Der nicht ultimative Beethoven (Symphonien) Thread

  • Liebe Klassikfreunde,


    ich bin begeisterter Beethoven Fan. Von den Symphonien habe ich die Großen sicherlich in fünf- oder mehrfacher Interpretation.


    Gleich eines vorweg: "eingestiegen" bin ich bei Beethoven - wie so viele, denke ich - vor vielen, vielen Jahren durch HvK und die DG Einspielungen aus den Sechzigern. Sicherlich ein Meilenstein; interpretatorisch aber nicht zweifelsfrei, wenn man "Experten" Glauben schenken darf.


    Seit dem bin ich auf der ernsthaften Suche nach Einspielungen, die nicht nur aufgrund ihrer Interpretation, sondern eben auch aufgrund ihrer Klangqualität als herausragend einzustufen sind. Es gibt nur so viele, dass ich meine "Schattenausschussplattensammlung" nicht noch vergrößern möchte.


    Beispiel - die Fünfte:
    Anstoß für diesen Thread war eine kürzlich erworbene Kleiber Fünfte mit den Wienern auf DGG. Die erste für mich, die HvK und die Berliner IMHO nicht nur interpretatorisch, sondern auch klanglich zurück gelassen hat: viel athletischer, schneller (darüber gibt es ja mittlerweile Bücher, welche Tempi denn die richtigen sind), feiner nuanciert, dynamischer, ernsthafter, insgesamt "unumstößlich".
    Szell beispielsweise (Gesamtaufnahme) mit den Cleveland auf CBS wird hoch gehandelt. Für mich musikalisch mittelmäßig weil ohne Verve und Inbrunst, irgendwie "abgespult" und klanglich auch eher Schulnote 3-. Das gilt natürlich neben der Fünfte auch für alle anderen.
    Ozawa hat auf Telarc mit den Boston SO die Fünfte eingespielt. Meine zumindest klanglich sehr hohe Erwartung wurde nicht wirklich erfüllt - musikalisch kann ich so viel nicht beisteuern, da fehlt mir sicherlich das belesene Vokabular; nur so viel: ich fands langweilig.
    Eine klanglich und musikalisch wiederum überzeugende Aufnahme ist die unter Ansermet auf London (ergo US Pressung). Irgendwie das andere Endce von Karajan, sehr fein, zurückhaltend und - ich würde sagen - auch sehr viel kleiner besetzt. Sehr empfehlenswert.
    Dann hab eich noch zwei weitere, an die ich mich nicht erinnere, die muss ich mir noch mal anören: Artur Rodzinski mit den Phil. Symph. Orch. London -klingt aber eher wenig vielversprechend, ebenso wie Reiner mit Chicago SO, hier habe ich eine UK RCA Pressung vorliegen.
    Die Furtwängler leiden leider aufgrund klanglicher Limitationen, wie ich finde. Da habe ich von Electrola einige, nicht aber die Fünfte.


    Folgende Fragen brennen mit unter den Fingernägeln:

    • Welche Symphonien hat Kleiber auf DG mit den Wienern noch eingespielt? Oder gibt es andere, die musikalisch und klanglich an die der DG heran reichen? (die Forumssuche hat ergeben, dass es wohl auf Decca noch einige gibt mit den Amsterdamern?)


    • Den Verve von HvK und Kleiber vorausgesetzt: ich würde mich über Empfehlungen von Kompletteinspielungen noch interessieren - was sollte meine nächste Anschaffung sein? (Die, die mir vorliegen: HvK Erstveröffentlichung mit den Wienern auf DGG, das Reissue auf DG (klanglich besser!), und die Prestige Kollektion; Szell w.o. beschrieben. Solti habe ich nach Ausführen der Suchfunktion oft gelesen. Welche Aufnahme ist das? Durch was zeichnet sie sich aus?


    • Die Neunte: hierzu gab es kürzlich in der Hifi Records eine ganz lesbare Abhanldung von Stefan Galwick. Allerdings lies er den klanglichen Aspekt unterbelichtet. Was sind die "must-have" für diese Symphonie?


    N.B.: selbstredend sind nur die Empfehlungen hilfreich, die es auch auf Vinyl gibt.


    Freue mich auf kompetenten Input und eine spannende Diskussion, auch um die anderen Symphonien herum.


    LG, Alex

    Nicht mehr müssen müssen ...

