Hallo zusammen,
ich habe in diesem Forum schon sehr lange nicht mehr geschrieben, in den letzten Monaten aber viel gelesen. Ich war die letzten Jahre eigentlich mehr auf der digitalen Schiene unterwegs. Ziel war eigentlich, die Anlage unsichtbar zu machen bei gleichzeitig sehr ordentlichem Klang - weg vom Altar (Spider-Rack mit 7 Ebenen), der sich zwischenzeitlich aufgebaut hatte.
Da unser großes Zimmer als Wohn- und Esszimmer sehr schick ist, aber als Hörraum echt eine Herausforderung und die beiden anderen Räume (Schlaf- und Ankleidezimmer) eher klein, blieb zum ordentlich Musik hören eben nur das große Zimmer mit all seinen akustischen Einschränkungen: L-Form, Betondecke, Parkett auf schwimmendem Estrich, 11 große Fenster und jede Menge Alurahmen. Ein paar akustische Maßnahmen habe ich gemacht, aber eben auch optisch wohnraumverträglich und nicht nach Studiomaßgaben: dicker Teppich, fettes Stoffsofa, Absorber schön hinter akustisch transparentem Stoff versteckt unter der Decke, Wabenplissees in allen Fenstern und ein paar Filz-Schiebevorhängen.
Nach jahrelangen Versuchen mit Acourate und BruteFIR (mir zu kompliziert bzw. ich zu doof dafür), DIRAC (klanglich nicht befriedigend) hatte ich mir vor ein paar Monaten einen Trinnov Amethyst ausgeliehen - und Bingo! Der hat gepasst. Einfach zu bedienen und sehr gute Wirkung! Nur leider etwas pricy...
Seit ungefähr 7 bis 8 Jahren hatte ich nur noch Class-D-Endstufen und seit dem ich die PureAudioProject Trio15 Voxativ habe, habe ich diverse Class D's ausprobiert, insbesondere nach Kauf des Trinnov - um dem Trinnov eine adäquate Endstufe an die Seite zu stellen. Sehr gut, im besten Sinne preiswert und ein Best Buy der Technics SU-G700 - aber wozu ein Vollverstärker mit DAC, wenn der Trinnov doch einen DAC hat und auch noch eine exzellente Roon-Bridge? Dann nach Versuchen mit AVM SA 3.2, Ascendo DNA1000.2He, die keine wirkliche Verbesserung gegenüber dem preiswerteren Technics brachten, habe ich mir aus den USA tolle Class D's schicken lassen: Digital Amplifier Company Desktop Maraschinos mit 60V Netzteil. Angeblich gebrauchte Inzahlungnahmen vom Hersteller, was ich aber nicht glaube, da ich mir die Gehäusefarbe aussuchen konnte und die Gehäuse nagelneu sind. Ich denke, der vertreibt Neuware als gebraucht, um die Listenpreise nicht kaputt zu machen, aber Umsatz zu schaffen. Die sind klein, klingen toll und bleiben kühl. Eigentlich genau was ich gesucht habe.
Tja, und dann war ich mitten in der Sommerhitze zweieinhalb Wochen krank und musste das Bett hüten. Und so bin ich das Internet rauf und runter gesurft und habe viel recherchiert.
Erstes Ergebnis: ein Kenwood KD 990 in sehr ordentlichem Zustand für einen angemessen niedrigen Preis von 400 Euro, inzwischen mit einem Dynavector 10X5 MKII am erstaunlich guten MM-Eingang des Trinnov - klingt einfach nur klasse.
Und zweitens wollte ich mir eigentlich nur etwas beweisen. Nämlich dass sehr gute Class D's von guten Röhrenamps nicht geschlagen werden können. Gerade was die Maraschino-Endstufen betrifft, haben im Audiocircles-Forum viele Leute ihre Röhrenamps dafür beiseite gestellt und geschrieben, diesen ganzen Zirkus mit Tube Rolling usw. würden sie nicht mehr brauchen.
