Ihr Lieben,
viele sagen, dass dieses Forum ja eines mit dem Fokus auf Technik sei - das ist unbestritten aber da ich das schade finde, sage ich auch: das Forum ist nur das, was die Nutzer daraus machen. Technik-Nerd, Erfahrungssuchender - ganz egal. Ohne Musik nutzt uns die ganze analoge Technik nichts. Darum habe möchte ich heute (mal wieder) mit gutem Beispiel voran gehen und euch an einem Vergleich teilhaben lassen, welchen ihr hoffentlich genauso spannend findet, wie ich. Also:
Als 'Zamrock' wird eine der zum Beginn der 1970er in Sambia entstandene Musikrichtung bezeichnet, die in der Zeit der dortigen Liberalisierung (Sambia war seit 1964 unabhängig) verhältnismäßig viele Bands hervorgebracht hat, die sich an Black Sabbath, Hendrix oder auch James Brown orientiert haben. Den Sound kann man vor allem als groovigen Rock bezeichnen, mit ca. zu 70% englischem Gesang.
Mit Aufkommen der Wirtschaftskriste, Grund war die Kupferkrise in den 80er Jahren in Sambia sowie im Kongo, verschwand auch der Zamrock.
In meinem Beispiel geht es um die "Ngozi Family" und das Album "45,000 Volts".
Zum Vergleich stehen folgende Veröffentlichen:
- Das Original wurde 1977 in Sambia veröffentlicht und die Erstpressungen wurden in Auflagen von wenigen hundert Stück gepresst. Innenhüllen gab es nicht. Zustand meines Exemplars: klanglich VG, äußerlich G+. Das Cover ist ..unbeschreiblich - ich finds aber auch ziemlich cool! (In jedem Fall das beste der drei Exemplare, die ich hier hatte
)
- Abgesehen von zwei inoffiziellen Reissues, ist das erste offizielle Reissue 2021 in den USA & Kanada erschienen
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..Nachdem ich schon beim ersten Hören des Albums ziemlich Feuer fing, kaufte ich erst einmal das Reissue - bei einigen hundert Erstpressungen dürfte es unmöglich sein ein Original zu bekommen, so mein Gedanke.
So richtig los ließ mich der Gedanke aber nicht und ich fing nach einigen Monaten an zu suchen. So lang, bis ich irgendwann Kontakt zu einem Händler aus Osteuropa bekam, der ein absoluter Nerd ist, was afrikanische Musik angeht und sich die alten LPs, ungesehen, von dortigen Mittelsmännern importiert, hier in Europa untersucht und versucht Fehler wie Loops, Jumps oder Pops zu reparieren. Inzwischen pflegen wir ein recht freundschaftliches Verhältnis.
Bis ich zu meinem Exemplar kam, welches auch auf meinem System fehlerfrei läuft, hat es drei Anläufe gebraucht. Er schickte mir jedes Mal dutzende Videos und bei ihm laufen die LPs, auf einem 50€-Tonabnehmer, einwandfrei durch. Bei mir habe ich in den ersten beiden Versuchen bei jedem Song mehrere Loops gehabt. Ich hatte schon ein wenig Angst um meinen TA
(ehrlich gesagt ziemlich große).
Dennoch: beim dritten Mal sollte es klappen aber nichtsdestotrotz sind die LPs in jedem Fall! total zerkratzt. Bei Rock-Musik hat mich das aber nie wirklich gestört - sobald die Musik einsetzt, hört man davon kaum mehr was.
Nun habe ich mir natürlich auch die Frage gestellt, und jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, wie die klanglichen Unterschiede sind. Einfach, weil ich mich für diese Thematik allgemein sehr interessiere. Ich hätte würde dieses alte Schmuckstück so oder so nie wieder hergeben, da es eine absolute Rarität ist solch eine Pressung, die einwandfrei läuft, zu besitzen.
Ich habe zwei Songs vergleich:
- A1 "Nizakupanga Ngozi"
sowie
- A4 "Atate"
A1
R(eissue) =>
- Man spürt den Bass aber eher dumpf und im Hintergrund
- Stimmen recht verhangen aber noch gut
- Bass-Drum gut, Snare & Tom-Toms recht blass
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O(riginal) =>
- Bass ebenfalls nicht perfekt, dennoch deutlich präsenter. Snare & Tom-Toms erheblich plastischer
- Räumlicher
- Höhen der Stimme sind klarer; strahlen mehr
A4
R(eissue) =>
- Bass hat hier mehr Punch im Vergleich zum ersten Song - das kann die LP also grundsätzlich auch
- Stimmen leiser & dumpfer
O(riginal) =>
- Bass ist dennoch präsenter und kräftiger hier
- Gitarren wirken viel lebendiger
- Auch hier ist eine räumlichere Wirkung zu spüren
- Ebenfalls sind die Drums wesentlich plastischer
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(-> Der Zustand der LP ist weitaus schlimmer, als es sich hier auf dem Foto darstellen lässt!)
Spannend:
Bei A4 habe ich außerdem die Lautstärke gemessen, da mir die Musik, im Vergleich, insgesamt ziemlich komprimiert vorkam. Und tatsächlich:
- beim Reissue haben wir, bei gleicher Lautstärke, einen abgedeckten db-Bereich von 39-63db
- beim Original 26-72db
..mir ist bewusst, das lautere Stellen natürlich auch das Klangerlebnis beeinflussen.
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Insgesamt macht das Reissue Spaß - die Musik ist wirklich geil. Die Geschichte dahinter vielleicht nicht historisch bedeutsam, jedoch spannend und für mich greifbar. Man kann es noch normal für ca. 25,- € bekommen.
Das Original habe ich am Ende für schlanke 130,- € ergattern können. Ich denke, wenn man "einfach so kauft" kann man schnell das doppelte bis dreifache bezahlen - wenn man überhaupt ein Exemplar findet und mit viel Risiko im Gepäck.
LPs aufzulegen die alt sind und als Gegenstände per sé schon viel hinter sich haben (was man hier sicher zweifelsohne behaupten kann) lösen in mir einen völlig anderen Reiz aus, diese zu besitzen und abzuspielen. Ich bin aber frei von vorgefertigten Meinungen, was ich besser finden möchte - es würde mich nicht stören, wenn das Reissue das bessere wäre und ich hätte beide behalten - das wäre nicht das erste Beispiel dafür in meiner Sammlung.
Jedoch legt das Original, im Vergleich zum recht guten Reissue, noch eine gute Schippe oben drauf. Das mein Exemplar klanglich noch in so einem wunderbaren Zustand ist, hat mich überrascht. Ich habe schon Erstpressungen gehört, die so runtergenudelt waren, dass jegliche Dynamik aus den Rillen gefräst wurde.