  • Hi,


    dann fange ich mal an:


    Mit viel Glück kannst du versuchen, die Einspielungen von Roger Norrington mit den London Classical Players oder von Christopher Hogwood mit der Academy of Ancient Music zu bekommen. Beide fallen in die Umbruchszeit des Klassikmarktes zur alleinigen CD-Ausgabe. Ich meine, dass es von Hogwood eine Gesamtaufnahme auf LP gab, von Norrington nur Einzelaufnahmen.


    Beide Dirigenten waren die ersten, die Beethoven-Symphonien in historischer Aufführungspraxis vorlegten. Beide mit Originalinstrumenten, Norrington mit genauer Orientierung an den Beethovenschen Metronomangaben, auch in der Agogik historisch genauer. Die Norrington-Aufnahmen sind bis heute mustergültig


    Zitat

    N.B.: selbstredend sind nur die Empfehlungen hilfreich, die es auch auf Vinyl gibt.


    Du bist dir aber schon im Klaren, dass du mit dieser Fixierung das Medium wichtiger als die Musik / Interpretation nimmst? Denn gerade in den letzten 20-25 Jahren hat sich in der Beethoven-Interpretation - ebenso in der Beethoven-Forschung - doch einiges getan. Ich finde eine Diskussion über Beethoven-Interpretationen ein wenig verkürzt, wenn das Medium wichtige Einspielungen ausschließt.


    Gr


    Roland


    Ach ja: Ein Beleg, dass es trotz unendlich vieler Aufnahme immer noch weiter geht, zeigen die Neueinspielung der Bremer Kammerphilharmonie unter Pavo Järvi, eine äußerst spannende Mischung aus unorthodoxer historischer Aufführungspraxis und modernem Instrumentarium

    3 Mal editiert, zuletzt von friedrich29 ()

  • Ich empfehle immer die Kompletteinspielung von Leibowitz. Im Original auf RCA/Readers' Digest, gab es da auch mal ein sehr gutes Reissue der AAA.
    Interpretatorisch habe ich (bis auf Einspielungen einzelner Sinfonien) bisher noch nichts besseres gehört.
    Möglicherweise zunächst etwas irritierend, wenn man an gängigen Beethoven gewohnt ist, denn Leibowitz nimmt die Metronomangaben des Komponisten sehr ernst und bevorzugt einen durchsichtigen, weniger "romantischen" Klang, der Beethoven gut ansteht (lange vor Norrington).
    Und klanglich ist es auch sehr gut.


    Gruß,
    Markus


  • Hallo Roland,


    danke für die Rückmeldung - die hatte ich von Dir schon mal gelesen. Jetzt würde mich natürlich interessieren, was denn im Beethoven-Kontext eine "historische Aufführungspraxis" bedeutet, insbesondere wenn man (die Fachliteratur, vgl. Galwick) sich selbst nicht ganz sicher ist, was LvB denn mit der einen oder anderen Aufzeichnung gemeint hat - oder bezieht sich das auf die Instrumentierung?


    Und: Du hast Recht. Wir sollten der Sache wegen auch Einspielungen berücksichtigen, die es auf CD gibt (vll. war es als AAA-Mitglied ein Reflex, dies zu tun).


    Gruß, Alex

    Nicht mehr müssen müssen ...

  • Hi Alex,


    in aller Kürze was zur historischen Aufführungspraxis: Diese ist bzw. war der Versuch, eine Rekonstruktion eines möglichen Originalklangs zu ermöglichen. Dass es dabei nie zu einer hundertprozentigen Rekonstruktion kommen konnte, war eigentlich klar. Interpreten wie Harnoncourt, Norrington oder Hogwood sahen aber eine Notwendigkeit, zumindest einen Versuch in diese Richtung zu starten, da sich von einer bestimmten Interpretationslinie her immer mehr interpretatorisches Geröll um die Aufnahmen herum befand. Einiges funktionierte auch ganz objektiv musikalisch nicht, wenn man nicht auf originales Instrumentarium, originales Tempo oder - sehr wichtig - originale Agogik und Phrasierung bedacht war (wobei 'original' durch ein bestimmtes Quellenstudium natürlich nur ein Näherungsbegriff sein kann) - etwa verdeckt bei Bach der Gebrauch moderner Trompeten andere Stimmen, bei zu langsamen Tempi bei Beethoven zerfallen musikalische Zusammenhänge in sinnlose Einheiten, musikhistorische Zusammenhänge werden verdeckt - dies nur ein paar wenige Beispiele. Selbst großsinfonische Weltorchester wie die Berliner Philharmoniker nehmen Ansätze der historischen Aufführungspraxis heute auf und orientieren sich etwa bei der Interpretation Haydns oder Beethovens daran.
    Ich denke, dass mit den Aufnahmen Norringtons bei Beethoven Mitte der 80er Jahreein radikaler Umbruch in der Interpretation stattgefunden hat - wobei es auch vorher schon Ansätze in dieser Richtung gegeben hat - Markus hat da ja schon auf Leibowitz verwiesen, auch Toscanini wäre da teilweise zu nennen (etwa mit seiner Interpretation der Pastorale, vor allem dem Finalsatz)


