Ich will noch das eine oder andere anmerken, ohne im Einzelnen auf Eure Beiträge einzugehen.
Wem's zuviel Text ist, einfach überblättern.
Die Präferenzen und die Senderlandschaft der späten 60er Jahre waren halt grundlegend anders, als in den 70ern und 80ern. Wenn man in USA Sender nur alle 400 kHz nebeneinander zuläßt, gibt es automatisch weniger Stationen.Es wurde auch grundlegend mehr Klassik übertragen.
Gehen wir zurück: Reinhard Wieschhoff arbeitet bei Avery Fischer in New York, Richard Modafferi entwickelt gleichzeitig bei McIntosh in Binghampton den MR-75, 77 und 78.Dessen narrow-Stufe ist bereits als Quarzfilter ausgeführt und hat eine (auch für Europa!) ausgezeichnete Trennschärfe.
Die Idee dazu hat Modafferi bereits Mitte der 60er Jahre, er reicht seine "Thesis" zur Erlangung des MSc. im Jahre 1965 ein. Die Arbeit handelt von der Optimierung eines ZF-Filters in HInblick auf optimale Gruppenlaufzeit und wenig Phasendrehung bei vorgegebener Selektion. Nun, genau das wird DER Ansatz in jedem richtig guten Tuner der späteren Jahrzehnte werden.
Das Thema wird auch bei Revox explizit erkannt und optimiert werden. Ernst Mathys / Siegenthaler veröffentlichen ein Paper zu Gaussfiltern in der ZF, die Daten des A76, A720 und B760 sind entsprechend hervorragend. Empfindlichkeiten an der Grenze der Physik bei sehr praxisgerecht ausgelegter Gesamtbandbreite und wenig Klirr. Tolle neue Features wie die Rotorsteuerung über die Programmerung der Stationstasten kommen hinzu. Nur die Großsignalfestigkeit ist mäßig.
Wieschhoff geht nach Deutschland zurück, entwickelt den FM 2002, der 1976/77 auf den Markt kommt. "Nur" mit einer Bandbreite, die aber gut gewählt und überragender Großsignalfestigkeit. Keine Antenne kann den PIN-Diodenabschwächer übersteuern, auch nicht meine 18-Element bei dichter Senderlandschaft. Diverse andere Tuner scheitern an der Aufgabe, einen T9990 mußte ich zweimal an den Umschaltdioden der Antenneneingänge reparieren lassen (Garantie). Die Revox Tuner scheitern ebenfalls an der Aufgabe, halten aber durch, zeigen halt nur IM-Produkte. Ein externer Abschwächer löst das Problem, was aber auf Kosten der Empfindlichkeit geht.
Die Wieschhoff Tuner, vor allem der FM 3003 mit zwei Bandbreiten wide/super-narrow und die Revox-Tuner bleiben die Tuner, die hier in Deutschland/Schweiz optimal mit den Bedingungen klarkommen. Revox über die Jahre mit zum Teil überraschenden Komfortmerkmalen, Wieschhoff bleibt puristisch, designmäßig karg, aber souverän führend im Klang.
Was machen die Japaner?
Sie müssen zunächst einmal Tuner für ein Frequenzband entwickeln, das sie selbst nicht haben. UKW in Japan ist 76 MHz bis 90MHz. Also alles neu. Dann muß auch noch gleichzeitig für den US-Markt und Europa entwickelt werden. Also dort also Features über Features (drei Anzeigen,auch Multipath, jede Menge Gimmicks), aber wenig Anforderung an Großsignalfestigkeit und Selektion und bei uns Konkurrenz zu den deutschen Top-Marken in Gegenden mit 100 UKW-Stationen. Das führt zu Generationen von Zwittertunern, die alle möglichen Konstellationen schaltbar machen müssen: Dämpfung an/aus, bis zu vier Bandbreiten, Highblend, Stationstasten ...
Immer mal wieder ist ein richtig guter Tuner darunter, nehmen wir den CT 7000 von Yamaha oder den KT-917 von Kenwood. Ein richtig toller Empfänger, gebaut von einer Firma, die auch für ihre gute Amateurfunktechnik bekannt ist. Man sieht's an den mehrfach abgestimmten Kreisen vor dem Mischer. Leider driften die SAW-Filter (exakter Ersatz mir nicht bekannt) und in der AFC-Schaltung werkelt ein Spezial-IC. Auch der T 9900 und 9990 sind sehr gut vom Empfang her, leider nicht vom Klang. Hier driftet der Oszillator über die Jahre weg.
