Tonarmgeometrie - Nulldurchgänge was ist das?

  • Ich möchte mal versuchen, mit diesem Beitrag einerseits einen Überblick zur Tonarmgeometrie zu geben und andererseits die generellen Zusammenhänge soweit zu beleuchten, daß diese verständlicher werden und bei der nächsten kommenden Tonabnehmerjustage verwendet werden können.


    [Blockierte Grafik: http://ohrenanstalt.de/files/tonarmgeometrie_s.jpg]


    Die Tonarmgeometrie ist grundsätzlich durch die folgenden Parameter bestimmt:


    -> Gesamtlänge
    -> Montageabstand - also der Abstand zwischen Tellerachse und Drehachse des Tonarmes
    -> Überhang - der Abstand, den die Nadelspitze über die Tellerachse hinaus ragt
    -> Kröpfungswinkel - das ist der Winkel, um den die Headshell aus der gedachten radialen Linie zwischen Abtastbogen und Tonarmdrehpunkt verdreht ist


    und hieraus ergibt sich dann der sog. Spurfehlerwinkel (engl. tracking error) - legt man an der Rillenflanke eine Tangente an und diese ist dann mit der gedachten Mittellinie der gekröpften - also in horizontaler Ebene verdrehten - Headshell deckungsgleich, so ist an genau dieser Stelle der Schallplatte der Spurfehlerwinkel = 0. Man spricht dann von einem Nulldurchgang.


    Betrachtet man die in obiger Skizze grün eingezeichneten Rillentangenten, so fällt auf, daß diese immer im 90 Grad-Winkel zum Radius stehen und diese auf Höhe der Einlaufrille einen Winkel größer des Kröpfungswinkels des Tonarmes hatte und je weiter man den Tonarm in Richtung Auslaufrille dreht einen Winkel kleiner dem Kröpfungswinkel des Tonarmes bekommt. Die sich hinter diesem Verhalten der Rillentangente verbergende mathematische Funktion beschreibt eine Parabel . Deshalb existiert dieser Nulldurchgang genau zweimal auf der von der Nadel zurückgelegten Kreisbahn zwischen Einlauf- und Auslaufrille.


    In genau diesen beiden Punkten ist die Nadel in der optimalen Position, da auch der die Nadel führende Nadelträger tangential zur Rille steht und somit die Nadel sozusagen optimal mittig in die Rille eintauchen kann.


    Die mathematische Herleitung ist kompliziert, wurde aber erstmals von Baerwald und Loefgren ab ca. 1938, später von Bauer (1945) und anschließend von Stevenson (1966) unter verschiedenen dringend zu berücksichtigenden Vorzeichen behandelt und errechnet.


    Die grundlegenden geometrischen Zusammenhänge sollten anhand dieser Kurzbeschreibung nun etwas deutlicher geworden sein.


    Es bleibt allerdings der wichtige Hinweis, daß genau diese geometrischen Zusammenhänge u.U. die Verwendung einer angeblich allgemeingültigen Schablone zur Justage eines Tonabnehmers unmöglich machen.


    Der Hintergrund hierzu ist folgender ...


    ... die handelsüblichen Schablonen folgen einer über bestimmte Nulldurchgänge festgelegten Geometrie ... diese folgt in vielen Fällen dem veralteten Theorem von Baerwald.


    Baerwald und Loefgren formulierten Ihre Aufsätze unter der Berücksichtigung von Mono-Tonabnehmern - Stereo war zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht existent. Bauer dürfen wir dann als die Betrachtung der ersten Gehversuche im Stereosektor betrachten und Stevenson steht dann sozusagen für die erste moderne Weiterentwicklung der Theoreme von Baerwald und Loefgren, Peter Rother sowie Keisuka Ikegami und Susumu Hoshimi transformierten die rein zweidimensionale geometrische Betrachtungsweise ihrer "Vorgänger" in ein dreidimensionales System aus Krafttensoren.


    Besitzt der verwendete Tonarm auf der konstruktiven Seite eine von z.B. Baerwald abweichende Geometrie, so wird man in den auf einer Baerwald folgenden Schablone eingezeichneten Nulldurchgängen eben keinen minimierten Spurfehlwinkel erreichen und die Wiedergabe wird u.U. in Richtung Auslaufrille verzerren ...


    ... dies gilt insbesondere für die Audio-/ ELAC-/Schön- und die Stadthaus-Schablone ...


    ... ein klassisches Beispiel für so einen inkompatiblen Fall stellen z.B. die SME-Tonarme der Serie 3009 oder 3012 dar ... auf der anderen Seite stehen die zu Stevenson kompatiblen Tonarme von Rega ... zumindest für den Fall, daß man diese mit einer Stevenson folgenden Schablone einstellt.


    Die einzig gültige Empfehlung für eine wirklich passende Schablone heißt entweder die Schablone des Herstellers nutzen oder Millimeterpapier und Bleistift ...


    ... also auf Millimeterpapier die für den verwendeten Tonarm vom Hersteller vorgesehenen Nulldurchgänge und das Mittelloch der Tellerachse einzeichnen und die Einstellung des Tonabnehmers ausschließlich mit der so entstandenen Schablone vornehmen.


    Im Umkehrschluß kann es allerdings keine wirklich allgemein und für jeden Tonarm gültige Schablone geben.


    weiterführende Fachartikelliste:


    -> Erik Loefgren, http://www.helices.org/auDio/turnTable/lofgren.pdf,%201938']Über die nichtlineare Verzerrung bei der Wiedergabe von Schallplatten infolge Winkelabweichungen des Abtastorgans[/url]


    -> H.G. Baerwald, Analytic treatment of tracking error and notes on optimal pickup design


    -> B. Bauer, Tracking Angle in Phonograph Pickups


    -> J.K. Stevenson, Pickup Arm Design -- 1 & 2


    Und aus der englischsprachlichen Foren-Szene


    -> John Elison's downloadable Excel spreadsheet for calculating horizontal tracking error and distortion, with graphs - diese Berechnungen folgen Baerwald und Loefgren - John Elison ist der Forianer des Vinyl-Asylums, der Jonathan Carr dazu bewegte, das Design der TAs von Lyra grundlegend zu überarbeiten


    -> US-Patentschrift No.4326283: Cartridge alignment system

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