Plattenkauf - lieber weniger und dann auch teure oder viele günstige?

  • Hallo,


    was auch ein schönes Sammelgebiet ist, sind Labels, die alles richtig machen (ein bisschen Hype und Limitierung gehören meist dazu). Am schönsten finde ich eine Abonniermöglichkeit wie bei den Singles-Clubs der Indie-Epoche - manches muss man dann vielleicht nicht haben, aber man entdeckt auch immer was.


    Im Moment gefällt mir z.B. das litauische Free Jazz-Label "NoBusiness" mit fast durchweg tollen veröffentlichungen und immer nur ein, zwei pro Monat, so dass man einigermaßen Schritt halten kann. Schöne Cover, Auflagen zwischen 300 und 500, Preise zwischen gut 20 und 30€...mich erinnert das ein bisschen an die Anfangstage von Leo Records oder FMP. Aber dazu schreibe ich mehr im entsprechenden Thread, es sollte nur ein Beispiel sein.


    Diesen Thread hier finde ich übrigens sehr inspirierend.
    Gruß Arnold

    aufhören, wo andere weitermachen

  • Ich denke, dass nicht nur die Herangehensweise sondern auch die Vorraussetzungen der Kommentatoren unterschiedlich sind. Ich vermute, dass viele von Euch wesentlich größere und vollständigere Sammlungen haben, als ich. Ich habe so ca. 400-500 Platten. Meine Frau denkt nicht, dass das wenig ist. Die Platten stammen jedenfalls aus den Bereichen Hardcore, Jazz, Indie, Pop, Rock, Metal, Klassik, um nur grobe Kategorisierungen zu nennen. Komplett ist natürlich keiner der Bereiche. Da ich mit Hardcore groß geworden bin gibt es hier am ehesten einzelne Bands, die ich von Anfang an gekauft und daher vollständig habe und wo ich versuche, zeitnah neue Veröffentlichungen zu kaufen, so lange es sie auf Vinyl gibt. Davon abgesehen aber sind die anderen Bereiche sämtlich nur stichprobenartig bestückt. Die meisten Platten kaufe ich in den letzten Jahren im Jazz. Mich interessiert besonders der Jazz der 60er. Bis ich sagen kann, ich habe da alles relevante auf LP wird es noch ein paar Jahrzehnte dauern (wobei ich gar nicht weiß, ob das überhaupt mein Ziel ist. Wird dann vielleicht auch irgendwann redundant). Mich interessiert aber auch der beginnende Jazzrock a la Bitches Brew und in letzter Zeit habe ich mir öfter deutsche Fusionsachen angehört. Es nimmt also kein Ende.
    Gestern war ich in Wiesbaden im Plattenladen. Ein gut sortierter und sympathischer Laden, die Platten kommen alle gewaschen und in gepolsterten Hüllen. Es gibt alle Preisklassen. Ich habe fünf Platten für insgesamt 45 Euro gekauft. Charles Mingus "Portrait" (live Doppel-LP), Archie Shepp "live on Broadway" (ovp) und VSOP "Tempest in the Colosseum" DoLP - alle für 13-14 €, dann noch "il grandi del Jazz" - Lennie Tristano und Duke Ellington greatest Hits - für 1,95 bzw. 0,65. Mingus und Shepp sind zwei der wenigen Künstler, die ich so schätze, dass ich auf jeden Fall alle Platten von ihnen langfristig haben will. Wenn ich in einem Laden welche sehe, kaufe ich welche. Ich sage extra "welche" - es gab von beiden noch mehr, zum Teil teurere, aber ich habe ja nicht vor, den Laden leer zu kaufen oder mein Sparbuch zu räumen. Ich fände es auch langweilig, mit nur Platten eines Künstlers rauszugehen. Da ich ziemlich sicher bin, dass nahezu alle Platten der beiden gut sind (die Shepp habe ich noch nicht gehört, die Mingus ist mal wieder genial), spielt es momentan noch keine Rolle, wie selten sie sind. Daher nehme ich erst mal die günstigeren. Irgendwann würde ich für die aber wahrscheinlich auch mal 40-50 Euro hinlegen, das stimmt schon. Kann aber noch ein paar Jahre dauern, bis es so weit ist. Statt der VSOP hätte es natürlich auch eine andere mutmaßlich gute Platte aus dem moderaten Preissegment sein können, natürlich kamen hunderte in Frage und da entscheidet dann die Intuition. Zu den billigen: Lennie Tristano ist so ein Name, den ich aus JEBs Jazzbuch im Hinterkopf habe, den ich mir schon immer mal anhören wollte. Da kommt der Zufall recht, dass ich das nun für 1,95 tun kann. Klar, ich hätte auch im Internet etwas von ihm suchen können. Aber es gibt noch viele solcher Namen und ich höre doch lieber Platten, als vorm Internet zu sitzen. Der Zufall hat mir jetzt L.T. beschert und was soll ich sagen? Gefällt mir. 13-14 Euro hätte ich dafür jetzt nicht ausgegeben, aber so isses nett ( es nervt nur, dass einige Lieder vor ihrem Ende ausgeblendet werden. Da wäre eine "richtige" Platte wahrscheinlich besser gewesen).
    Ich höre ja eher "moderneren" Jazz, aber ein paar Klassiker habe ich auch gerne in meiner Sammlung und machmal steht mir auch der Sinn nach so was. Daher ist eine Ellingtonplatte nicht falsch. 0,65, gut erhalten, alles klar. Da brauche ich nichts seltenes oder irgendwie exclusives. Die Ellington läuft gerade, ist eigentlich recht cool, der Sound ist auch nicht schlecht und es sind jetzt nicht unbedingt nur Mainstream-Hits.
    Ich vermute, bei vielen von Euch sieht´s ganz anders aus, wenn Ihr in den Plattenladen geht. Dann fehlen aus ganzen Musiksparten nur einzelne Exemplare oder Pressungen. Kompliziert wird´s bei mir, weil ich das oben beschriebene Schema genauso auch noch in der Metalabteilung oder beim Indie oder sonstwo anwenden könnte. Eigentlich würde ich mich gerne mal etwas mehr mit Krautrock beschäftigen, aber da fehlt mir noch total der Überblick. Eine wahllos, weil billig, erstandene "Jane"-Platte gefiel mir schon mal neulich ganz gut.
    Langer (sehr, hoffe ich langweile nicht...) Rede - kurzer Sinn: es gibt noch Tausende günstige bis normalpreisige Platten, die ich kaufen kann, bevor ich mich an die teuren mache...


