieten, wobei zur Erreichung dieses Zieles auch ein Klang abseits des Liveschallfeldes wünschenswert ist.


    Die DIskussion ist aber zunächst mal auf die Stereophonie beschränkt, nur diese kann ein Live-Schallfeld nichtmal annähernd wiedergeben. Bei 5.1 sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, und wenn es eines fernen Tages per Wave Field Synthesis tatsächlich möglich ist, Schallfelder verlustfrei zu übertragen, können wir uns aus musikalischer Sicht immer noch darüber unterhalten, ob es auch wünschenswert ist, ein Live-Schallfeld 1:1 ins Wohnzimmer zu übertragen.


    Übrigens: Die Gestaltung "Götterdämmerung" der Decca (Solti) mag geschmacksmäßig erlaubt sein, ich schätze sie persönlich tontechnisch dennoch überhaupt nicht - ich finde die seitenlastige Verteilung des Orchesters und die permanente "Ferne" der Gesangsstimmen sowie deren permanentes "An-die-Wand-Spielen" durch das Orchester absolut unpassend und dem Werk völlig unangemessen (konnte es dieses Jahr mal wieder in Bayreuth live hören, was den Intensionen des Komponisten viel näher kommt). Wenn Du sagst, diese Aufnahmen seien "auf maximale Wirksamkeit" angelegt, so muß ich ergänzen, das gilt IMHO nur für die Instrumentalpassagen, aber nicht für die Sänger, und das finde ich sehr traurig. Ein viel gelungeneres Beispiel ist die "Ring"-Aufnahme der EMI unter Haitink aus den 80ern, auch stark gestaltet, aber kommt den Forderungen des Komponisten viel viel näher und trifft meinen tontechnischen Geschmack fast genau.


    Unter Knappertsbusch kenne ich nur einen "Parsifal", der noch in Mono aufgezeichnet ist. Von Philips kenne ich allerdings aus den 60ern keine wirklich überzeugenden Opern-Liveaufnahmen...


    Die Boulez/DGG-Aufnahmen der Mahler-Sinfonien kenne ich nicht, werde sie aber mal anhören. Tontechnisch am überzeugensten finde ich eindeutig die modernen Aufnahmen unter Rattle/Berliner von der EMI, von der Interpretation her faszinieren mich immer wieder die Filme von Leonard Bernstein.


    Zitat


    Tja, die klingen halt oft sehr kompakt und geschlossen, ohne eine Instrumentengruppe zu sehr hinauszuziehen.


    Ja, das ist ja auch das mindeste, was ich von einer überzeugenden Orchesteraufnahme verlange - daß die Lautstärkeverhältnisse der Instrumentengruppen den Verhältnissen im Konzertsaal in etwa entsprechen (für mich als Opernfan ist die Frage nach der Balance Orchester-Solisten zweifellos noch wichtiger). Alle anderen Forderungen an die Tontechnik, von der Vermeidung grober technischer Fehler abgesehen, sind in meinen Augen eigentlich sekundär. Ich höre auch lieber Aufnahmen, die ein bißchen räumlich und nicht "trocken" klingen, aber die Musik ist mir wichtiger als die Raumakustik.


    Gruß, M.
    PS: Naxos rechne ich nicht zu den "großen" Labels, weil die doch eindeutig eine Niedrigpreisstrategie fahren, trotz schwankender Qualität gibt es da aber zumeist recht ordentliche Aufnahmen.

  • Zitat

    Im übrigen - ich oute mich hier einfach mal - höre ich klassische Musik am liebsten immer noch live, zuletzt war es wieder die Akustik des Bayreuther Festspielhauses, die mich in ihren Bann zog und die jedem Hörer schnell klarmachen dürfte, daß es völlig aussichtslos ist, mithilfe von Stereo so etwas wie "natürlichen Klang" zu bekommen.


    Ganz abgesehen von der Akustik, wie fandest Du denn die (musikalische) Interpretation dieses Jahr? War selber nicht da, kenne aber einige Leute, die nicht sonderlich begeistert waren. Vielleicht komme ich nächstes Jahr zu Boulez, das würde mich noch mal reizen. Ansonsten bin ich nicht der große Wagner-Fan, ist mir alles zu dick aufgetragen. Meine Opern-Favoriten sind eher Janacek, Debussy's Pelléas et Mélisande und Stockhausens "Licht"-Zyklus. Die Trilogie von Philip Glass höre ich gerne im Auto - kommt gut auf der linken Autobahnspur. :D

  • Hallo Malte


    >Wer sagt denn, daß eine Wiedergabeanlage dem Zweck dienen soll Musik *realitätsnah* wiederzugeben, wo doch die Aufnahmen selber gar nicht *realitätsnah* sind und es auch nicht sein können? Ich halte die Forderung nach Realitätsnähe an sich für unsinnig, auf Aufnahme- wie Wiedergabeseite.


    Ja, da sind wir uns einig.


    >Ist es viel nicht sinnvoller, von der Wiedergabeanlage zu fordern, sie möge die AUFNAHME möglichst unverfälscht wiedergeben, unabhängig von deren Bezug zum Live-Schallfeld?


