Moin Zusammen,
ich finde es erst einmal schade, dass im Titel direkt von Wahn gesprochen und es von einigen hier direkt mit Klischeebildern unterstrichen wird.
Natürlich gibt es Menschen, die Erstpressungen kaufen, weil es Erstpressungen sind. Genauso wie bei Uhren, alten Leicas, alten Autos etc. - das muss am Ende jeder selbst wissen, repräsentiert aber nicht den normalen Fotografen, Uhrenträger, Autofahrer - oder Vinylhörer.
Für Vinyl gibt es ein Master, wie für CDs oder Files von Streamingdiensten auch.
Bis ca. Mitte der 80er, als man in Tonstudios begann digital aufzunehmen, landete alles auf Master Tapes - i.d.R. liefen mehrere Maschinen mit. -Das/Die- Original/e wurden dann mehrfach kopiert und anschließend archiviert. Diese Kopien wurden dann für die Master genutzt bzw. für "Exporte" weiter kopiert.
Jetzt stell dir mal ein Tape vor. Wie eine Kassette wird auch das nicht besser mit der Zeit und der Häufigkeit der Nutzung. Das immer wieder neue Runterziehen der Musik von einem solchen - bzw. einer neuen und neuen Kopie-Generation ist der Musikqualität nicht zuträglich.
Darum sagt man, dass man in der Regel (keine Regel ohne Ausnahme!) mit Erst- oder anderen frühen Pressungen die aus dem Land der Album-Aufnahme am nächsten (für Schallplatten-Niveau) am Original dran ist.
Man macht mit Erstpressungen selten etwas verkehrt. Mit Zweit- oder Drittpressungen, am besten noch vom selben Label - oder eine Erst- oder Zweitpressungen aus einem anderen Land, ist man meist ähnlich gut bedient, zahlt aber nicht selten schon bedeutend weniger.
Das sind aber eher oft zutreffende als in Stein gemeißelte Faustregeln.
Ich selbst vergleiche ziemlich viel LPs und recherchiere viel im Netz (meist im Steve Hoffman-Forum - eine Art Pendant hierzu, wo die User aber viel über unterschiedliche Pressungen reden, statt über unterschiedliche Technik).
Ich kaufe mir dann öfter 2, 3 oder seltener mal auch 4, 5 verschiedene Pressungen / Empfehlungen und sehe, wie sich das für mich verhält.
Mein Ergebnis siehst du in meiner Plattensammlung:
Ich habe alle "audiophilen" Reissues verkauft und besitze fast nur Erst- aber auch einige andere (meist sehr frühe) Pressungen, bei denen der beste Klang immer gewann.
Mir macht das viel Spaß und gehen wir nach dem Prinzip "shit in = shit out" ist es für mich auch das einzig logische. Nachdem ich begriffen habe, wie unterschiedlich die Ausgaben untereinander klingen (können!), war es mir wichtig meine Anlage auf ein gewisses Niveau zu heben und mich dann im weiteren Geld-ausgebe-Verlauf auf gute Platten zu konzentrieren.
Natürlich klingt auch ein mittelmäßiges Master mit hochwertigerer Hardware besser. Aber eine gute Quelle macht am Ende den Unterschied - auch schon auf kleinen Anlagen.
Es gibt Alben / Bands, bei denen klingt fast alles gut - z.B. Pink Floyd. Teilweise stark unterschiedlich (z.B. DSOTM) aber eigentlich gibts keine schlechten Pressungen.
Beim Großteil ist der Unterschied aber von deutlich wahrnehmbar (und damit meine ich viel deutlicher als irgendwelche Kabelexperimente, eine Plattenklemme, ein anderer Abschlusswiderstand o.ä.) bis hin zu gravierend.
Es macht (mir!) Spaß das für sich klanglich beste Exemplar herauszusuchen. Man lernt dabei oft viel über die Geschichte des Albums und baut eine größere Verbindung zur Musik auf, da man sich mit jedem einzelnen Exemplar intensiver beschäftigt.
Das teuerste Album, welches ich je gekauft habe, hat mich 900,- € gekostet - ging aber auch fürs fast doppelte wieder weg.
Ansonsten habe ich aber recht viele LPs, die mich zwischen 300,- € und 500,- € gekostet haben.
Aufgrund dieser hohen Kosten besitze respektive "sammle" ich aber auch nur die Alben, die ich zu 110% geil finde und baue mir so eine Sammlung aus "Highlights" auf (auch hier gibt es ein paar Ausnahmen natürlich). Dieses Geld hat sich in meinen Augen immer gelohnt, denn genau genommen gibt es bis auf ein eventuell noch vorhandenes Master Tape keine Möglichkeit diese Musik in dieser Qualität zu hören, wie mit den Pressungen, die ich mir ausgesucht habe - Streaming klingt meist schlechter, weil schlechter gemastert. Da kann die Datei per sé noch so sehr "high res" sein.
Edit: Es gibt aber auch genügend Erstpressungen - sei es aufgrund sehr großer Auflagen oder sehr unbekannter Künstler - die ich in NM für unter 50 oder gar 30 € kaufen konnte. Es muss also nicht immer teuer sein. Das wollte ich noch hinzufügen, um das Bild nicht zu verzerren.
Weiterhin liegt es mir fern irgendetwas zu sammeln im Sinne von Anhäufen, da ich es überhaupt nicht mag Dinge zu besitzen, die ich nicht nutze. Und zumindest in meiner "Erstpressungs-Bubble" kenne ich Niemanden, bei dem ich von einem "Wahn" sprechen würde. Eigentlich betrachten ziemlich alle die Sache so ähnlich wie ich.