    Gruß
    Robert

  • Hallo Robert,


    500 ist eine schöne Größe für eine Plattensammlung - man hat noch den vollen Überblick und fragt sich im Laden nie, ob man eine LP schon hat oder nicht, sie schmiegen sich geschmeidig in eine Ecke... .Wie es aussieht, wird sie sich bei dir aber irgendwann verdoppeln, denn allein schon von Archie Shepp und Mingus gibt es etliches. Hast du von Mingus schon "The Black Saint and the Sinner Lady"? Sehr tolle und eigenständige Platte! Und wenn du erstmal auf den Trip kommst, Miles Davis komplett haben zu wollen... 8o .
    So wie beschrieben lässt sich dein Kaufverhalten ja noch als vernünftig verteidigen, selbst gegenüber Ehefrauen.


    Gruß Arnold

    aufhören, wo andere weitermachen

  • ...kurzer Sinn: es gibt noch Tausende günstige bis normalpreisige Platten, die ich kaufen kann, bevor ich mich an die teuren mache...


    Hallo Robert,


    die "teuren" wirst Du demnach wahrscheinlich nie kaufen: ;)


    Die heutzutage teuren Scheiben sind in x Jahren wahrscheinlich sehr teuer bis unbezahlbar.
    Andererseits ist es natürlich nachvollziehbar, dass man als Sammler zuerst die preiswerten
    Standards eines Genres abgreifen will, bevor man sich an die "Spezialitäten" ranmacht. Da
    muss jeder für sich gucken, wie er/sie am besten klar kommt.


