Thielemann Ring - lohnt der?

  • Hallo,


    wie oben schon zu lesen ist, lohnt sich eine Anschaffung des Thielemann Rings (des Nibelungen)? Solti habe ich, finde ich auch super, allerdings taugt er mir klanglich nicht immer. Überhaupt könnt ich mal eine neue Interpretation vertragen. Aber so richtig weiß ich nicht was. Mehta finde ich auch interessant, aber den gibt es gar nicht auf CD, sondern nur als dvd oder blue ray, Für br müsste ich aber direkt noch einen player anschaffen, das wird mir dann doch zu anstrengend. Oder Haitink? Irgendwie sollen bei Thielemann ja die Sängerleistungen nicht so exorbitant sein?


    Hat jemand den ultimativen Tipp?


    Gruß
    Dirk

    Streamen ist wie alkoholfreies Bier...scheint erstmal richtig zu sein, am Ende fehlt aber das Entscheidende.

  • Lieber Dirk,


    in FonoForum wurde vor einigen Jahren eine Sammelrezension von verschiedenen Ringaufnahmen mit der scherzhaften Überschrift eingleitet: "Der Ring,der nie gelungen".
    Tatsächlich kann es die perfekte Ringaufnahme sicher nicht geben.
    Sehr gut sind die Aufnahmen von Karajan (Salzburger Festspiele,erschien bei DGG),Karl Böhm (Philips) und als Sensation der letzten Jahre ein Bayreuther Ring von Josef Keilberth von 1955 als erste Stereoaufnahme (Testament).Alle Aufnahmen sind auf Black Disc erschienen.
    Was jetzt Thielemann betrifft,so muß ich sagen -und dies,obwohl ich absolut kein Thielemann-Fan bin- daß er das Festspielorchester unter den schwierigen Bayreuther Akustikverhältnissen gut im Griff hat.Mich persönlich stört seine Rubatomanie,wo er die "schönen Stellen" auskostet,wodurch die große Linie oft verloren geht.Die Sängerleistungen sind durchweg nur Mittelklasse;dieser Ring lebt in der Tat durch das Orchester.
    Wenn Sie eine weitere Ringaufnahme neben der verdienstvollen,aber in der Tat heutzutage etwas angestaubten Solti-Aufnahme anschaffen wollen,würde ich den Thielemann-Ring,der auch nicht billig ist,nicht als "erste Wahl" empfehlen.


    Viele Grüße


    Joachim

  • Hallo Dirk!


    Den ultimativen Tipp gibt es meiner Meinung nach nicht, weil es keine perfekte Aufnahme des Rings gibt. Dazu müsste ja in bester Aufnahmequalität ein super Orchester in großartiger Tagesform mit einem ebensolchen Dirigenten und mit einer durchweg erstklassigen Sängerriege aufgenommen werden. Ein solches Zusammentreffen ist unwahrscheinlich, und ein solcher Ring ist mir bisher auch noch nicht untergekommen, Kompromisse gibt’s immer. Ich habe Solti (gut), Böhm (mäßige Klangqualität), Karajan (wo ist das Drama?), Furtwängler (RAI) (lausige Aufnahme), Boulez (auch oft auf dem Plattenteller), Fischer (hab ich live gesehen, daher hat der einen Stein im Brett bei mir), sowie einzelne Ring-Opern unter verschiedenen Dirigenten, wie Leinsdorf, Walter und andere. Als Gesamtaufnahme finde ich die Solti am besten, am wenigsten gefallen mir Böhm (auch wegen der Aufnahmequalität) und Furtwängler.
    Die Walküre, die ich am häufigsten höre ist allerdings die unter Leinsdorf, live aus der Met in einer Aufnahme von 1941. Die Aufnahmequalität ist ausgesprochen historisch, aber die Interpretation... das ist pures Drama. Man sitzt förmlich die ganze Zeit auf der Sesselkante vor Anspannung. Und die Stimmen von Lauritz Melchior als Siegmund und Helen Traubel als Sieglinde sind für mich unerreicht. Historische Aufnahmen sind die, die mir am meisten gebracht haben, nachdem ich die erste Gesamtaufnahme gekauft hatte.


