Ostblockplatten (mit E-Musik)

  • Hallo Diskutier- und Informationsfreudige!



    Wer hat Erfahrungen mit Ostpressungen/Aufnahmen, also Melodia, Eterna, Hungaroton, Supraphon, Balkaton, Jugoton und was es von dort sonst noch gibt. Welche Interpreten, Dirigenten, Orchester sind gern gehört, welche nicht? Welche Pressungen klingen, welche nicht?


    Manche Platten haben einen englichen Text oder gar einen deutschen hinten mit auf der Coverrückseite, andere sind nur auf kyrillisch beschriftet, so das ich nichts verstehe, bestenfalls das Wort Schostakowitsch oder Oistrach entziffern kann. Gab es verschiedene Ausgaben für den Bedarf im eigenen Land und für den Export? Wer kennt sich damit aus?


    Ich habe mal gestöbert, was mir von meinen wenigen Eastern-Pressings am besten gefällt, also auch Lieblingsplatten von mir sind:
    - Die Bela Bartok Gesammtausgabe von Hungaroton
    - Dvorak 9. Symphonie mit der Tschechischen Philharmonie unter Karel Ancerl (Supraphon-ARTIA)
    - Honegger 5 Symphonien (3-LP Box) mit Sergé Baudo (Supraphon)
    - Mussorgsky Bilder einer Ausstellung mit Herbert Kegel und dem RSO Leipzig (Eterna)
    - Krzysztof Penderecki Lukaspassion (Polsky Nagrania-MUZA)
    - Prokofieff 6. Symphonie mit Gennadi Roshdestwensky (Melodia)
    - Rachmaninoff Grosses Morgen- und Abendlob (Ostervesper) mit einem staatlichen Chor unter Alexander Sweschnikow (Melodia)
    - Schostakowitsch 14. Symphonie mit Rudolf Barshai (Melodia, einfach nur genial)
    - Schostakowitsch Cellokonzert Nr. 2 mit Maxim Schostakowitsch (Melodia)


    Ich kaufe praktisch jede Melodia mit Schostakowitsch drauf, und bin jedesmal wieder begeistert von der darauf enthaltenen spannungsgeladenen Musik (Ausnahme Kondraschin). Klanglich finde ich die Ostaufnahmen mindestens gleichwertig den westlichen, wenn auch die absoluten Überflieger a la Decca und Co. fehlen.


    Tschaus
    Ingo

  • hallo Ingo,


    ich kann Dir absolut beipflichten, was Eterna und Melodya-
    Platten betrifft, mit den anderen Labels hab ich leider keine
    Erfahrungen bisjetzt, Supraphon mit Karel Ancerl zB. soll
    aber auch nicht schlecht sein.


    Ich kauf auch alles bedenkenlos wo Kegel, Oistrach, Rodestvensky, Prokofofiev, Annerose Schmidt, usw draufstehen.
    Viele dieser Aufnahmen sind sowohl in interpretatorischer als
    auch klangtechnischer Hinsicht den West-Pendants mindestens
    gleichwertig, eine oder mehrere Herbert-Kegel Produktionen
    haben es sogar zu Reissue-Ehren bei der AAA gebracht (Carl Orff, Die Kluge + Der Mond)
    Auf dem Flohmarkt kriegt man die Dinger immer noch fürn Appel
    und ein Ei...
    Mein Favorit: Peter und der Wolf, Kegel, Eterna 8 26 305


    gruss frank

  • Hallo Ingo! Hallo Frank!
    Und natürlich auch: Hallo an alle Interessierte!
    Meine Tipps auf die Schnelle:


    1. Tschaikowsky-Sinfonien mit Evgeni Svetlanov (Melodia)
    2. Dvorak-Sinfonien mit Vaclav Neumann und der Tschechischen Philharmonie - die Neunte ist auch klanglich ein Knaller! (Supraphon)
    3. Beethoven-Sinfonien mit Franz Konwitschny und dem Gewandhausorchester (Eterna) - immer noch einer der besten Beethoven-Zyklen. Davon gibt es auch Pressungen von Philips auf Mercury Wing und Fontana, die man relativ einfach für wenig Geld findet.