    Gruß
    Alex

    "... when something slips through your fingers/You know how precious it is/
    Well you reach the point where you know/It's only your second skin.." (Mark Burgess)

  • Andererseits ist es natürlich nachvollziehbar, dass man als Sammler zuerst die preiswerten
    Standards eines Genres abgreifen will, bevor man sich an die "Spezialitäten" ranmacht.


    Alex, der Preis und die Seltenheit ist kein Garant für gute Musik.


    Wenn ich mir die goldenen Kälber des Industrial anschaue ist einiges dabei was überbewertet und überteuert ist, Whitehouse z.B.
    Selbiges gilt für alle anderen Genres, ich sag nur Inbase ;)


    Es gibt genug gute und günstige Platten, man muss sie nur finden ;)


    vG
    Sven

    Music is magick, a religious phenomena, that short circuits control through human response. Let's go out of control. Experience without dogma... A morality of anti-cult. The ritus of youth. Our alchemical human heritage...(Genesis P-Orridge)

  • Robert hat ja erwähnt, daß er weder den Laden noch sein Sparbuch räumen will-ein m.E. sehr vernünftiger Ansatz. Außerdem, wo steht es daß Sachen die heute teuer sind auch in 10 Jahren teuer sein werden? Als ich anfing zu sammeln, so Mitte der 90er Jahren, waren die klassischen Living Stereos wahre Kultplatten für die Phantasiepreise verlangt wurden. Heute kann man sie mitunter für 1 Dollar kriegen. Ja, und manche begehrte Scheiben, die ich mit Begeisterung aufgelegt habe nachdem ich sie über den Teich bestellt hatte, erwiesen sich als herbe Enttäuschung...


    Gruß

    Kostas
    früher in Griechenland, inzwischen in Saarland

  • Die Black Saint... habe ich - für mich eine der besten Platten überhaupt.
    Ich finde, dass das was man zufällig und erschwinglich findet auch einfach eine Strukturierung ermöglicht. Irgendwo muss man ja anfangen und aufhören. Ich könnte ja zum Beispiel das Internet durchstöbern und alles ersteigern und bestellen, was ich von Archie Shepp finden kann. Aber natürlich würde das meinen Preisrahmen sprengen. Und was soll ich mit so vielen Platten auf einmal? Selbst wenn ich im Lotto gewinnen würde, würde ich das ungern so machen. Denn es würde dazu führen, dass ich die Platten erst mal ins Regal stelle. Spätestens nach der dritten hätte ich erst mal wieder Lust auf andere Musik. Und bis ich alle durch hätte, hätte ich längst schon wieder andere Platten. Das ist ja sowieso schon so. Aber ich versuche, nicht mehr zu kaufen, als ich hören kann. Sprich: bevor ich eine neue Bestellung oder einen Gang in den Laden mache, möchte ich alle letzten Platten wenigstens einmal gehört haben. Sie mindestens zweimal und davon mindestens einmal wirklich konzentriert gehört zu haben, bevor sie durch Neukäufe schon wieder entaktualisiert werden, wäre eigentlich mein Ideal, aber bereits das schaffe ich schon nicht. Mit manchen klar, aber nicht mit allen. Ich habe so einen Stapel mit Platten, die noch mal wirklich konzentriert gehört werden sollen (nebenher laufen lassen gilt nicht), bevor ich sie ins Regal einsortiere. Dieser Stapel wird immer größer, nimmt nie ab. Das nervt mich, und andererseits will ich immer neue Musik. Wahrscheinlich gehts Euch ja ähnlich. Jedenfalls bin ich froh, dass die zufällige Verfügbarkeit beim Stöbern dem Ganzen noch natürliche Grenzen setzt. Gilt natürlich nur für Second Hand-Platten. Aber bei Neuerscheinungen fällt es mir irgendwie leichter, ein vernünftiges Maß zu halten. Da gucke ich regelmäßig nach dem, was mir am allerwichtigsten ist. Das ist natürlich schon genug...


