Steve Winwood - Nine Lives

  • Eigentlich hatte ich damit gerechnet, hier schon früher
    etwas über die neue Winwood-Platte zu lesen und nur noch meinen Senf dazugeben
    zu müssen, aber anscheinend hat den guten alten Steve niemand mehr so richtig
    auf dem Radar.


    Das ist auch ein bisschen verständlich, waren viele seiner
    Solo-Projekte doch sehr kühl und artifiziell. Ganz schlimmes Beispiel war für
    mich „Back in The High Life“ mit einem sehr seltsamen Juppie - Feeling.


    Die neue Platte ist gekennzeichnet durch eine Rückbesinnung auf alte Zeiten, das Jugendfoto (Konzertaufnahme) passt deshalb auch
    wunderbar und nicht umsonst ist er auf allen Bildern mit einer Gitarre
    abgebildet, die wie zu seligen Traffic-Zeiten wieder dominiert. So hat dann auch die Musik wieder
    diesen schönen rollenden Groove. Sie fließt in den langsameren Stücken, die
    gerne noch länger dauern könnten wunderbar ruhig dahin und wenn sie dann Fahrt
    aufnimmt, wird es sehr schön knackig.


    Mir erscheint die Platte wie eine (alters)weise Rückkehr zu
    den Wurzeln, vergleichbar etwa mit dem letzten Album von Elton John. Steve
    Winwood hat seine Gitarre wiederentdeckt und Elton John hat Bernie Taupin
    wieder ausgegraben. Sehr schön.


    Und wenn dann Herr Schöler in der Stereo nur begrenzte
    Punkte vergibt mit dem Hinweis auf flache Texte, wen stört's?


    Gruß aus Wuppertal


    Tim


    Breitband und Röhren tun mich betören

  • Hallo Tim,


    von der Platte habe ich unlängst Ausschnitte im Radio gehört, die recht interessant klangen. Hier ist eine Rezension zu lesen, die - ich zitiere - wie folgt resümiert:

    "Mit diesem Album entfacht Steve Winwood eine angenehm intime Atmosphäre, was daran liegen mag, dass eher die Percussions als die Drums die Songs strukturieren. Zweifellos aber haben wir es hier mit einem filigran arrangierten Werk zu tun, eingespielt von großartigen Musikern, die es verstehen die Spannung wirkungsvoll aufrecht zu halten. Dass die Melodien sich in ihrer Unauffälligkeit nicht zwingend aufdrängen, kommt den Songs zugute. Genau so lässt sich die Harmonie von Instrumentierung und Gesang perfektionieren.


    Mit dieser reifen Synthese aus Jazz, Progrock, Soul und Weltmusik ist Steve Winwood eine hübsche Überraschung gelungen, die wohl vorwiegend die älteren Musikfreunde erreichen wird."


    Würdest du dich dem anschließen?


    Gruß
    Gerd

  • Hi Tim,


    Du kommst mir zuvor, ich habe die LP bereits seit fast vier Wochen, bin aber des Schreibens müde und habe mich deshalb etwas zurückgezogen. Fürwahr, feine Scheibe die neue Winwood. Besser als Du hätte ich es auch nicht beschreiben können, mir kamen beim mehrfachen Hören die gleichen Gedanken in den Sinn. Schön "altmodisch" in Musik, Klang und Aufmachung, nichts aufgemotztes, ich kann wunderbar entspannen und genießen.


    Schöne Instrumentierung, Schlagwerk und feines Flötenspiel bieten Kurzweil. Insgesamt eine klare Empfehlung für Musikliebhaber. Nichts für Highender, der Klang ist relativ natürlich mit wenig glitzernden Höhen, genau so mag ich das. Die Stimme des guten Steve hat Charisma und Timbre, kommt aber dadurch nicht ganz so klar heraus (für mich kein Nachteil, da besser in die Struktur eingebettet).
    Das auf einigen Winwood-Scheiben knallende Schlagzeug wurde hier Gott sei Dank in der Mottenkiste gelassen. Wenngleich ich einige Titel der "Back in...."-LP ab und zu ganz gerne höre. :S


    Blöde ist halt nur das ewige Plattenwechseln, aber bei diesen Scheiben nehme ich das gerne in Kauf.