    Viele Grüße
    Gernot

  • Hallo Ingo,
    die LP von Rachmaninov: Ostervesper mit Shveshnivov besitze ich ebenfalls und die ist von der Musik her und interpretatorisch ein Traum, leider hinkt die Aufnahmetechnik etwas hinterher. Allein schon diese russischen Stimmen, so etwas bringt kein westlicher Chor zustande. :] Faszinierend finde ich auch, wie tief in einem Stück einige Sänger mit ihrer Stimme herunterkommen. Die Lp habe ich zweimal in England bestellt, und zwar jeweils für 1 Pfund. Manchmal ist es unglaublich, was für Perlen man zu einem Spottpreis bekommen kann, nur weil sie auf keiner Liste auftauchen, oder halt nicht auf Deccamercuryrca erschienen sind. :P Es hat aber auch seine Vorteile: So kann man manche Perlen für quasi nix bekommen, und deswegen bin ich auch froh, daß klein-uli so gut wie keine emis und philips besprochen hat. ;)


    Viele Grüße eugen

  • Hallo Kollegen!


    Was man auch nie stehen lassen sollte sind Ballett-Aufnahmen auf Melodia, sei es Tschaikowski, Delibes, Strawinski oder was auch immer. Der finanzielle Einsatz ist oft sehr gering, der musikalische Gewinn ungleich größer.


    Viele Grüße
    Gernot

  • Hi!


    Ich war bis jetzt den "Ostpressungen" sehr skeptisch gegenüber. Aber gestern hat mir ein Bekannter eine schöne alte original Melodia-Platte (welches Jahr kann ich leider nicht sagen) mitgebracht. Juri Simonov spielt mit dem Bolschoi-Orchester(??? sorry, kyrillisch) die 5. von Prokofieff. Vom Klang her bin ich ziemlich beeindruckt, auch die Interpretation hat mir beim ersten Durchhören gut gefallen. Mal sehen, wie die nach dem Waschen klingt ;) ...


    (Einen Buchstabenkonverter kyrillisch-lateinisch habe ich noch gefunden, ziemlich lustiges Ding)


    Gruß, the0

  • Hallo,


    habe gestern auf dem Flohmarkt zwei schöne, echt russische Melodiya erstanden:


    Rachmaninov , Konzert Nr. 2 für Klavier und Orchester. Rudolf Kerer, Klavier und Kirill Kondrashin mit dem Symphonie Orchester der Moscower Philharmonie


    [Blockierte Grafik: http://www.longinonet.de/pics/eBay/melodiya2f.jpg] [Blockierte Grafik: http://www.longinonet.de/pics/eBay/melodiya1l.jpg]


    und:


    Rachmaninov , Konzert Nr 3 für Klavier und Orchester. Yevgeny Mogilevsky am Klavier und wieder Kondrashin mit dem philharmonischen Symphonie Orchester Moskow


    [Blockierte Grafik: http://www.longinonet.de/pics/eBay/melodiya1f.jpg] [Blockierte Grafik: http://www.longinonet.de/pics/eBay/melodiya2l.jpg]


    Die Platten sind sehr gut erhalten und klingen auch gut, keine Billigpressung oder sowas (Scheiben haben auch 140 gr). Die Mono-Scheibe klingt sehr ausgewogen. Die musikalische Qualität in Ruhe zu beurteilen, hatte ich noch keine Zeit.


    Meine Frage: Wie kann ich das Alter dieser Pressungen bestimmen? Auf der ersten Platte ist das jüngste in den Linernotes erwähnte Datum 1957, bei der zweiten 1964. Sonst keine Angaben.


    Gruss,
    Mario

    Viele Grüsse,
    Mario


    It is good taste, and good taste alone, that possesses the power to sterilize and is always the first handicap to any creative functioning. (Salvador Dali)


  • Genau diese Platte mit Prokofievs "Peter und der Wolf" und Benjamin Brittens "Orchesterführer für junge ´Leute" habe ich heute auf dem Flohmarkt erworben. Diese Eterna-Einspielung klingt phantastisch! Transparent ohne Ende selbst bei den Tutti, räumlich, tonal sehr ausgewogen und mit einem sauberen, kräftigen, tiefen Bass, wie selten gehört. Interpretatorisch: für mich zumindest was Prokofiev betrifft, die beste die ich kenne.


    War aber teuer: einen ganzen Euro hat das Stück gekostet. Und das am frühem Morgen und auf nüchternem Magen ;)


    Nebst weiteren Eternas, zum Teil ganz alt, mono, Rachmaninovs "Konzert Nr. 3, op. 30" läuft gerade. Klasse!


    Weiß jemand, wo sich mehr über die Geschichte des Labels Eterna finden läßt?


    Gruss,
    Mario

    Viele Grüsse,
    Mario


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  • Hallo Solong,


    einen Königsweg zur Altersbestimmung von Melodias kenne ich auch nicht, nur soviel: Pressungen mit blauem Label würde ich vom Gefühl her in die (frühen) 70er datieren, anschließend wurde das Label rot (dann mit dmm-Schnitten und Digitalaufnahmen), und die letzten Klassikscheiben (späte 80er) scheinen mit einem weißen Label verkauft worden zu sein.


