Der Geiger-Thread

  • Die immer wieder gleichen Stücke in anerkannt "richtigen", weil schon auf tausend Schallplatten immer wieder gehörten Phrasierungen?

    Was davon schon "richtig" ist, bleibt noch zu klären. Ich bin also Deiner Meinung: Gähn.

    nicht nur zwischen Werk und Publikum vermitteln

    Darauf kommt es an und das wurde von Komponisten immer wieder gefordert.

    gerne bis hin zum Geräuschhaften

    Das hat doch eine gute Tradition! Vivaldi wollte es, Beethoven forderte es, Mahler auch ... und es gibt noch viel mehr Quellen, die das belegen.
    Dass alles immer schön klingen muss, ist eine Idee der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts (die natürlich ihre Wurzeln deutlich früher hat, aber erst dann voll zru Ausprägung kam). Warum nur gab es dann die Gegenbewegung mit der immer geräuschhafter werdenden Neuen Musik?
    Vor den 2. Weltkrieg wurde noch deutlich affektorientierter gespielt. Ich habe eine Aufnahme mit Oistrach von 1932 - da klingt er auch noch deutlich anders als später.
    Und die Bassisten der Berliner Philharmoniker waren Anfang der 20er Jahre auf einer Frankreichtournee völlig überrascht und schockiert, als sie sahen, dass die frz. Kollegen an den Bässen mit Vibrato spielen. Heute ist das auch bei uns normal.

    Einmal editiert, zuletzt von StefanG ()

  • Ich habe das gestern etwas flott geschrieben. Ich sollte hinzufügen, daß ich diese Interpretationen abseits der klassischen Pfade sehr schätze. Das kann manchmal daneben gehen (ich finde den ersten Satz nicht ideal gelungen), kann aber auch wunderbar funktionieren (Kops Beethovenkonzert). Ein mit konsequenter Überzeugung vorgetragens Experiment an dem ich mich reiben kann und wenigstens (m)eine (andere) Meinung stärken kann ist immer der unaufgeregten Mainstream vorzuziehen.
    Auch in diesem Fall fand ich PatKop sehr interessant - und vor allem ohne Mängel im Zusammenspiel etc.


    Zu Ihrem Verhalten, nun, ich bin nicht nur Plattenhörer und im Konzert hört das Auge mit. Einerseits praktisch, andererseits blöd. Ich bevorzuge elegante Zurückhaltung auf der Bühne - aber das ist evtl. auch eine Typfrage.

    Viele Grüße,
    Moritz

  • Warum nur gab es dann die Gegenbewegung mit der immer geräuschhafter werdenden Neuen Musik?


    Das hatte eigentlich nicht so viel mit Klangästhetik zu tun, sondern mehr mit philosophischen Überlegungen. Im Sinne einer Gleichberechtigung von Klang und Geräusch. Eine logische Folge der mit der Zwölftontechnik eingeführten Gleichwertigkeit der Töne einer temperierten Oktave.


    Gruß,
    Markus

  • Das hatte eigentlich nicht so viel mit Klangästhetik zu tun, sondern mehr mit philosophischen Überlegungen.

    Die philosophischen Überlegungen standen sicher im Vordergund, die klangliche Komponente war allerdings auch für viele wichtig. Es spielen ja immer mehrere Dinge ineinander.

  • Eben hörte ich im Radio Ausschnitte aus einer Neuproduktion der DG mit den Violinsonaten von Ch. Ives mit Hilary Hahn. Was sie mit ihrer Klavierpartnerin Valentina Lisitsa da veranstaltet macht einen atemberaubenden Eindruck 8o
    Sensationell :thumbup:


    Ich hielt bisher die Aufnahme mit Hans Heinz Schneeberger bei ECM für eine Referenzaufnahme - aber ich glaube das könnte sich geändert haben.
    Dennoch bleibt für mich ein Konzert mit der 2.Ivessonate mit Schneeberger eines meiner größten kammermusikalischen Erlebnisse - auch wenn er mit bereits jenseits der 80 sein Alter im Spiel nicht mehr immer verheimlichen konnte.

    Viele Grüße,
    Moritz

  • "Das Katzengeschrey angelanget wird folgender gestalt gemacht, daß man
    mit einem Finger manchen ton, da die Noten stehet, mehlichen unterwartz
    zu sich zeuhet, da oben die Semifusen geschrieben seyn, muß man mit dem
    Bogen bald vor bald hinter den Stegk uffs ärgste und geschwindeste als
    man kan faren, auff die weise wie die Katzen letztlichen, nachdem sie
    sich gebissen und jetzo aufreissen, zu thun pflegen." (Carlo Farina, geb.
    1600 in Mantua, gestorbem 1639 in Wien, Konzertmeister in Dresden unter Heinrich Schütz.)

    Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_Farina
    Soviel zum Thema "Geräuschhaftigkeit" beim Geigenspiel. Das hat eine Tradition, die ist so lang wie die Geschichte der Geige selbst.


    :)


    Freundlich grüßend


    Heinz

    Gewerblich? Privat? Nach den neuen Regeln nicht. Allerdings schreibe ich für image hifi. Hier Gepostetes ist aber immer privat gemeint.

    2 Mal editiert, zuletzt von Heinz.Gelking ()

  • Ich habe mir gerade diesen Youtube-Link angehört und finde, dass Kopatchinskayas Version richtig gut ist. Für mich ist sie eine große Individualistin, deren Ausdrucksbedürfnis keineswegs aufgesetzt wirkt (anders als z.B. Nigel Kennedy) . Ich mag es, wenn sie dabei extreme Mittel einsetzt, gerne bis hin zum Geräuschhaften geht. Ich mag es, wenn sie Phrasierungen vollkommen ändert und damit eine neue, überraschende Lesart anbietet. Es wirkt bei ihr ja nie willkürlich, es ist kein "Hauptsache anders". Wenn ihre Intonation schwankt, dann dürfte auch dies ein bewusst gewähltes Ausdrucksmittel sein (man kann ihr ja nun nicht vorwerfen, dass sie nicht über das Handwerkszeug verfüge...).


    Wie Reinhard immer sagt: Dem ist nichts hinzuzufügen. Der K. nehme ich ab, dass die vom Temperament her wirklich so ist. Sobald man etwas bekannter ist, wird jede Individualität natürlich gleich wieder zum Markenzeichen. Aber unfrisierte Natürlichkeit vielleicht mal so salonfähig, dass sich - Shrek lass' nach - Julia Fischer abschminken muss. :D


    Also mal nicht so zimperlich Moritz und raus aus den Lack-Gamaschen, wirst schon nicht am Pedal festfrieren... ;)

    schrecklich amüsant, aber...

    10 Mal editiert, zuletzt von audiowala ()