    Die Gesamtaufnahme unter Thielemann kenne ich nicht (es sind ja wohl Bayreuth-Aufnahmen aus 2008 ),ich habe aber einen Mitschnitt der Walküre aus Bayreuth vom vergangenen Jahr mit fast gleicher Besetzung. Dieser hat mich nicht hingerissen. Die Stimmen der Protagonisten haben mich überhaupt nicht angesprochen (die Textverständlichkeit ist aber gut, das finde ich bei Wagner wichtig). Das langsame Tempo ist nicht mein Fall, aber wenn man das gut findet, ist die thielemann´sche Interpretation und vor allem das Orchester sehr gut. Wenn die Sänger nicht wären... ich hab die Walküre mal laufen lassen, während ich das hier schreibe, aber die Sänger machen es mir leider unmöglich, weiter zu hören. Die Interpretation allerdings gefällt mir zusehends.


    Boulez finde ich auch eine Empfehlung wert. Den gibt’s auch öfter auf LP. Die Walküre werd ich jetzt mal auflegen.


    Vielleicht hörst Du wirklich mal in ein paar historische Aufnahmen rein.


    Grüße,
    Peter

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  • Hallo Dirk,


    bei Wagnergesang gilt leider der schöne deutsche Spruch "je oller je doller", d.h. je weiter zurück man greift, desto besser wird der Gesang. Die größte Wagnerinterpreten des Jahrhunderts waren Kirsten Flagstad und Lauritz Melchior, und die hörten beide in den 50ern bzw 40er Jahren auf zu singen. Ringaufnahmen die nach der Karajan oder Böhm einspielung gemacht wurden würde ich gar nicht in Erwägung ziehen. Der Testament-Keilberth Ring hört sich sehr interessant an, zumal er dem Vernehmen nach auch sehr gut klingen soll.


    Gruß

    Kostas
    früher in Griechenland, inzwischen in Saarland

  • Danke schon mal für die Ratschläge. Furtwängler habe ich auch noch stehen, aber ich muss gestehen, dass mir der von der Tonqaulität völlig abgeht, auch komme ich mit den Tempi nicht klar. Der ist einfach nicht meins, na ja, vielleicht in zehn Jahren, wer weiß. Von Karajan gefällt mir Das Rheingold gut, aber...
    Wie ist der Keilberth denn aufnahmemäßig im Vergleich zu Solti zu bewerten? Hört sich gut an, soweit man das aus den Minihörhappen im Netz beurteilen kann. Ist aber auch nicht günstig.
    Tja und Boulez, da ärger ich mich immer noch grün und blau, dass der mir hier letztens durch die Lappen gewischt ist, obgleich ich den lieber auch gesehen als nur gehört habe.


    Thielemanns Dirigat finde ich schon ziemlich anmachend, aber es steht kaum was im Netz, dass man sich einen längeren Eindruck verschaffen könnte. Haitink kennt keiner näher?


    Liebe Grüße


    Dirk




    Und auf youtube zu sehen Mehta mit Wotans Abschied. Ziemlich gut, wie ich finde! Vielleicht doch Blue Ray?????????

    Streamen ist wie alkoholfreies Bier...scheint erstmal richtig zu sein, am Ende fehlt aber das Entscheidende.

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  • In der Tat.


    Ansonsten: Hier wurden natürlich unsterbliche Interpreten genannt, Melchior usw.
    Aber die Musikgeschichte geht halt auch weiter.


    Gruß,
    Markus

    ist doch klar daß die Musikgeschichte weitergeht, es gibt heute auch hervorragende Instrumentalsolisten und Opernsänger, aber Dirk hat nun mal nach eine Empfehlung für eine Ring-Aufnahme, und die Qualität einer solchen hängt erheblich ab von den teinhabenden Sänger; und es gibt kaum jemand der behaupten wird daß es heute Sänger des Formats einer Flagstad, einer Nilsson, selbst einer Varnay gibt.

    Kostas
    früher in Griechenland, inzwischen in Saarland

  • ... Wie ist der Keilberth denn aufnahmemäßig im Vergleich zu Solti zu bewerten? ...