    Ich bin aber jetzt zu faul zum Scannen....


    Ich würde davon ausgehen, das die Stereo-Ära bei Melodia schon deutlich später begann als im Westen, und keine StereoLP vor ca. 1968 in nennenswerten Stückzahlen auf dem markt war.


    Gruß


    Ingo

  • Zitat

    Original von Ingo Schröder
    anschließend wurde das Label rot (dann mit dmm-Schnitten und Digitalaufnahmen), und die letzten Klassikscheiben (späte 80er) scheinen mit einem weißen Label verkauft worden zu sein.


    Hallo Ingo,


    es ist offenbar nicht einfach, die Labelhistorie im Netz zu recherchieren: auf nicht-slawisch, nicht-kyrillisch ist kaum was zu lesen zu kriegen.


    Ich habe eine Melodya mit rotem Label von 1982. Weiße habe ich nicht.


    Gruss,
    Mario

    Viele Grüsse,
    Mario


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  • Hallo Mario,


    wo hast Du denn etwas in kyrillisch gefunden, meine Gattin ist dieser Sprache mächtig und wäre bestimmt so nett es zu übersetzen.


    Gruss


    Dirk

  • Hallo,


    Ost-Platten sind nicht besser und nicht schlechter als Westplatten.


    Was mich als Sammler allerdings begeistert, ist eine Tendenz zur Vollständigkeit bei der Eterna. In deren Beethoven-Gesamtausgabe gibt's unglaublich viele WoOs (Werke ohne Opuszahl), die kaum im Westen aufgenommen wurden. Ich behaupte nicht, dass man jedes Gelegenheitswerk von LvB in fünf Interpretationen im Regal stehen haben muss, aber die Haltung, die dahinter steht, verlangt mir Respekt ab: Eterna konnte offenbar aus Gründen des Prestiges Musik produzieren, die am freien Markt wenig Absatz-Chancen gehabt hätte.


    Ein Thema für sich wären russische Streicher und Pianisten, und damit meine ich nicht die vier bekanntesten, nämlich Richter, Gilels, Oistrach und Rostropowitsch. Und spielt das Suk-Trio nicht im Vergleich zu den Marktführern vom Beaux-Arts-Trio auf phantastische Weise "ungekünstelt" und damit umso kunstvoller? Peter Schreier, der Eterna-Liedinterpret wäre auch so ein Fall - der hat vielleicht nicht das Stimmmaterial wie ein Fritz Wunderlich, aber seine (eigentlich Schuberts...) Schöne Müllerin finde ich mindestens vergleichbar überzeugend, schon weil der Klavierpartner bei Schreier auf gleicher Höhe agiert, was man vom etwas bieder spielenden Hubert Giessen bei Wunderlich leider nicht sagen kann.

  • Mit roten, weißen, gelben blauen und rosa Labels ist das bei Melodiya so eine Sache... Es gibt ja nicht nur die verschiedenen Jahrgänge, sondern auch verschiedene Presswerke (die jeweils ausdrücklich angegeben sind). Ich habe mal versucht, dort eine Systematik zu entdecken, indem ich mir die Labels aller meiner Melodiyas (mehrere hundert, da ging ein ganzes Wochenende bei drauf) angeschaut habe - es ist zwar eine Tendenz festzustellen (blaue, gelbe und rosa Labels werden in den späteren Jahren tatsächlich nicht mehr benutzt), aber immer wenn ich dachte, eine Regel gefunden zu haben, kam die nächste Ausnahme.

  • Ich wollte noch eine kurze Anmerkung zu Theodor machen: Waschen ist bei Melodiyas wirklich Pflicht, am besten gleich mehrmals hintereinander. Klar, heute gibt es die Scheiben nur noch gebraucht, und sie sind dann ohnehin meistens ziemlich verdreckt. Aber 1990 konnte man in Russland noch fabrikneue LPs kaufen, und selbst die waren nach dem Waschen oft kaum wiederzuerkennen (deutlich geringerer Störgeräuschpegel und frischerer Klang). Ich vermute mal, dass da oft noch irgendwelche Pressrückstände oder sonstige Partikel drin waren.

  • Hallo Markus,


    ja, das mit den Labelfarben scheint spannend zu sein. Mein Melodya-Bestand wächst langsam aber stetig. Hier in Bayern gab und gibt es viele Leute russischer Herkunft, die das Vinyl wohl eingeführt haben, jedenfalls finden sich Melodya regelmässig auf den Flohmärkten (das gilt übrigens auch für echt ungarische Hungaroton, tschechische Supraphon, usw. - auf letzterem Label habe ich inzwischen auch einige von Josef Suk, ein Schüler Dvroraks, sowie vom Suk Quartett. Der These von Quartett von der "ungeküstelten" Interpretation, im Thread weiter unten, werde ich mal nachgehen).