    Gr


    Roland

    Einmal editiert, zuletzt von friedrich29 ()

  • Ja, Toscanini soll man keineswegs vernachlässigen. Er hat auch sämtliche Sinfonien eingespielt.
    Toscanini kommt aus der Verdi-Tradition, Leibowitz ist Schönberg-Schüler. Beide vermeiden überflüssigen romantischen Ballast.
    Toscaninis Beethoven ist vielleicht noch etwas "dramatischer" und wilder.
    Scherchen finde ich auch interessant. Seine Eroica ist ja vor einiger Zeit auch noch mal als audiophiles LP-Reissue herausgekommen (was ich ganz erstaunlich fand).


    Gruß,
    Markus

  • Anstoß für diesen Thread war eine kürzlich erworbene Kleiber Fünfte mit den Wienern auf DGG. Die erste für mich, die HvK und die Berliner IMHO nicht nur interpretatorisch, sondern auch klanglich zurück gelassen hat:

    Also Carlos Kleiber, nicht der Herr Papa, nehme ich an.

    Welche Symphonien hat Kleiber auf DG mit den Wienern noch eingespielt?


    Zumindest die 7. habe ich im Bestand, außerdem gibt's auch noch die 4., allerdings bei Orfeo mit dem Bayerischen Staatsorchester.

    Die Furtwängler leiden leider aufgrund klanglicher Limitationen, wie ich finde.

    Grundsätzlich hast du recht, aber wenn du mal die Chance hast, in die jüngst erschienene audite-Veröffentlichung reinzuhören - ich finde die für Furtwängleraufnahmen und CD gar nit übel. Trotzdem natürlich kein Vergleich mit moderneren Aufnahmen.


    Wenn es nicht um Höchstleistungen, sondern um relativ entspanntes Hören geht, finde ich Krips und Konwitschny übrigens nicht verkehrt. ;)

    • Welche Symphonien hat Kleiber auf DG mit den Wienern noch eingespielt? Oder gibt es andere, die musikalisch und klanglich an die der DG heran reichen? (die Forumssuche hat ergeben, dass es wohl auf Decca noch einige gibt mit den Amsterdamern?)


    Die Kleiberschen Beethoven-Einspielungen mit dem Concertgebouw sind jede Empfehlung wert. Verantwortet wurden sie jedoch von Vater Erich. Entstanden sind sie in den 50er Jahren. Als Decca LXT problemlos und preiswert aufzutreiben:

    • Nr. 3 LXT 5215 (die frühe Pressung besitze ich nicht)


    • Nr. 5 LXT 2851 bzw. die spätere Pressung LXT 5358


    • Nr. 6 LXT 2587 bzw. die spätere Pressung LXT 5359


    • Nr. 7 LXT 2547


    Hinweis: Für moderne Nadeln empfehlen sich eher die späteren Pressungen. Mit einem Mono-System klingen die Scheiben sehr ansprechend.


    Gleiches gilt für die Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern, da sind die Nr. 3 (habe ich als ACL 35) und Nr. 9 (LXT 5362/5363 mit H. Güden/S. Wagner/A. Dermota/L. Weber) erhältlich.


    Von Carlos gibt es noch eine Einspelung der 6., jedoch nur auf CD (Orfeo) erhältlich. Eine etwas obskure, jedoch passabel klingende Live-Aufnahme mit dem Bayerischen Staatsorchester.


    Unter meinen Gesamtaufnahmen möchte ich nicht auf Bruno Walter mit dem Columbia Symphony Orchestra verzichten und als Einzelaufnahme noch auf Giulini mit dem LAPO (DGG) hinweisen. Wenn dir der "Verve" so wichtig ist, wirst du mit Walter vieleicht nicht so glücklich, eher schon mit Giulini.
    Unterstützen möchte ich die Toscanini-Empfehlung. Es sind 2 Gesamtaufnahmen erhältlich: aus den 30er Jahren sowie aus seinen letzten Lebensjahren. Die ältere GA (die ich nicht besitze) soll noch radikaler sein. Die jüngere ist auf Vinyl problemlos zu bekommen, jedoch sind beide GAs natürlich nicht "audiophil".