    Wenn man mit den typischen Randerscheinungen einer LIVE-Aufnahme leben kann, ist der Keilberth-Ring m.E. klanglich mindestens gleichwertig. Verglichen habe ich mit meinen englischen Stereo-Sets des Solti-Rings.
    Grüße Oliver

    Meine Meinung ist gewachsen, aber nicht unumstößlich ;)

  • Hallo Dirk,Peter,Kostas,Markus und Oliver,


    der Furtwängler-Ring erschien in zwei Versionen:aus der Mailänder Scala und als Radioaufnahme der RAI.Vom Scala-Ring gibt es eine technisch eminent verbesserte CD-Version von Gebhardt,die erst den Rang von Furtwängler als Operndirigenten erahnen läßt.Hier singen u.a. Ferdinand Frantz,Ludwig Weber,Set Svanholm,Kirsten Flagstad;eine bessere Sängerbesetzung ist kaum möglich.
    Der Haitink-Ring mit dem Symph.-Orch. des BR ist gute Mittelklasse und läßt sich in etwa mit dem Levine-Ring aus der Met vergleichen.
    Wenn Dirk Interesse am Boulez-Ring hat,könnte auch der Karajan-Ring von Bedeutung sein.Beide Dirigenten haben Wagner in seiner kammermusikalischen (!) Struktur analysiert und aufgeführt,fern von allem Schwulst und Getöse vergangener Zeiten.Karajan läßt maximal mezzoforte spielen,dasWalhall-Motiv z.B. erscheint bei ihm eher beiläufig und lediglich illustrierend;man vergleiche dies mit Thielemann!Leider muß man einige Abstriche bei den Sängerleistungen machen,sehr gut ist aber der Wotan von Thomas Stewart.
    Noch ein "Geheimtip":der Ring von Gustav Kuhn aus Tirol (Arte Nova)---eine erstaunliche Leistung zum Mid-Price.


    Viele Grüße


    Joachim

  • Hallo Joachim,
    meine Bewertung bezog sich lediglich - wie nachgefragt - auf die subjektiv, klanglichen Meriten der jeweiligen Aufnahme, unabhängig von der jeweiligen Einschätzung der Interpretation. Da hat wohl jeder seine eigenen Vorlieben. Für mich hat es bspw. keinen glaubwürdigeren Wotan seit George London gegeben. Aber soll ich deswegen spätere oder frühere Aufnahmen vergleichend kritisieren ? Wäre auch sehr reduzierend.
    Grüße Oliver

    Meine Meinung ist gewachsen, aber nicht unumstößlich ;)

  • Hallo Oliver,


    Sie haben völlig recht,was die Bedeutung von George London betrifft.Unvergesslich ist auch sein Amfortas.Leider:these times are gone!
    Ich finde aber,daß es Spaß macht,auch die -naturgemäß subjektive - Meinung zur jeweiligen Interpretation mit anderen Interessenten auszutauschen,zumal man dadurch auch seinen eigene Auffassung im Spiegel anderer Meinungen kritisch reflektieren kann.


    Viele Grüße


    Joachim

  • Hallo Joachim,
    zur Bewertung kein Widerspruch. Ich ziehe zur vergleichenden Betrachtung und subjektiven Interpretationskritik im Bereich der Musik jedoch definitiv "intimere" Kreise vor.
    Grüße Oliver

    Meine Meinung ist gewachsen, aber nicht unumstößlich ;)

  • Hallo Dirk,


    wohl mit das Beste ist der Ring mit Böhm, Phillips Scheiben, Original Aufnahmen von Bayreuth, ich glaube 67, müßte ich nachschauen. Von allen Ringen die ich habe, ich dies mit Abstand der Beste, auch von den Interpreten.



    Gruß Klaus :24:

  • Hallo,


    und Dank noch mal für die Anregungen. Die Tendenz hier geht ja doch relativ schwer in Richtung älterer Einspielungen und das ist auch nachvollziehbar. Der Keilberth-Ring erscheint mir sehr interessant und ich spürte schon einen gewissen Kaufanreiz....


    aber dann bin ich doch umgeschwenkt und habe mir nach einigen Appetit anregenden Happen auf youtube den Mehta-Ring auf Blue Ray geholt. Ein Player musste dann auch sein, aber da mein DVD-Teil sowieso ultralt war, dachte ich - egal - was kostet das Leben.