    Das halte ich einfach für unmöglich. Allein schon, wenn ich die Vielzahl an Lautsprecherkonzepten sehe, die es so gibt.
    Ich denke, da muß sich jeder die Art des Lautsprechers heraussuchen, die ihn am Meisten anspricht. Es gibt einfach keine sogenannte "eierlegende Wollmilchsau".
    Es gibt Menschen, die sehr gerne mit Hornlautsprechern hören (Köchel-Horn, Acapella, Avantgarde Acoustic etc.), denen gefällt die unwahrscheinlich direkte und leichte Wiedergabe. Höre mal den Baß des Köchelhorns. Unglaublich, wie leicht der anspricht und wie dynamisch der zulangen kann.
    Andere hören dann mit Magnetostaten oder Elektrostaten und schätzen die unglaublich schnelle, freie Wiedergabe sowie die große Abbildung.
    Andere hören dann mit Studiomonitoren und schätzen die sehr neutrale Wiedergabe. Leider fehlt es den kleinen Monitoren dann häufig an Tiefbass (Ausnahme: sind wohl die großen Geithain, die ich aber bisher leider noch nicht hören konnte).
    Ich selber höre mit einem der vielgescholtenen "Hallsoßenwerfern" und bin sehr zufrieden. Allein schon der schnelle, federnde und unglaublich saubere und trockene Bass ist so schnell nicht wieder zu finden, sowie der freie Klang. Auch daß ich nicht wie festgenagelt zum Musikhören hocken muß, empfinde ich als sehr angenehm.
    Ich denke, jeder Lautsprecher hebt auf bestimmte Aspekte ab, jeder Hörer muß sich jetzt die für sich passenden heraussuchen. So stellt sich das für mich dar.
    Außerdem ist die finanzielle Situation des Einzelnen ja auch sehr wichtig und wieviel er denn davon überhaupt in sein Hobby stecken möchte.


    > Die Forderung an die Aufnahme wiederum kann nur lauten, diese möge das musikalische Geschehen möglichst umfassend dem Zuhörer darbieten, wobei zur Erreichung dieses Zieles auch ein Klang abseits des Liveschallfeldes wünschenswert ist.
    Umfassend ist ein gutes Wort. Allerdings spielt das Aufnahmeequipment sowie die Wünsche/Geschmack des Toningenieurs auch eine wichtige Rolle. Es mag ja das ARD-Pflichtenheft geben, ich glaube allerdings nicht, daß es eine genormte "Referenzklangaufnahme" gibt. Ich denke, die jeweilige Situation ist da unglaublich wichtig. Wie ich es irgendwo mal mitbekommen habe, muß die Akustik der Halle der Berliner Philharmoniker sehr schlecht sein, wohingegen die Kölner Philharmonie wohl über eine sehr gute Akustik verfügen soll. Ich denke, da sind 2 identische Aufnahmen schlichtweg unmöglich.


    >Die DIskussion ist aber zunächst mal auf die Stereophonie beschränkt, nur diese kann ein Live-Schallfeld nichtmal annähernd wiedergeben. Bei 5.1 sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, und wenn es eines fernen Tages per Wave Field Synthesis tatsächlich möglich ist, Schallfelder verlustfrei zu übertragen, können wir uns aus musikalischer Sicht immer noch darüber unterhalten, ob es auch wünschenswert ist, ein Live-Schallfeld 1:1 ins Wohnzimmer zu übertragen.
    Ja, da bleibt es einfach nur möglich abzuwarten und schauen, was es alles noch an faszinierenden Möglichkeiten geben wird.
    Und ob man es überhaupt braucht.



    >Ein viel gelungeneres Beispiel ist die "Ring"-Aufnahme der EMI unter Haitink aus den 80ern, auch stark gestaltet, aber kommt den Forderungen des Komponisten viel viel näher und trifft meinen tontechnischen Geschmack fast genau.
    Danke für die Empfehlung. Da werde ich mich umschauen. Das könnte für mich wirklich interessant sein.


    >Unter Knappertsbusch kenne ich nur einen "Parsifal", der noch in Mono aufgezeichnet ist. Von Philips kenne ich allerdings aus den 60ern keine wirklich überzeugenden Opern-Liveaufnahmen...
    Das ist eine Liveaufnahme der Bayreuther Festspiele von 1962. Es gibt sie als 4CD-Set bei Philips unter der Serie "50 Great Recordings" mit der Nummer 464756, oder als gebrauchten 5 Lp-Set mit der Nummer 6747250.
    Hier ziehe ich sogar die CD vor, da die Überspielung sehr gut gelungen ist.


    >Tontechnisch am überzeugensten finde ich eindeutig die modernen Aufnahmen unter Rattle/Berliner von der EMI, von der Interpretation her faszinieren mich immer wieder die Filme von Leonard Bernstein.
    Die Simon Rattle Aufnahmen werde ich mir mal zu Gemüte führen, bei Leonard Bernstein habe ich immer so meine gewissen Schwierigkeiten. Ich weiß, daß ihn viele wegen der unglaublich emotionalen Interpretation mögen, mir ist er einfach zu exaltiert, sorry.


    >Ja, das ist ja auch das mindeste, was ich von einer überzeugenden Orchesteraufnahme verlange - daß die Lautstärkeverhältnisse der Instrumentengruppen den Verhältnissen im Konzertsaal in etwa entsprechen (für mich als Opernfan ist die Frage nach der Balance Orchester-Solisten zweifellos noch wichtiger).
    Das kann ich gut nachvollziehen.


    >Ich höre auch lieber Aufnahmen, die ein bißchen räumlich und nicht "trocken" klingen, aber die Musik ist mir wichtiger als die Raumakustik.
    Eben.


    Try this one: Die Sinfonien von Ture Rangström (1884-1947) auf CPO mit dem Norrköping Symphony Orchestra unter Michail Jurowski.


    Gruß von eugen


    P.S.: Ich habe vor Jahren mal in der Dresdner Semperoper eine Oper von Richard Wagner miterlebt ( frage mich jetzt bitte nicht, welche das war).
    Das war ein Spontanentschluß auf Urlaubsreise und wir haben oben in der 4 Etage gesessen.
    Die Akustik, wie das Orchester aus dem Orchestergraben heraus gespielt hat, das kann keine Anlage wiedergeben.


    Gruß von eugen