    Pressung ist ok, die Oberflächen sehen auch nach mehrfacher Punkt-Wäsche erbärmlich aus, jedoch sind keine Störgeräusche zu hören. Gefütterte Innenhüllen wären noch schön gewesen, aber ich verlange zu viel.... ;)


    Grüße sendet aus Nettetal


    Stefan

    "Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen!" Karl Valentin

  • Schöner Hinweis,


    ich erfreue mich auch an dem guten alten Steve, auch wenns noch nicht in "schwarz" passiert. Texte hin, Texte her, man muß auch mal allein die Musik genießen und der Stimme lauschen dürfen. Da wir es derzeit gefühlsmäßig bei guten Stimmen ja eher mit weiblichen Exemplaren zu tun haben, ist dies endlich mal wieder ein männliches Original...


    Einfach klasse!!!


    Gruß
    Frank

  • Abgesehen davon, daß ich bisher weder Progrock noch Weltmusik heraushören konnte sehe ich das auch so.


    Und jetzt ab ins Bett
    Tim

  • @ Stefan: Dann machst Du im nächsten Lauf den Starter! Das mit den Innenhüllen korrigiere ich gerade in einem Fall wie hier mit eigentlich sehr schönen Innenhüllen gern mit ein paar Nagaoka's


    @ Frank: Bin ich ein Banause, wenn ich sage, Texte sind mir meist egal? Will ich gute Texte lese ich ein Buch. Was nicht bedeuten soll, daß es nicht auch geniale Text / Musik - Kombinationen gibt.


    Gruß aus Wuppertal


    Tim


    Breitband und Röhren tun mich betören


  • Hallo Tim,


    genau so machen wir das und zwar für beide Fälle! :)


    Viele Grüße


    Stefan

    "Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen!" Karl Valentin

  • Mal wieder eine Platte, die man durchhören kann. Ich finde, daß sich Stevie hier sehr angenehm von anderen alten Kämpen unterscheidet, die auf ihre alten Tage auch noch ein paar Kröten machen wollen (wie z.B. der ganz okaye Gitarrist auf Titel 4) . Einerseits ist er sich treu geblieben, andererseits hat er seinen Stil weiterentwickelt - ohne spektakuläres Pathos und vor allem unter Verzicht auf das endlose Blues-Gegurgel anderer Retro-Fuzzies.


    Er hat wie eh und je eine hinreißende Stimme und beherrscht die Hammond B3 auf eine nach wie vor gänsehauterzeugende Art perfekt und groovend. Mir würde auf Anhieb kein schwarzer Organist einfallen, der diesem Möbel so viele geile Sounds entnimmt (wobei es sicher virtuosere Spieler gibt).


    Was mich lediglich ein bißchen stört, ist seine in den letzten Jahr(zehnt)en zu verspürende Vorliebe für äußerst klischeehafte pseudospanisch daherkomende Gitarren (hier: Jose Pires de Almeida. Dieser scheußliche, anscheinend erotisch gemeinte Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Sound kann eigentlich nur von einer Godin-Klampfe kommen (?) ). Klingt jedenfalls so, wie sich Lieschen Müller einen spanischen Sonnenuntergang mit Paella und Sangria bis zum Abwinken mit anschließender Strand-Nummer vorstellt.


    Ansonsten beweist er sich einmal mehr als einer der ganz großen (bescheidenen) Pioniere der Rockmusik. Putzig finde ich immer wieder, wie er seit 40 Jahren versucht, stimmlich und instrumental wie Ray Charles zu klingen, obwohl er bereits in den 60ern besser war als das nicht immer ganz geschmackssichere Original.

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