Die Zeitschriften in Deutschland, die Ende der 70er Jahre wahre Prüfprotokolle erstellten und Nachrichtentechniker wie Dipl.-Ing. Wienforth beschäftigten, mogeln sich da irgendwie durch. Lest einmal den Test des B760 in der Hifi stereophonie. Für HF-Ingenieure ein Leckerbissen. Johannes Maier und Schüller von der stereoplay entwickeln in den 90ern einen 3D-Testverfahren für die Intermodulationsfestigkeit mit gleich mehreren Meßsendern, bei dem auch die besten Tuner Schwächen preisgeben, nur DEN Tuner, für den dieser Test quasi gemacht wurde, der FM 3003, den testen sie nicht. Ist Politik, sagt Maier mir einmal. Gegen den sieht jeder andere Tuner schlecht aus. Stimmt.
Was bleibt also ?
Eine doppelte Handvoll Tuner, die über Jahrzehnte etwas besonderes waren und immer sein werden:
* der Marantz 10B, der beste Röhrentuner aller Zeiten, bei passendem Signal überrragend im Klang. Und das Goniometer ist doch toll, oder ? Wenn die Fotodiode nicht aussetzt, klappt's auch in stereo.
* der Sansui TU-X1, ein Doppel-Empfänger, der Mittelwelle besser kann, als jeder andere Tuner. Warum haben die Japaner die Trägererzeugung mit einzeln schaltbaren Seitenbändern nicht gleich Synchrondetektor genannt? Optisch mit den Doppelskalen ein Gedicht. Wieschhoff und ich haben meinen überarbeitet, das hat jede Menge Spaß gemacht. Dabei haben wir leider auch die eine oder andere Schaltungs-"Spezialität" entdeckt. Geht schon im Antennenkreis los. Die SAW-Filter driften über die Jahre leider, Selektion nicht toll.
* der Kenwood KT-917. Ein Tuner wie aus dem Bilderbuch. Displayhelligkeit umschaltbar? Da kommt nur ein Japaner drauf. 9-Kammer Frontend, puuh, viel Spaß beim Abgleich. Doppelplatine zum Aufklappen. Oh je. Gibt's den wirklich nur in silber? Schade. Aber die drei Instrumente... Der Rest steht oben: weder ganz top Empfindlichkeit, noch Selektion, aber kein IM.
* der Sequerra Model 1 FM, für mich der bestklingenste UKW-Tuner überhaupt. Kein anderer Tuner der großen Ära hat eine Anzeige des Antennensignals in Echtzeit (Spektrumanzeige).
* die Revox A720, B760, B261 und B260, die zeigen, daß ein Hersteller durch konsequente Weiterentwicklung über Jahrzehnte die Feinheiten der europäischen Senderkonstellation bis an die Grenze der Meßgeräte ausreizt.
* der FM 3003, bei dem Wieschhoff nach 30 Jahren die optimale Synthese zwischen Empfindlichheit, Klirr/Klang, Selektion und Großsignalfestigkeit erreicht hat. Und das mit technischen Daten wie ein HF-Meßgerät. An den wirklich großen Rotorantennen wie der Galaxie von Ron Smith oder der 19.3 von Peter Körner unerreichter Empfang.
* und natürlich der McIntosh MR-78, der nicht nur klasse aussieht, sondern als einziger US-Tuner auch mit unserer Senderlandschaft zurecht kommt. Quarzfilter in super-narrow, umschaltbare Empfindlichkeit, wide als LC-Filter ausgeführt, etc. Modafferi konnte eben auch einen richtig guten Tuner bauen. Wer jetzt noch das MPI-4 Anzeigeinstrument dazukauft, hat *FAST* einen Sequerra.
Aber, es gilt immer der Satz, den ich von Wieschhoff gelernt habe: erst muß ein Tuner einen Sender einmal gut empfangen können, bevor er gut klingen kann.
Ein Problem vorne im Frontend (zu wenig Empfindlichkeit, Intermodulation), kann ich ich später in der ZF oder im Decoder nicht wieder gut machen.
Sorry, ich kam in's Schreiben ....