    Konnte bisher nur in das Rheingold reinschauen und bin ehrlich gesagt doch beeindruckt (aber auch leicht zu beeindrucken). Die Rheintöchter sind gleich mal sehr sehr gut und in meinen Augen und Ohren absolut klasse inszeniert (Die gehöen auch zu meinen persönlichen Highlights). Ich freue mich auf die Fortsetzung. Stimmlich scheint mir das alles sehr in Ordnung, gut zu verstehen und die Orchesterleistung passt auch. Es ist gewiss nicht der beste Ring, aber sicher ein hörens- und sehenswerter, denke mal an Boulez kommt er schon ran.


    Klanglich scheint er auch gut, aber ich brauche erst noch ein langes Digi-Kabel, um in meine Vorstufe zu gelangen und deren Wandler nutzen zu können. Das sollte dann schon relativ o.K. sein. Jetzt habe ich zwar ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil ich von der reinen Lehre angewichen bin, aber dennoch macht sich Zufreidenheit breit.


    Viele Grüße


    Dirk

    Streamen ist wie alkoholfreies Bier...scheint erstmal richtig zu sein, am Ende fehlt aber das Entscheidende.

  • Moin!


    Zitat

    Jetzt habe ich zwar ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil ich von der reinen Lehre angewichen bin...


    Selbst wenn Du wirklich eins hättest ;) , es wäre völlig unnötig. Die LP ist ja für Operngesamtaufnahmen, insbesondere noch welche von der Länge der Wagner-Opern, ein eher ungeeignetes Medium. Man muss dauernd Platten drehen/wechseln, und die Teilungen erfolgen oft an den unmöglichsten Stellen. Am lautesten sind Opern im großen und ganzen immer am Ende einer LP-Seite, also dann, wenn die Fähigkeiten der Schallplatte und des Tonabnehmers am Tiefpunkt sind. Bild, also eine Inszenierung, gibt es auch nicht.
    Gerade bei Opern ist DVD/Blue Ray das weit überlegene Medium.


    Ich hoffe ja derzeit, dass man den Ring aus Valencia auf DVD erhalten wird, der im vergangenen Jahr auf 3Sat und jetzt im ZDF Theaterkanal zu sehen und hören war. Leider habe ich nur den Schluss vom Rheingold und einen Teil der Walküre sehen können, aber das, was ich gesehen habe, fand ich wirklich ausgezeichnet. Interessantes Bühnenbild, gut gesungen. Anfang Juni müsste noch die Götterdämmerung kommen.
    Eventuell hat ja jemand Aufnahmen auf DVD gemacht?


    Grüße,
    Peter

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  • Hallo Peter,


    den gibt es doch auch auf DVD, ist ja der, den ich gekauft habe, oder suchst Du es eher von privat?


    Gruß


    Dirk

    Streamen ist wie alkoholfreies Bier...scheint erstmal richtig zu sein, am Ende fehlt aber das Entscheidende.

    Einmal editiert, zuletzt von kajetan ()

  • Moin Dirk!


    Ich hatte nicht realisiert, dass Deiner der aus Valencia ist. Ein ausgezeichneter Kauf meiner Meinung nach!
    Wo hast Du ihn gekauft? Bei JPC finde ich ihn gar nicht, bei Amazon nur die Einzelopern ohne Siegfried...


    Edit: habe inzwischen alle Ringopern gefunden. Wird wohl bestellt. Super, dass es diese Aufführungen jetzt gibt!


    Grüße,
    Peter

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  • Hallo,


    gesten war dann also Rheingold angesagt. Und ich bleibe bei meinem ersten Eindruck. Orchester sehr gut, jedenfalls ich finde nichts daran auszusetzen, die Sänger auch sehr gut, vor allem Wotan ist wirklich groß, Alberich hat mir gut gefallen, bei Loge musste ich mich an den Akzent gewöhnen, aber stimmlich auch gut. Die Rheintöchter wie schon erwähnt, sowieso klasse mit extra Bonus für elegante Taucheinlagen! Und die Bühne, Kostüme etc. richtig klasse, futuristisch, spacig, mit echtem Chill. Hoffentlich wird das Niveau gehalten.


    Und da ich den BRDP digital in meinen Pre einspeisen kann, ist auch der Klang absolut zufriedenstellend.


    Ich kann es also uneingeschränkt empfehlen.


    Viele Grüße


    Dirk

    Streamen ist wie alkoholfreies Bier...scheint erstmal richtig zu sein, am Ende fehlt aber das Entscheidende.