    Gruß
    Robert

  • Ich habe so einen Stapel mit Platten, die noch mal wirklich konzentriert gehört werden sollen (nebenher laufen lassen gilt nicht), bevor ich sie ins Regal einsortiere. Dieser Stapel wird immer größer, nimmt nie ab. Das nervt mich, und andererseits will ich immer neue Musik.


    Ja, das kenne ich auch. Für mich ist es ein Problem, wenn ich neu gekaufte Platten ins Regal stelle, bevor ich sie "verinnerlicht" habe, will sagen, ich vergesse sie einfach und stosse irgendwann auf der Suche nach einer anderen wieder drauf. Dann denke ich immer, ich sollte aufhören zu kaufen und lieber erst mal hören.


    Gruß aus dem Wuppertal


    Tim

  • Ich denke, keiner kann über eine Vollständigkeit sprechen. Auch von einem repräsentativen Auswahl können hier wohl nur ganz ganz wenige reden.
    Sicherlich haben einige auch vieles von einem Künstler, oder auch fast bis wirklich alle LPs von einem kleinen Label.


    Bei einem Gespräch vor kurzem mit einem älteren Herrn, einem sehr engagierten Sammler in 2. Generation (!), der nur Schellacks, Monos und LPs mit klassischer Musik sammelt, erzählte von ihm bekannten Schellack-Sammler, die an die 60-80.000 (!!) Schellacks inkl. extra Lager dafür haben. Bei dem Gespräch wurde auch erwähnt, dass im klassischen Bereich die LP-Veröffentlichungen in der Größenordnung von 300.000 sich bewegen, aber ohne die osteuropäischen LPs, wo mit Melodia, Supraphon, Hungaroton, Eterna noch einiges zu finden ist...


    Natürlich geht es nicht (unbedingt) darum, alles zu haben, auch ist so eine Sammlung schwer überschaubar, handhabbar, geschweige denn hörbar (wenn man großzügig von 10 LPs pro Tag ausgeht, kann man pro Jahr auch "nur" ), aber bei aller Sammelleidenschaft sollten wir, denke ich, immer vor Augen halten, wie nahezu bodenlos die Auswahl an Tonträgern ist!


    Eine weitere Überlegung ist, ob der Werterhalt und die Nachfrage wirklich noch mehr als 20 Jahre anhält. Viele (auch ich, als eher jüngerer hier) denke, dass die LP-Fans in den nächsten Jahrzehnten deutlich weniger werden. In erster Linie durch Altern bzw. Versterben werden viel mehr von uns gehen als dazukommen, und durch einige neue technologische Möglichkeiten werden viele jüngere Leute eher durch die Modewelle nur kurzfristig an die Sache gebunden.
    Somit glaube ich, dass in 10-15 Jahren sowohl die Angebote als auch die Nachfrage für LP deutlich weniger wird. Insgesamt wird es mit Sicherheit immer schwieriger werden, zumindest ältere LPs zu bekommen.


    Leider sehe ich es immer wieder: Pop, Rock, Jazz, etc. wechselt zwar auch immer den Besitzer, wandert aber dennoch bei allen Besitzern auf den Plattenteller, weswegen die Qualität deutlich leidet.
    Im Klassikbereich sieht es ganz anders aus, da gibt es viel mehr nahezu neuwertige LPs, da die Platten viel öfter nur Sammelobjekte sind als wirklich "Hör-Gegenstände".

    Schöne Grüße
    Balázs

  • Man muss aber auch immer ein wenig aufpassen das man nicht zu einer Art Messi wird ;) Bei den Flohmarktkäufen kommt schnell viel Mist zusammen - und wirklich wegschmeissen ist doch schwierig. Selbst bei ner Heino Platte hätte ich vermutlich Probleme die einfach in den Mülleimer zu stecken ...


    Ich würde ja auch einen echten Diamanten einem ganzen Sack von Schwarovskis vorziehen. Ich bin jedenfalls auf Flohmärkten und Börsen mittlerweile sehr zurückhaltend geworden.


    Gruß


    Uli

    >>:everybody has to sometimes break the rules:<<