Hallo zusammen,
einige Mitglieder unseres lokalen HiFi- Stammtisches haben 2006 einmal versucht, einen möglichst objektiven Vergleichstest für unterschiedliche Verstärkerkonzepte durchzuführen. Das -etwas spießige- Protokoll hierzu habe ich gerade wiedergefunden und das möchte ich Euch nicht vorenthalten. Viel Spaß beim Lesen:
Workshop vom 30.07.2006, Protokoll vom 31.07.2006:
In der ersten Testreihe sollte geklärt werden, ob es möglich ist, unterschiedliche Endstufenkonzepte im Blindtest herauszuhören.
Der Test fand in einem Konferenzraum mit ca. 40 qm Grundfläche statt. Der Raum hat den Vorteil, drei Seiten mit einem raumhohen, schweren Vorhang vollflächig schließen zu können, so dass eine sehr trockene, studio- ähnliche Akustik erreicht wird. Möglicher Nachhall wird noch durch die Bestuhlung und natürlich die anwesenden Personen unterdrückt. Insgesamt wurde die Akustik von allen Beteiligten als angenehm und gut empfunden.
Die insgesamt 10 Teilnehmer waren allesamt Mitglieder des Passauer High-End- Stammtisches und beschäftigen sich mit dem Hobby seit vielen Jahren. Einige der geladenen Mitglieder haben sich im Vorfeld von dem Test distanziert, mit dem Hinweis, es sei ihnen natürlich sofort möglich, die Klangunterschiede exakt zu bewerten. Den Beweis dafür sind sie allerdings schuldig geblieben. Die Mitglieder, die nicht teilnehmen wollten, waren u.a. ein regionaler Lautsprecherhersteller und ein Hobby-Entwickler von Röhrenverstärkern.
Als Lautsprecher wurden zwei Standlautsprecher von Dali verwendet, die über einen guten Wirkungsgrad verfügen und recht neutral und sauber klangen. Der CD- Spieler war von EMT, die Vorstufe eine Conrad-Johnson. Es wurden hochwertige Verbindungskabel, Netzkabel und Steckerleisten verwendet.
Alle Verstärker wurden mit einem kalibrierten Schallpegelmessgerät und rosa Rauschen auf exakt gleiche Abhörlautstärke eingemessen.
Die Testkandidaten waren:
Eine hochwertige Transistorendstufe von audionet, Preisklasse ca. 3.500,00 €
Ein Paar Transistor-Class-A-Endstufen, Modell HGP Groppo
Eine Pentodenendstufe aus den 60ern, eine harman/kardon Citation, restauriert und abgeglichen.
Ein Digital-Amp, Modell sonic-impact t-amp, für ca. 30,00-40,00 € im Internet erhältlich.
Die Verstärker waren für die Tester hinter Blenden und unter einer Decke versteckt, es war auch nicht möglich, durch Kabelführung etc. zu vermuten, welcher Verstärker gerade angeschlossen war. Einer der Tester stellte sich für die Umschaltung zur Verfügung, nur er wusste, welcher Verstärker gerade angeschlossen war. Während der Anschlussarbeiten haben alle übrigen Teilnehmer den Hörraum verlassen, es wurden keine Vermutungen über mögliche Ergebnisse geäußert.
Gehört wurden nacheinander 3 Tracks:
Pop: Eine typisch „audiophile“ Frauenstimme mit akustischen Instrumenten.
Jazz: Ein ruhiges Stück von Miles Davis.
Rock: „Hells bells“ von AC/DC
Alle Titel wurden zwei Minuten lang nacheinander angespielt.
Insgesamt gab es 5 Durchgänge, beim letzten Durchgang wurde einer der 4 Verstärker nochmals gespielt. Die Ergebnisse wurden in eine Liste eingetragen, auf Wunsch konnten die Teilnehmer anonym bleiben. Während der Hörtests machten sich einige Teilnehmer umfangreiche Notizen zu ihren Klangeindrücken.