    Grüße,
    Steff

    Viele Grüße, Steff

    2 Mal editiert, zuletzt von naidyl ()

  • Hallo,


    was das Wissen um die richtige Interpretation angeht bin ich sicherlich ein Dilettant, ich höre einfach das, was mir gefällt. Abgesehen davon besitze ich auch diverse Einspielungen der jeweiligen Beethovensymphonien:


    Sowohl musikalisch und klanglich sehr gut gefälllt mir Konwitschny auf Eterna, da besonders natürlich die 9.
    Desweiteren finde ich die Einspielungen von keilberth auf Telefunken (frühe Stereo-LPs) sehr gut, die 5. und die 6. besitze ich.
    Auf DGG gab es noch Ferenc Fricsay der vor HvK die Beethovensymphonien in Stereo aufgenommen hat, und die zumindest "interessant" sind, hier auch besonders die 9.
    Das mit Furtwängler ist eher die Frage, wie man die alten Platten "richtig" abspielt, aber Mono bleibt es natürlich.


    Gruß


    Ingo

  • Hallo Frank,


    das ist richtig, es gibt glaube ich nur die ungraden Symphonien, also 3, 5, 7 und 9 mit Fricsay. Beethovenzyklen nicht zu vollenden war bis Karajan bei der DGG wohl hipp, Jochum ist zwar fertig geworden aber nur zur Hälfte in Stereo....
    Die Fricsay-Originale sind alle auch ziemlich rar, ich muß mich da auch erstmal wieder durchhören, dann kann ich vielleicht auch noch etwas zu den einzelnen Einspielungen sagen. Die neunte ist eine rote Leinenbox mit goldener Schrift SLPM 138 002/003, kann bei sehr oberflächlicher Betrachtung durchaus mit der Karajan 9. verwechselt werden....


    Gruß


    Ingo

  • Ja, wobei die HvK eher deunkelrot ist.
    Beethoven 9 mit Fricsay als frühe Pressung in Stereo ist recht teuer.
    Ich bin mir gerade nicht sicher, ob es Resonance-Nachpressungen gibt, meine mich aber an eine auf eine (!) LP gequetschte 9te zu erinnern. :(


    Grüße
    Frank :)

  • Hallo Frank,


    ja, die gab es, die auf eine Platte zusammengequetschte Neunte mit Fricsay als "Resonanz".
    Das Original ist gar nicht sooo selten, vielen fällt es auch nicht auf, weil es eben ein wenig wie Karajan aussieht. Leider meist in Mono...


    Gruß


    Ingo

  • ....Die Neunte...


    Hallo Alex,
    versuch`s `mal mit Solti auf DECCA 121 (1972).
    Gruß Loricraft


  • Ja, die Mono-Ausgabe wurde mir - trotz Nachfrage - fälschlicherweise auf eBay auch mal als stereo angedreht. War eine sehr unschöne Auktion. :(


    Grüße
    Frank :)

    Einmal editiert, zuletzt von Hüb ()

  • Hallo Frank,


    bei der Stereoausgabe ist auf der Vorderseite (die ja üblicherweise bei Auktionen zu sehen ist) unten mittig in weiß ganz groß das Wort "Stereo" eingeprägt. Wenn das fehlt ist die Ausgabe in Mono.
    Gruß


    Ingo

  • Hallo Ingo,


    ich weiß. ;)
    "Meine" damalige Auktion kam ohne Bild daher und stand daher unter "Schnäppchenverdacht" - was aber leider - trotz meiner erläuternden Nachfrage - in die Hose ging.


    Grüße
    Frank :)

  • Bin zwar kein grosser Beethoven-Liebhaber, mag aber bw. bei seiner 7. Symphonie, die Einspielung mit Otto Klemperer und dem Philhamonia Orchester, schätze dabei insbesondere, auch wenn die Tempi bisweilen etwas schnell erscheinen, den musikalischen Fluss und die Eleganz dieses Werkes. Dann wären noch die Einspielungen aus den 80ern mit Otmar Suitner und der Staatskapelle Berlin welche mir auch sehr gut gefallen, Interpretatorisch mehr aus der Mitte ohne sich zu sehr an Blümchen zu verstricken


    Gruss
    Pierre

    Einmal editiert, zuletzt von audio ()