Nach einiger Recherche interessierte ich mich für ein paar Marken (z.B. Quad, Tubeguru, Leak, Graaf, KR Audio) und ging ein bisschen auf die Suche. Ich fand ein Angebot für eine KR Audio BSI20-VT beim Online-Dealer in Holland, zu diesem Amp aber nur wenige Infos im Netz, bis auf den entscheidenden Hinweis, dass gerade dieser KR Audio kein richtiger Röhrenamp sei (wobei die KR's irgendwie alle Hybride sind). Ich weiß nicht warum, aber ab da habe ich nur noch nach KR Audio gesucht, weil mich auch die Story zu diesem Unternehmen interessiert hatte. Dann fand ich eine Kronzilla SD in Paris für 2500 Euro, aber mir erschien das Angebot zu billig (bei einem Neupreis von 18.000 Euro) und unseriös, auch die Antwort des Anbieters war so komisch knapp und eine Übergabe sollte ohne Probehören auf der Straße in Paris gegen Cash passieren - da habe ich lieber Abstand genommen.
Und dann fand ich eine Anzeige in holländischer Sprache auf Maarkplatz.nl, eine KR Audio Antares VA 320 zu einem sehr guten Preis. Um mit dem Anbieter zu kommunizieren, musste ich mich auf diesem holländischen Kleinanzeigenportal registrieren (was man nicht alles macht, wenn man Blut geleckt hat). Der Verkäufer ist ein sehr netter Mensch, mit dem ich im Anschluss ausschließlich per Mail und zum Glück auch in Englisch kommuniziert habe. Die Frage war, wie den Amp nach Deutschland zu bekommen und ich hatte schon mit einem Kumpel die Reise nach Utrecht geplant... Da kam die Nachricht, dass seine Frau und die Kinder mit dem Auto nach Berlin kommen und den Amp mitbringen können. Und so habe ich ihn gestern morgen in Friedrichshain aus einem Auto ins andere geladen und nach Hause transportiert. Beobachter hätten denken können, da würde Diebesware den Besitzer wechseln...
Nach einer kurzen Aufwärmphase (war ja fast Frost in der Nacht) habe ich ihn auf 8 Ohm umgestellt, angeschlossen, eine schöne Scheibe in Roon ausgewählt und es kam - nichts. Der Trinnov fing an zu zicken. Er hat die Verbindung zum Router verloren und wollte sich nicht wieder verbinden lassen. Ich habe es dann relativ schnell wieder hinbekommen, nachdem es dann mit Radio schon lief.
Wie oben geschrieben, wollte ich mir beweisen, dass ich mit Röhrenamps nichts verpasse und eigentlich auch die Vorstufe einen viel größeren Einfluss auf den Klang hat als die Endstufe, wie es (so wie ich es recherchiert habe) mehrheitliche Meinung in den Foren ist. Aber verdammt - da ist vom ersten Ton an eine Magie...
Habe dann gestern Nachmittag viel Musik gehört und als sich die Röhren warm gespielt hatten, sass ich immer begeisterter vor meinem Open Baffles. Auch Radio klang deutlich angenehmer und ganz extrem ist es beim Fernsehen. Habe erst das Arte Journal geschaut und danach die nachfolgende Doku-Reihe Re:. Ich hätte nie vermutet, dass die Stimmen von Nachrichtensprechern mich derart faszinieren können. Und auch die Musik in der Doku hatte etwas absolut Magisches...
Nun bin ich verwirrt. Warum hat die Endstufe einen so großen Einfluss auf das Gesamtergebnis? Warum spielt das so viel zackiger als die Class D's? Ich wollte doch eigentlich nur mal einen Röhrenamp hören zum Beweis, dass das nicht besser geht, als das was ich schon habe? Will ich mit dem hohen Stromverbrauch leben (zumal irgendwie immer Radio, TV oder Mukke von Konserve läuft)? Will ich eine zusätzliche Heizung im Wohnzimmer?
Fragen über Fragen, die Antworten bzw. Entscheidungen bedürfen. Ich weiss noch nicht, ob ich die Röhrenendstufe behalten werde. Es gilt, einiges abzuwägen. Aus rein klanglichen Gründen würden sie bleiben. Auch die Frage der Lebensdauer der Röhren ist nicht so sehr das Problem bei den KR Audios. Die Firma gibt für die VHD842 eine Lebensdauer von mindestens 10.000 Stunden an. Das wären bei täglich 8 Stunden immerhin dreieinhalb Jahre und 8 Stunden läuft die Chose nur an Wochenenden. Aber in Zeiten, wo Schaltverstärker mit minimalem Stromverbrauch ordentlichen Klang bieten, sich so einen Stromfresser hinzustellen? Und im Sommer in der unklimatisierten Wohnung bei Temperaturen drinnen von über 30 Grad noch einen Amp als Zusatzheizung haben?
Da habe ich mir ja wieder mal schön was aufgehalst...