    Ich habe nun blaue Labels in Mono (siehe Bilder oben), blaue Labels in Stereo, rote in Mono, rote in Stereo (die einzige Melodya mit Jahresangabe: 1982). Weiss und rosa habe ich noch nicht.


    Was die Qualität angeht: ich kann bei den Melodya, Supraphon, Hungaroton keine nennenswerten Qualitätsunterschiede zu Standard-Westplatten erkennen. Weder was die Pressgüte, noch was die Klangqualität angeht. Manche Melodya klingen sogar ausgesprochen gut, andere sehr gewöhnlich - eine Beobachtung, die ich bei Klassikplatten immer mache. Ich habe auch noch nicht entdeckt, dass die Platten mehr gewaschen werden müssten, als westliche. Sowieso muss ich Scheiben vom Flohmarkt stets mehrmals waschen: auf dem Waschbären fünf, sechsmal. Gerade alte DGs (50/60 Jahre) sind hier die Sorgenkinder.


    Wo kannst Du auf den in kyrillisch notierten Labels bzw. Covern das Presswerk identifizieren?


    @Dirk Kosse: Danke für Dein Übersetzungsangebot! Leider habe ich die kyrillischen Links nicht mehr zur Hand, da ich diese während einer Dienstreise in Tschechien auf einem, für den Osten bestens konfigurierten Kollegen-Computer und auch nur dank des dem Russischen mächtigen Kollegen entdeckt hatte. Ich versuche nochmal, an die Links zu kommen.


    Viele Grüsse,
    Mario

    Viele Grüsse,
    Mario


    It is good taste, and good taste alone, that possesses the power to sterilize and is always the first handicap to any creative functioning. (Salvador Dali)

  • [
    - Ich habe nun blaue Labels in Mono (siehe Bilder
    - oben), blaue Labels in Stereo, rote in Mono, rote in
    - Stereo (die einzige Melodya mit Jahresangabe:
    - 1982). Weiss und rosa habe ich noch nicht.


    Weiß dürfte, rein gefühlsmäßig, neben rot die häufigste Labelfarbe sein. Ich bringe mir meine Melodiyas immer in großen Mengen aus Russland mit, was zwar ab und zu Probleme beim Zoll sowie körperliche Beschwerden meinerseits (Rücken) zur Folge hat, aber im Nachhinein hat es sich immer gelohnt. In Russland kann man sehr viele LPs finden, die offenbar nicht für den Export vorgesehen waren (rein russischer Covertext - bei den Exportversionen sind auch meistens englische Übersetzungen dabei), und die haben sehr oft ein weißes Label.


    - Was die Qualität angeht: ich kann bei den Melodya,
    - Supraphon, Hungaroton keine nennenswerten
    - Qualitätsunterschiede zu Standard-Westplatten
    - erkennen. Weder was die Pressgüte, noch was die
    - Klangqualität angeht.


    Das Problem ist für mich die stark schwankende Klangqualität und dass man die in keiner Weise an den Bestellnummern festmachen kann. Man hat also in dieser Hinsicht beim Kauf ein gewisses Risiko, was aber angesichts der nach wie vor lächerlichen Preise zu verschmerzen ist. Auffallend ist, dass die meisten der wirklich sehr gut klingenden Melodyas aus den 60ern und frühen 70ern stammen. Einige sind geradezu als "audiophil" zu bezeichnen und wurden ja auch nicht umsonst teilweise als EMI ASD lizensiert.
    Wahrscheinlich kommt die große Spanne von hervorragender bis miserabler Klangqualität auch daher, dass es halt die einzige Plattenfirma (für ein riesiges Land) war und alle Arten von Aufnahmen (Studio, Rundfunk, Live) verwendet wurden.


    - Ich habe auch noch nicht entdeckt, dass die Platten mehr gewaschen werden müssten, als westliche.


    Liegt bei mir wohl daran, dass die in Russland gekauften LPs oft sehr verdreckt sind, wenn auch in den seltensten Fällen verkratzt. Andererseits habe ich, wie gesagt, noch nie so eine starke Verbesserung durch Waschen bei FABRIKNEUEN LPs erlebt wie bei Melodiya.


    - Wo kannst Du auf den in kyrillisch notierten Labels
    - bzw. Covern das Presswerk identifizieren?


    Im oberen Bereich des Innenlabels unter dem Logo. Bei der von Dir gescannten Platte ist es z.B.:
    Aprelevskij Zavod.