Es wurde generell erwartet, die Kandidaten recht gut einordnen zu können, da die folgenden Klangeindrücke durch Zeitschriften etc. den einzelnen Verstärkern gern wie folgt zugeordnet werden:
Class A/B: Sauber, unspektakulär, guter, trockener Baß, etwas emotionslos.
Class A: Etwas „wärmer“ im Klang, wird meistens als „musikalischer“ beschrieben.
Röhre: Wird meistens mit „warmen“, angenehm klingendem Klangbild in Verbindung gebracht, meistens mit etwas undefiniertem Bass.
Digitalamp: Meistens mit „kühlem“, flachen und leblosem Klang als eher ungeliebt empfunden.
Die Ergebnisse der einzelnen Durchgänge wurden von den Teilnehmern in einem
Auswertungsbogen festgehalten.
Nach Ende dieses ersten Durchgangs erfolgte eine kurze Pause.
Ziel des zweiten Durchgangs war es, einen „besten“ Kandidaten herauszuhören. Der „beste“.
Verstärker war derjenige mit den meisten Stimmen.
Zu diesem Zweck wurde ein einzelner Titel jeweils ca. 3 Minuten lang gespielt.
Keiner der Teilnehmer wusste, welche Endstufe gerade läuft.
Danach verließen die Teilnehmer wieder den Raum und es wurde ein anderer Verstärker
angeschlossen.
Danach wurde abgestimmt, welcher Verstärker der „bessere“ sei. Zu diesem Zweck wurden
gleichzeitig Zettel mit der Nummer 1 oder 2 in die Höhe gehalten, um zu vermeiden, dass
sich einzelne Tester einer Mehrheit nachträglich anschließen konnten.
Danach wurde der Vorgang mit den anderen beiden Verstärkern wiederholt und
abschließend der „Sieger“ des ersten Durchgangs mit dem des zweiten Durchgangs
verglichen.
Anschließend erfolgte die Auswertung.
Es ergab sich folgendes Ergebnis:
Erste Testreihe:
Es muß aufgrund der Ergebnisse festgestellt werden, dass kein einziger Teilnehmer in der Lage war, zweifelsfrei einen bestimmten Verstärkertyp aufgrund des Blindtests zu bestimmen.
Nur ein einziger Teilnehmer konnte dreimal den richtigen Verstärker zuordnen, alle übrigen Teilnehmer mussten sich mit null, einem und vereinzelt zwei Treffern begnügen.
Somit sind die Fehleinschätzungen wesentlich höher als die Treffer.
Dies bedeutet bei trockener Auslegung der Statistik, dass
- offensichtlich keine wesentlichen Klangunterschiede festzustellen waren. Alle Teilnehmer haben auch bestätigt, dass die Klangunterschiede wesentlich geringer als angenommen waren.
- Kein Verstärkerkonzept offensichtlich eindeutig über die angenommenen Klangcharakteristiken verfügt.
- Alle Kandidaten auf einem ähnlichem Niveau spielen.
Zweite Testreihe:
Beim ersten „Duell“ spielte die audionet- Endstufe gegen die HGP Groppos:
Ergebnis: 6:4 für die audionet
Beim zweiten Durchgang spielte der Digitalamp gegen die harman/kardon- Röhre:
Ergebnis: 9:1 für den Digitalamp
Dies war das einzige relativ sichere Ergebnis des Tests.
Interessanterweise hat der Eigentümer der Röhrenendstufe ebenfalls für den Digitalamp gestimmt.
Beim dritten Durchgang spielte der Digitalamp gegen die audionet-Endstufe:
Ergebnis: 6:4 für den Digitalamp.
Ich habe mich bemüht, den Testverlauf neutral und wertungsfrei wiederzugeben.
Klar ist, dass das Testergebnis Spielraum für Diskussionen geben wird. Einig waren sich die
Teilnehmer, dass ein ähnlicher Workshop –vielleicht mit einem Vergleich unterschiedlicher
CD- Spieler oder Laufwerken, Kabeln...- wieder stattfinden sollte.
Allen Beteiligten jedenfalls herzlichen Dank, besonders denen, die sich mit Boxen
abschleppen mussten und weite Wege in Kauf genommen haben.
Freundliche Grüße,
Rafael