Vorab: Das ist wirklich nur ein allerster Eindruck ohne jeden Anspruch. Aber fast immer bestätigt sich dieses dabei entstandene Gefühl bei mir.
Meine Neugier hat dann doch gesiegt und ich habe mir heute vormittag (der Flieger eines Kunden kommt mit viel Verspätung) drei Sinfonien marathonmäßig angehört.
Auf dem DAP mit In Ears und als Qobuz-Stream.
Frei nach dem alten Kalauer "Wie viele Sinfonien hat Beethoven geschrieben?" "Drei! Die Dritte, die Fünfte und die Neunte!" habe ich die mittlere Troika 5, 6 und 7 ausgewählt.
Um in der Reihenfolge zu bleiben die 5 zuerst. Was sofort ins Ohr fällt ist das Tempo. Das ist schon schnell. Bei Beethoven gibt es ja die lange Auseinandersetzung um die Metronomangaben. Ein befreundeter Pianist hat mir mal gestanden, dass ihm einige der Angaben "unspielbar" vorkommen. Da ich das nicht beurteilen kann lasse ich das mal unkommentiert stehen.
Vielleicht oder eher wahrscheinlich sind es Hörgewohnheiten, die einen das bemerken lassen. Das hat so wenig vom Schicksal, das an die Pforte klopft. Man kann sich aber daran gewöhnen. Es ist nicht so, dass man Beethoven "neu hört". Sowohl Dirigent als auch Orchester wissen, was sie tun. Und sie tun es sehr gut.
Die Sechste hat mich am meisten überrascht. Und ehrlich gesagt anfangs geärgert. Das hat sich schnell gegeben. Auch hier steckt man wahrscheinlich tief im tradierten Pastorale. Beim ersten Satz habe ich mir von Kindheit an immer vorgestellt, an einem herrlichen Sommertag vom Schlaf erholt und von der Sonne geweckt langsam zu erwachen. Bei dieser Aufnahme hatte ich eher das Gefühl von Eichhörnchen und Wildschweinen geweckt zu werden. Nach dem Motto "Lieg hier nicht rum und tu nix!" Es geht im Laufe der Sätze genau so weiter, das ist kein Idyll. Der letzte Satz ein Hirtengesang? Das wäre eine Hirtenarmee, das ist Leben.
Damit komme ich zur Siebten und zur meiner Meinung nach herausragenden Eigenschaft des Orchesters. Die Bläser sind einfach fantastisch! Wie die Flöten das Hauptthema im ersten Satz (für die Partiturleser ab T.62) vorstellen ist einfach delikat. Mir fällt da kein anderes Wort ein, sorry. Und das Blech hat sowieso in allen Sinfonien den Helm auf. Ich freue mich schon drauf, das daheim auf "der Anlage" zu hören. Da schmettert es sicher gewaltig.
Fazit? Was man nicht erwarten darf ist ein zu radikal entstaubter Ludwig van Beethoven. Ich hatte nie das Gefühl, dass da jemand auf Teufel komm raus "anders" sein will.
Kaufempfehlung? Wenn man denn unbedingt eine neue Gesamtaufnahme haben will kann man das machen. Hörempfehlung? Auf jeden Fall!
Also bin ich eher bei der Stereoplay als bei der Fono Forum. Wenn ich jetzt schreibe, dass die Wahrheit in der Mitte liegt ist das was für die Phrasenkasse. Stimmt aber irgendwie.
Wer streamt und diese Musik mag für den ist es ganz sicher höchstinteressant.
Jetzt kurz zum Abschluss. Keine der drei o.g. Interpretationen konnte meine persönlichen Referenzen vom Sockel stoßen. Carlos Kleiber bei 5 und 7 und Pierre Monteux bei der Pastorale. Bei Kleiber muss ich allerdings gestehen sehr, sehr voreingenommen zu sein. Ich kenne weder vom Sohn Carlos noch von Vater Erich eine schlechte Aufnahme. Selbst wenn einer von beiden die "Schöne Blaue Donau" mit dem Mandolinenspielkreis Oer-Erkenschwick eingespielt hätte wäre ich Käufer
Diese "junge Generation" Dirigenten wie z.B. Nezet-Seguin, Dudamel oder sogar Currentzis haben immer mal wieder spannende Dinge zu sagen bzw. zu musizieren.
Eine Weile habe ich gedacht, dass die Aera der Pultstars wie Toscanini, Furtwängler, Karajan, Bernstein usw. mit Barenboim und Thielemann Geschichte werden. Aber es geht scheinbar immer weiter.
Ich hoffe nicht gelangweilt zu haben.